Die Nordgrenze: Sieht man davon ab, dass im hohen Mittelalter die Dänen kurze Zeit die Herrschaft über die Küsten von Mecklenburg und Pommern innehatten, die Schwedenkönige als Reichsfürsten seit 1648 die Landeshoheit über Vorpommern (bis 1720/1815) ausübten und Hannover als Nordsee-Anrainer von 1714 bis 1837 mit England in Personalunion verbunden war, so lag die Nordgrenze des Alten Reiches seit jeher auf der Halbinsel Jütland und war die kürzeste Außengrenze, welche außerdem die geringsten Veränderungen erfahren hat. Diese Grenze verlief zunächst entlang der Eider, welche das deutsche Holstein vom dänischen Schleswig trennte. Weil Holstein 1460 an Dänemark kam, war der König von Dänemark von 1460-1806 gleichermaßen auch Reichsfürst.
Die Westgrenze: Am weitesten westwärts verlief die Grenze das Alten Reiches ab 1032/1033, nachdem das 880 bereits zum Ostfrankenreich gehörende Lothringen durch König Heinrich I. 925 wiederzurückerobert worden war und Kaiser Kaiser Konrad II. im Jahre 1033 das Königreich Burgund hinzugewonnen hatte. Die Westgrenze des Alten Reiches ist ab dem 12. Jh. beträchtlich nach Osten verschoben worden, denn große Gebiete fielen der Ostexpansion Frankreichs zum Opfer. Diese französische Annexionspolitik war seit etwa 1300 systematisch in die Wege geleitet und besonders unter König Ludwig XIV. (1643-1715) vorangetrieben worden, der sie in Verdrehung des wirklichen Sachverhalts als »Reunion« (Wiedervereinigung) bezeichnete. Angestrebt wurde der Rhein als natürliche Ostgrenze Frankreichs. Weitere Gebietsverluste im Westen waren mit der Ausgliederung der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs verbunden, die sich auf dem Boden des Alten Reiches entwickelt hatten. Während die nördlichen Niederlande (das heutige Königreich der Niederlande) bereits 1648 endgültig aus dem Reichsverband ausschieden, gingen die heute luxemburgischen bzw. belgischen Gebiete 1794 bzw. 1797 an Frankreich verloren und wurden später selbstständig.
Südgrenze: Zur Zeit der Staufer erstreckte sich das Alte Reich bis nach Sizilien. Mit dem Verlust Italiens ging die Südgrenze auf die deutsche Siedlungsgrenze zurück. Mit dem Ausscheiden der Schweiz aus den Reichsverband (1648) war die Südgrenze des Alten Reiches mit der Südgrenze der österreichisch-habsburgischen Länder identisch.
2. Das Frankenreich
Im Verlauf der Völkerwanderung entstanden auf dem Boden des 476 untergegangenen Weströmischen Reiches verschiedene Germanenreiche. Von diesen erwies sich das Reich der Franken als das dauerhafteste sowie in seiner Ausstrahlung auf die künftigen Reichsbildungen und die Kultur in Mittel- und Westeuropa als das bedeutendste. Durch die Kaiserkrönung Karls I. »des Großen« (800) kam jene Verbindung zwischen Reich und Kirche, zwischen abendländischem Kaisertum und römischem Papsttum, zustande, welche die politische Entwicklung sowie das Kultur- und Geistesleben in den folgenden Jahrhunderten prägte.
Aus dem östlichen Teil des Frankenreiches entwickelte sich im 10. Jh. das deutsche Reich.
Stammesland der kriegerischen Franken war das Gebiet zwischen Mittel- und Niederrhein sowie der Weser. Die von hier aus ab dem 4. Jh. eroberten Gebiete wurden mit fränkischen Bauern besiedelt, sodass die Verbindung zum Stammland nicht verloren ging. In dem sich schließlich zum Vielvölkerstaat entwickelnden Frankenreich behaupteten die Franken ihre führende Stellung als Reichsvolk. Die Stammeskultur der Unterworfenen wurde hingegen nicht angetastet.
