Bei dieser so bewunderungswürdigen, verschiedenartigen Ordnung der Welt sehen wir durch unser System, daß wir von allen Werken Gottes keine rationelle Einsicht erlangen, sondern nur staunen können, weil Gott groß und seiner Größe keine Grenze ist. Als die absolute Größe ist er von allen seinen Werken wie Urheber und Verständnis, so auch das Ziel. In ihm ist alles, außer ihm nichts, er ist Anfang, Mitte und Ende von allem, Zentrum und Umkreis des Universums, und in allem wird nur er gesucht, weil ohne ihn alles nichts ist, mit ihm haben wir alles, in ihm wissen wir alles; denn er ist die Wahrheit von allem und will, daß der wunderbare Weltbau uns zur Bewunderung hinreiße. Er verbirgt jedoch denselben vor uns um so mehr, je mehr wir ihn bewundern, weil er es ist, den wir mit ganzem Herzen und allem Eifer suchen sollen. Und da er das unzugängliche Licht bewohnt, das in allem gesucht wird, so kann er allein den Anklopfenden die Tür öffnen und den Bittenden geben. Kein Wesen von allen erschaffenen hat die Macht, sich den Anklopfenden aufzutun und zu zeigen, was es sei, da alle ohne ihn, der in allen ist, nichts sind. Wer aber nach Anleitung des Systems des Nichtwissens sie fragt, was und wie und wozu sie seien, dem antworten sie: Aus uns sind wir nichts, und aus uns können wir auch dir nichts anderes als nichts antworten, da wir von uns selbst keine Erkenntnis haben, sondern allein der, durch dessen Denken wir das sind, was er in uns will, befiehlt und weiß. Wir alle sind stumm, er, der uns erschaffen hat, redet in uns allen, er allein weiß, was, wie und wozu wir sind. Willst du etwas über uns erkennen, so frage unsern Grund, unsere Ursache, nicht uns; dort findest du alles, wenn du diesen Einen suchst, ja auch dich selbst kannst du nur in ihm finden. Strebe daher, sagt unsere gelehrte Unwissenheit, daß du dich in ihm findest, und da alles in ihm er selbst ist, so kann dir nichts fehlen. Unsere Sache ist es nicht, uns dem Unzugänglichen zu nahen, sondern dessen, der uns ein ihm zugewandtes Antlitz gegeben hat, damit wir ihn mit allem Eifer suchen. Tun wir dies, so wird er in seiner großen Güte uns nicht verlassen, er zeigt sich selbst uns, und wenn seine Herrlichkeit erscheint, wird er ewig uns sättigen. Er sei gepriesen in Ewigkeit! Amen.
Drittes Buch
Nach diesen kurzen Erörterungen über das Universum und seine beschränkte (contractione) Existenz, will ich nun, um über das absolut und beschränkt Größte zugleich, Jesus Christus, der ewig gepriesen sei, eine Untersuchung in wissenschaftlichem Nichtwissen anzustellen, zur Vermehrung des Glaubens und unserer Vollkommenheit, dir, dem Manne von bewundernswerter Tätigkeit, einen kurzen Lehrbegriff von Jesus überreichen, wobei ich ihn anrufe, er möge mir der Weg zu ihm, der die Wahrheit ist, sein, durch die wir jetzt im Glauben und dereinst durch seligen Genuß (per adeptionem) zum Leben gelangen, in ihm und durch ihn, der das ewige Leben ist.
ERSTES KAPITEL
Das in dieser oder jener konkreten Form erscheinende Größte, über welches es kein Größeres gibt, kann ohne das absolut Größte nicht bestehen.
Im ersten Buche ist die Rede von dem einen absolut Größten, das nicht mitgeteilt, in das endliche Sein vermengt (immersibile) und nicht auf dieses oder jenes eingeschränkt werden kann, sondern in sich ewig gleich und unbeweglich als die absolute Identität existiert. Im zweiten Buche wurde das konkrete Universum gezeigt, und wie dieses und jenes nur konkret existiert. Es ist also die Einheit des Größten in sich absolut, die Einheit des Universums in Vielheit beschränkt. Die Vielheit nun, in welcher das Universum in Wirklichkeit seinen Ausdruck findet, kann unmöglich mit der höchsten Gleichheit bestehen, denn sonst wäre es keine Vielheit. Somit besteht alles notwendig in differenter Weise, nach Gattung, Art und Zahl, so daß jegliches in besonderer Zahl, Maß und Gewicht besteht. Es sind daher im Universum Gradunterschiede, und kein Wesen koinzidiert mit dem andern. Kein konkretes Sein kann daher den Grad der Konkretheit eines andern Seins präzis decken. Zwischen dem Größten und Kleinsten ist sonach alles konkret und es gibt immer größere oder kleinere Grade des Konkreten, ohne daß jedoch dies ins Unendliche fortgeht, da eine Unendlichkeit von Graden unmöglich ist; denn unendlich viele Grade wären soviel als kein Grad, wie ich in der Lehre von der Zahl im ersten Buche gezeigt habe. Es gibt somit im Konkreten kein Auf- oder Absteigen zu dem absolut Größten oder Kleinsten. Wie daher die göttliche Natur, die absolut größte, keine Verminderung zuläßt, so daß sie in die endliche und konkrete übergeht, so kann auch die konkrete, endliche ihrer Konkretheit so entkleidet werden, daß sie zur ganz absoluten wird. Sonach erreicht kein konkretes Sein, da es mehr oder weniger konkret sein kann, das Höchste (terminus) im Universum, in der Gattung oder Art, denn die erste generelle konkrete Ausgestaltung des Universums ist die Vielheit der Gattungen, die notwendig graduell verschieden ist. Die Gattungen aber bestehen konkret nur in den Arten, die Arten nur in den Individuen, die allein in Wirklichkeit existieren. Wie es daher nach der Natur des Konkreten kein Individuum gibt, das nicht hinter dem Höchsten seiner Spezies zurückbleibt, so kann auch kein Individuum das Höchste in der Gattung oder im Universum erreichen. Denn unter mehreren Individuen derselben Art muß notwendig eine Verschiedenheit der graduellen Vollkommenheit stattfinden. Kein Wesen ist daher in seiner Art ganz vollkommen, so daß es kein vollkommeneres gibt, sowie keines so unvollkommen ist, daß es kein unvollkommeneres gibt: Das höchste seiner Art erreicht keines. Es gibt somit nur ein Höchstes (unus terminus) aller Arten, Gattungen und des ganzen Universums, es ist das Zentrum, die Peripherie und die Verbindung von allem; das Universum erschöpft nicht die unendliche absolut größte Macht Gottes, so daß es als das schlechthin Größte die Grenze der göttlichen Allmacht bildete. Es erreicht somit das Universum nicht das Höchste des absolut Größten, wie die Gattungen nicht das Höchste