befällt, denn, mein Herr! ich selbst bin zwar ein Engländer, aber in Irland geboren und erzogen und nur deshalb jener verdammten Krankheit der Bulls unterworfen.< – Der Wirt lachte noch stärker, und ich mußte unwillkürlich einstimmen, denn sehr ergötzlich war es doch, daß der Irländer, nur von Bulls sprechend, gleich selbst einen ganz vortrefflichen zum besten gab. Der Fremde, weit entfernt, durch unser Gelächter beleidigt zu werden, riß die Augen weit auf, legte die Finger an die Nase und sprach: >In England sind die Irländer das starke Gewürz, das der Gesellschaft hinzugefügt wird, um sie schmackhaft zu machen. Ich selbst bin in dem einzigen Stück dem Falstaff ähnlich, daß ich oft nicht allein selbst witzig bin, sondern auch den Witz anderer erwecke, was in dieser nüchternen Zeit kein geringes Verdienst ist. Sollten Sie denken, daß in dieser ledernen leeren Bierwirtsseele sich auch oft dergleichen regt, bloß auf meinen Anlaß? Aber dieser Wirt ist ein guter Wirt, er greift sein dürftig Kapital von guten Einfällen durchaus nicht an, sondern leiht hie und da in Gesellschaft der Reichen nur einen aus auf hohe Zinsen; er zeigt, ist er dieser Zinsen nicht versichert, wie eben jetzt, höchstens den Einband seines Hauptbuchs, und der ist sein unmäßiges Lachen; denn in dies Lachen hat er seinen Witz eingewickelt. Gott befohlen, meine Herrn!< – Damit schritt der originelle Mann zur Türe hinaus; und ich bat den Wirt sofort um Auskunft über ihn. >Dieser Irländer<, sagte der Wirt, >der Ewson heißt und deswegen ein Engländer sein will, weil sein Stammbaum in England wurzelt, ist erst seit kurzer Zeit hier, es werden nun gerade zweiundzwanzig Jahre sein. – Ich hatte als ein junger Mensch den Gasthof gekauft und hielt Hochzeit, als Herr Ewson, der auch noch ein Jüngling war, aber schon damals eine fuchsrote Perücke, einen grauen Hut und einen kaffeebraunen Rock von demselben Schnitt wie heute trug, auf der Rückreise nach seinem Vaterlande begriffen, hier vorbeikam und durch die Tanzmusik, die lustig erschallte, hereingelockt wurde. Er schwur, daß man nur auf dem Schiffe zu tanzen verstehe, wo er es seit seiner Kindheit erlernt, und führte, um dies zu beweisen, indem er auf gräßliche Weise dazu zwischen den Zähnen pfiff, einen Hornpipe aus, wobei er aber bei einem Hauptsprunge sich den Fuß dermaßen verrenkte, daß er bei mir liegen bleiben und sich heilen lassen mußte. – Seit der Zeit hat er mich nicht wieder verlassen. Mit seinen Eigenheiten habe ich meine liebe Not; jeden Tag seit den vielen Jahren zankt er mit mir, er schmält auf die Lebensart, er wirft mir vor, daß ich ihn überteure, daß er ohne Roastbeef und Porter nicht länger leben könne, packt sein Felleisen, setzt seine drei Perücken auf, eine über die andere, nimmt von mir Abschied und reitet auf seinem alten Gaule davon. Das ist aber nur sein Spazierritt, denn mittags kommt er wieder zum ändern Tore herein, setzt sich, wie Sie heute gesehen haben, ruhig an den Tisch und ißt von den ungenießbaren Speisen für drei Mann. Jedes Jahr erhält er einen starken Wechsel; dann sagt er mir ganz wehmütig Lebewohl, er nennt mich seinen besten Freund und vergießt Tränen, wobei mir auch die Tränen über die Backen laufen, aber vor unterdrücktem Lachen. Nachdem er noch lebens-und sterbenshalber seinen letzten Willen aufgesetzt und, wie er sagt, meiner ältesten Tochter sein Vermögen vermacht hat, reitet er ganz langsam und betrübt nach der Stadt. Den dritten oder höchstens vierten Tag ist er aber wieder hier und bringt zwei kaffeebraune Röcke, drei fuchsrote Perücken, eine gleißender wie die andere, sechs Hemden, einen neuen grauen Hut und andere Bedürfnisse seines Anzuges, meiner ältesten Tochter, seiner Lieblingin, aber ein Tütchen Zuckerwerk mit wie einem Kinde, unerachtet sie nun schon achtzehn Jahre alt worden. Er denkt dann weder an seinen Aufenthalt in der Stadt noch an die Heimreise. Seine Zeche berichtigt er jeden Abend, und das Geld für das Frühstück wirft er mir jeden Morgen zornig hin, wenn er wegreitet, um nicht wiederzukommen. Sonst ist er der gutmütigste Mensch von der Welt, er beschenkt meine Kinder bei jeder Gelegenheit, er tut den Armen im Dorfe wohl, nur den Prediger kann er nicht leiden, weil er, wie Herr Ewson es von dem Schulmeister erfuhr, einmal ein Goldstück, das Ewson in die Armenbüchse geworfen, eingewechselt und lauter Kupferpfennige dafür gegeben hat. Seit der Zeit weicht er ihm überall aus und geht niemals in die Kirche, weshalb der Prediger ihn für einen Atheisten ausschreit. Wie gesagt, habe ich aber oft meine liebe Not mit ihm, weil er jähzornig ist und ganz tolle Einfälle hat. Erst gestern hörte ich, als ich nach Hause kam, schon von weitem ein heftiges Geschrei und unterschied