Begründer des Frankenreiches war König Chlodwig I. (482-511), welcher römische Restgebiete mit ihrer gallo-römischen Bevölkerung sowie das westgotische Aquitanien im Südwesten des heutigen Frankreichs eroberte und durch skrupellose Beseitigung der Herrscher fränkischer Kleinkönigreiche Letztere mit seinem fränkischen Teilreich zu einem fränkischen Großreich zusammenschloss. Bei der Eroberung der römischen Provinzen hatte Chlodwig I. das römische Christentum als Staatsreligion und damit als geistige und politische Kraft kennengelernt. Die Bischöfe waren in den römischen Provinzen vielfach zu Stadtherren aufgestiegen und damit politisch einflussreich, sodass sich Chlodwig I. im Interesse der Konsolidierung seines jungen Reiches mit der Kirche arrangieren musste. Wohl auch unter dem Einfluss seiner Gemahlin, der christlichen Burgunderprinzessin Chrodechilde, trat er 498 oder 499 zum römischen Christentum über. Indem die Franken Christen geworden waren, wurden die konfessionellen Gegensätze zwischen Germanen (hier den Franken) und Romanen (hier den Gallo-Römern) aufgehoben, sodass jetzt durch die Einheit im Glauben die Integration der unterschiedlichen Völkerschaften in das Frankenreich entscheidend gefördert worden ist. Durch die Verbindung der fränkischen Herrscher mit der Kirche wurde die Legitimationsbasis der fränkischen Herrschaft verbreitert, sodass bereits Karl I. »der Große« als Rechtsgrund für seine Herrschaft über das »Imperium Romanum« nicht die Akklamation durch das Volk der Römer und die Kaiserkrönung durch den Papst, sondern allein den Willen Gottes in Anspruch nahm. Aus der Synthese fränkischer, römischer und christlicher Einflüsse ging schließlich eine neue Kultur hervor, welche das mittelalterliche Europa prägen sollte.
Das Frankenreich hatte unter König Karl I. »dem Großen« (768-814) aus dem Geschlecht der Karolinger seine größte Ausdehnung erreicht. Er eroberte 774 das Königreich der Langobarden in Italien und beherrschte damit Nord- sowie große Teile Mittelitaliens sowie den Herrschaftsbereich des Papstes (später »Kirchenstaat«). Das Langobardenreich verband er in Personalunion mit dem Frankenreich und nahm den Titel »rex Francorum atque Langobardorum« an. Er erweiterte das Fränkische Reich nach Südwesten durch die endgültige Unterwerfung Aquitaniens (769) sowie die Erweiterung der Spanischen Mark bis zum Ebro (778-811) als Pufferzone gegen die vordringenden Araber (Emirat von Cordoba), besiegte und christianisierte die Sachsen und Friesen (772-804) und vereinnahmte das bisher nur locker zum fränkischen Reichsverband gehörige Bayern (788 Absetzung des Herzogs Tassilo), welches wegen seiner Alpenübergänge nach Italien wichtig war. Im Westen sicherte er die Grenze gegen die Bretagne durch Errichtung der Bretonischen Mark. Zwecks Sicherung der Ostgrenze führte Karl I. mehrere Feldzüge. So zerstörte er 791-803 das Reich der Awaren und errichtete zur Sicherung des Donau-Raumes zwischen Enns und Leitha die Pannonische Mark (ab 976 Ostmark). Das asiatische Reiternomadenvolk der Awaren hatte sich in Pannonien (Ungarn) sowie im heutigen Niederösterreich festgesetzt und war wegen seiner Raubzüge gefürchtet, die bis nach Italien und in Deutschland bis nach Bayern und Thüringen ausgedehnt worden waren. Weiterhin führte Karl I. im Osten Feldzüge gegen die Böhmen (805/806), die Sorben (806) sowie die Lutizen (812) und machte diese tributpflichtig, sodass die Ostgrenze jetzt außer durch die Marken durch einen breiten Gürtel tributabhängiger Gebiete geschützt war.
Das Frankenreich hatte sich zum Vielvölkerstaat entwickelt, zu dem neben den Franken und Gallo-Romanen die germanischen Alemannen, Bayern, Thüringer, Sachsen, Friesen, Burgunder, Langobarden und Westgoten gehörten, welche durch eine einheitliche Reichsverfassung zusammengehalten wurden, die jedoch regionale Modifikationen erfahren hatte, sodass ein von Zwang weitgehend freies Zusammenleben der verschiedenen Völkerschaften ermöglicht wurde. Das Reichsvolk der Franken stellte die Könige sowie den größten Teil der politischen und militärischen Führungsschicht; die Romanen waren in der Kirche führend.
Die Machtfülle Karls I. legte es diesem nahe, nun auch verfassungsrechtlich in die Tradition des römischen Weltreiches einzutreten. Am 25.12.800 ließ sich Karl I. in Rom von Papst Leo III. zum Kaiser krönen und vom Volk des Kirchenstaates zum Kaiser ausrufen. Der Kaiser-Titel galt zwar nur für den Kirchenstaat, Karl I. verfolgte damit jedoch sehr viel weiter reichende Ziele, denn wie seinem Kaisertitel »Romanum gubernans imperium« sowie der Inschrift seines Siegels »Renovatio imperii Romani«