»Na, das könnte dir doch kein unbekanntes Jucken sein«, sagt der Mann hinter dem Busch hämisch. »Im Jail hatten wir doch Läuse genug. Deck deinen Schießprügel zu, dann dringt kein Sand in den Verschluss, verstanden?«
Jemand taucht aus den wie Nebelschleier wirkenden Wogen des Sandsturmes auf und wirft sich neben dem Busch hin.
»Was ist los? Wie lange sollen wir hier noch hocken? Das hält ja kein Mensch aus, Mann. Ausgerechnet bei dem verdammten Wetter müssen wir hier warten?«
»Yeah, ausgerechnet bei dem Wetter«, entgegnet der Ankömmling finster. »Er weht alle Spuren wieder zu. Darum sitzen wir ja hier. Niemand wird die Huftritte entdecken, wenn wir mit der Sache fertig sind. Ob der Kerl wirklich hier herauffährt?«
»Muss er, er kann nicht über den Berg fliegen«, gibt der Hagere kurz zurück. »Es kann nicht mehr lange dauern, dann sind sie hier. Ich wünschte, die Sicht wäre etwas besser. Verdammt schlecht zu zielen bei dem Sandsturm.«
»Ja, und wenn du das Gewehr hebst, wackelt das Ding auch noch, sobald der Sturm es packt.«
»Ihr werdet treffen. Wir müssen sie schlagartig erwischen, vergesst das nicht. Finden sie in den Wagen Deckung, sieht die Sache nicht ganz so leicht aus.«
»Dazu kommen die doch nicht mehr«, mischt sich der dritte Mann ein. Er ist hinter den Felsen herausgekommen und breitet seine Decke aus. »Haltet sie mal hoch, ich will mir eine anstecken.«
Er brennt sich seine Pfeife an und starrt aus schmalen Augen zu dem unter ihnen liegenden Weg hinab. Die Sandwogen peitschen über den Hang und lassen bereits die Büsche am linken Wegrand verschwimmen.
Der Mann mit der Pfeife vergisst im nächsten Augenblick zu rauchen.
Aus dem nebelartigen Dunst schält sich langsam ein Reiter. Dann taucht auch der zweite Reiter auf. Eine wie eine Nebelwand über den Weg streichende Sandwolke verschluckt den Mann gleich darauf und macht auch den zweiten Reiter unsichtbar.
Verdammt, denkt der Bandit hinter seinen Steinen erschrocken, da sind sie ja schon. Man hat sie nicht mal gehört. Der verfluchte Sturm. Dann sind die Wagen zu erkennen. Der Geldtransport ist da.
*
Kendall sieht sich um, als sie die schmalste Wegstelle erreicht haben.
Der erste Wagen mit Thomas und March auf dem Bock ist etwas zu weit nach links gekommen und hält an der Hangkante.
»Thomas, rechts halten! Mehr rechts.«
Sein Schrei erreicht Thomas, einen mittelgroßen rothaarigen und immer zu Streichen aufgelegten Fahrer. Thomas zerrt sofort an den Leinen. Die beiden Pferde an der Deichsel ziehen augenblicklich herum. Der Wagen nähert sich jetzt der Wand des Hangabsatzes.
»Gut so! Pass auf, wohin du fährst!«, brüllt Kendall durch das Heulen und Fauchen des Windes. »Wenn wir im Tal sind, lässt der Wind nach, dann haben wir …«
Und weiter kommt Kendall nicht. Er wirft gerade noch einen Blick auf die Ersatzpferde hinter Thomas’ Wagen. Dort sind sie angebunden. Hinter ihnen aber erscheint auch schon Joe Moores schwerer Transporter. Auf ihm liegen die meisten der ungerade nummerierten Kisten.
In diesem Augenblick streift Kendalls Seitenblick auch Yatskell. Und dann ist plötzlich die Hölle los.
In Kendalls Ohren dröhnt der Abschuss eines Gewehres. In derselben Sekunde sieht Kendall Yatskells Pferd jäh steigen und Yatskells weit aufgerissene Augen über dem Halstuch. Es kommt Kendall vor, als passierten die folgenden Dinge nur in seiner Phantasie.
Yatskell scheint von irgendeiner Gewalt aus dem Sattel geschleudert zu werden. Der Mann breitet die Arme aus, als wolle er sich irgendwo festhalten. Dann ist er auch schon verschwunden, während sein Pferd auf der Stelle zusammenbricht. Zur gleichen Zeit spürt Kendall das Zucken seines großen, breitbrüstigen und ausdauernden Pferdes, Kendall hat nun nicht nur einen donnernden Abschuss in den Ohren. Er glaubt sieben oder acht Schüsse zu hören und wirft sich augenblicklich nach links vom Pferd. In seinem Unterbewusstsein handelt er, wie er oft genug während des Krieges und der Indianerüberfälle reagiert hat.