Ewsons Stimme. Als ich ins Haus trat, fand ich ihn im stärksten Zank mit der Hausmagd begriffen. Er hatte, wie es im Zorn immer geschieht, bereits seine Perücke weggeschleudert und stand im kahlen Kopf, ohne Rock, in Hemdärmeln dicht vor der Magd, der er ein großes Buch unter die Nase hielt und, stark schreiend und fluchend, mit dem Finger hineinwies. Die Magd hatte die Hände in die Seiten gestemmt und schrie, er möge andere zu seinen Streichen brauchen, er sei ein schlechter Mensch, der an nichts glaube usw. Mit Mühe gelang es mir, die Streitenden auseinanderzubringen und der Sache auf den Grund zu kommen. – Herr Ewson hatte verlangt, die Magd solle ihm Oblate verschaffen zum Briefsiegeln; die Magd verstand ihn anfangs gar nicht, zuletzt fiel ihr ein, daß das Oblate sei, was bei dem Abendmahl gebraucht werde, und meinte, Herr Ewson wolle mit der Hostie verruchtes Gespötte treiben, weil der Herr Pfarrer ohnedies gesagt, daß er ein Gottesleugner sei. Sie widersetzte sich daher, und Herr Ewson, der da glaubte, nur nicht richtig ausgesprochen zu haben und nicht verstanden zu sein, holte sofort sein englisch-deutsches Wörterbuch und demonstrierte daraus der Bauernmagd, die kein Wort lesen konnte, was er haben wolle, wobei er zuletzt nichts als Englisch sprach, welches die Magd für das sinnverwirrende Gewäsche des Teufels hielt. Nur mein Dazwischentreten verhinderte die Prügelei, in der Herr Ewson vielleicht den Kürzeren gezogen.<
Ich unterbrach den Wirt in der Erzählung von dem drolligen Manne, indem ich frug, ob das vielleicht auch Herr Ewson gewesen, der mich in der Nacht durch sein gräßliches Flötenblasen so gestört und geärgert habe. >Ach, mein Herr!< fuhr der Wirt fort, >das ist nun auch eine von Herr Ewsons Eigenheiten, womit er mir beinahe die Gäste verscheucht. Vor drei Jahren kam mein Sohn aus der Stadt hieher; der Junge bläst eine herrliche Flöte und übte hier fleißig sein Instrument. Da fiel es Herrn Ewson ein, daß er ehemals auch Flöte geblasen, und ließ nicht nach, bis ihm Fritz seine Flöte und ein Konzert, das er mitgebracht hatte, für schweres Geld verkaufte.
Nun fing Herr Ewson, der gar keinen Sinn für Musik, gar keinen Takt hat, mit dem größten Eifer an, das Konzert zu blasen. Er kam aber nur bis zum zweiten Solo des ersten Allegros, da stieß ihm eine Passage auf, die er nicht herausbringen konnte, und diese einzige Passage bläst er nun seit den drei Jahren fast jeden Tag hundertmal hintereinander, bis er im höchsten Zorn erst die Flöte und dann die Perücke an die Wand schleudert. Da dies nun wenige Flöten lange aushaken, so braucht er gar oft neue und hat jetzt gewöhnlich drei bis vier im Gange. Ist nur ein Schraubchen zerbrochen oder eine Klappe schadhaft, so wirft er sie mit einem >Gott verdamm mich, nur in England macht man Instrumente, die was taugen!< – durchs Fenster. Ganz erschrecklich ist es, daß ihn diese Passion der Flötenbläserei oft nachts überfällt und er dann meine Gäste aus dem tiefsten Schlafe dudelt. Sollten Sie aber glauben, daß hier im Amtshause sich beinahe ebenso lange, als Herr Ewson bei mir ist, ein englischer Doktor aufhält, der Green heißt und mit Herrn Ewson darin sympathisiert, daß er ebenso originell, ebenso voll sonderbaren Humors ist? – Sie zanken sich unaufhörlich und können doch nicht ohne einander leben. Es fällt mir eben ein, daß Herr Ewson auf heute abend einen Punsch bei mir bestellt hat, zu dem er den Amtmann und den Doktor Green eingeladen. Wollen Sie es sich, mein Herr, gefallen lassen, noch bis morgen früh hier zu verweilen, so können Sie heute abend bei mir das possierlichste Kleeblatt sehen, das sich nur zusammenfinden kann.<
Sie stellen sich es vor, gnädigster Herr, daß ich mir den Aufschub der Reise gern gefallen ließ, weil ich hoffte, den Herrn Ewson in seiner Glorie zu sehen. Er trat, sowie es Abend worden, ins Zimmer und war artig genug, mich zu dem Punsch einzuladen, indem er hinzusetzte, wie es ihm nur leid täte, mich mit dem nichtswürdigen Getränk, das man hier Punsch nenne, bewirten zu müssen; nur in England trinke man Punsch, und da er nächstens dahin zurückkehren werde, hoffe er, käme ich jemals nach England, mir es beweisen zu können, daß er es verstehe, das köstliche Getränk zu bereiten. – Ich wußte, was ich davon zu denken hatte. – Bald darauf traten auch die eingeladenen Gäste ein. Der Amtmann war ein kleines, kugelrundes, höchst freundliches Männlein mit vergnügt blickenden Augen und einem roten Naschen; der Doktor Green ein robuster Mann von mittlern Jahren mit einem auffallenden Nationalgesicht, modern, aber nachlässig gekleidet, Brill’ auf der Nase, Hut auf dem Kopfe. – >Gebt mir Sekt, daß meine Augen rot werden!” rief er pathetisch, indem er auf den Wirt zuschritt