Er streckt im Weghechten die Hand nach dem Gewehr aus. Er bekommt die Waffe zu fassen und weiß, dass sein Pferd getroffen worden ist. Mit diesem Bewusstsein saust er aus dem Sattel. Irgendetwas pfeift grell singend über ihn hinweg. Dann kommt er hoch. Er sieht hinter Moores Wagen das Pferd von Luke Bates, des zweiten Wachreiters, durchgehen. Der Gaul macht jedoch nur vier Sätze zurück, dann scheint er vor eine Mauer zu rasen. Das Pferd stellt sich jäh hoch und kracht zusammen. Bates saust aus dem Sattel. Er wirft sich hinter sein Pferd und beginnt zu schießen.
All das registriert Kendall während des Losrennens. Er sieht irgendwo rechts am Hang einen Feuerblitz und dann Thomas langsam nach vorn kippen. Thomas fällt vom Bock herunter, während March hinter dem Kastenbrett untergetaucht ist und zu schießen beginnt.
Wohin March feuert, ob er etwas trifft, Kendall weiß es nicht. Er läuft nur in wilden Sätzen wie ein Wahnsinniger an dem ersten Wagen vorbei. Kugeln scheinen nach ihm greifen zu wollen und fauchen mit bösartigem Heulen an ihm vorbei. Irgendwann erreicht er Moores Wagen. Er sieht von Moore nicht mehr als nur die Hutspitze und einen Colt. Der Colt spuckt Feuer, während Kendall zum Ende des Wagens rennt. Weiter zurück, etwa acht Schritt entfernt, liegt Bates hinter dem toten Pferd und schießt zur Hanghöhe hinauf.
»Die Pferde! Schneide die Pferde los!«, hört Kendall Moore brüllen. »Rauf danach, Jim, schnell herauf.«
In der nächsten Sekunde hat Kendall auch schon das Messer herausgerissen. Zu seinem Schreck sieht er, dass das eine Ersatzpferd von Moores Wagen tobt. Das andere liegt am Boden. Warum die Kugeln nicht auch die beiden Wagenpferde Moores niedermähen, wird Kendall nun klar. Moores Wagen steckt ja hinter dem ersten Fahrzeug. Der Weg ist zu schmal, um wenden zu können. Und selbst wenn das ginge, lägen immer noch die Pferde hinter Moores Wagen tot auf dem Weg. Moore steckt in einer Falle, aus der es keinen Weg mehr zu geben scheint.
Mit einem Hochreißen des Messers schneidet Kendall die beiden Stricke durch. Das angeschossene Tier bäumt sich auf und rast davon.
»Rauf, Jim! Rauf!«
Moores Stimme ist so drängend, dass Kendall seinen Versuch, unter den Wagen zu kriechen, aufgibt. Er wirft sich hoch, fliegt über das hintere Abschlussbrett des Wagenkastens und landet neben Tom Blyton. Blyton ist der einzig verheiratete Fahrer des Transportes. Er hat eine junge Frau und ein sechs Monate altes Baby. Jetzt kauert er an der rechten Kastenwand und hat die Plane hochgeschoben. Da die Kisten ausreichend Deckung geben, hockt er einigermaßen sicher.
Zu Kendalls Schreck hat Moore die Peitsche genommen und den Colt hingeworfen.
»Joe, bist du wahnsinnig?«, kann Kendall noch schreien, ehe er sich neben Joe niederduckt und auf einen Feuerblitz am unteren Hangende schießt. »Das schaffst du nie.«
»Dann brechen wir uns den Hals«, erwidert Moore mit der ihm eigenen Sturheit und Entschlossenheit. »Ich habe schon ganz andere Sachen versucht. Yüüaaahh – lauft!«
Er hat die linke Leine ganz angerissen und schlägt jetzt aus der Deckung des Kastenbrettes mit der Peitsche über die Pferde.
Und dann ruckt der Wagen an.
Es kommt Kendall vor, als gäbe es ein Wunder. Zwar knallt ein halbes Dutzend Kugeln in den Wagen, aber keine scheint die beiden Wagenpferde zu treffen. Kendall feuert nun auf einige blendend rote Flammenzungen am Hang. Er schätzt, dass sie von mindestens sechs Männern beschossen werden. Wo die Kerle überall stecken, kann er nicht feststellen. Er hört vom ersten Wagen ein Gewehr krachen und auch noch, dass Bates schießt. Dann kommt es ihm vor, als wolle Moore den ersten Wagen rammen. Nur um Handbreite schieben sich die Vorderräder des zweiten Wagens am ersten vorbei.
»Joe, du schaffst es nicht, wir stürzen um«, keucht Kendall, indem er sich neben Moore wirft. »Mann, am Hang sind auch ein paar Kerle hinter Büschen. Die sehen uns und schießen die Pferde ab. Du kommst nie herunter.«
Moore antwortet mit