Das Nibelungenlied. Anonym. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anonym
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066118846
Скачать книгу
die Jungfrau: "Nun hört, was ich sage, 370

       Wir haben selber Seide: befehlt, daß man uns trage

       Gestein auf den Schilden, so schaffen wir das Kleid,

       Das ihr mit Ehren traget vor der herrlichen Maid."

      "Wer sind die Gesellen," sprach die Königin, 371

       "Die mit euch gekleidet zu Hofe sollen ziehn?"

       "Das bin ich selbvierter; noch Zwei aus meinem Lehn,

       Dankwart und Hagen, sollen mit uns zu Hofe gehn.

      "Nun merkt, liebe Schwester, wohl, was wir euch sagen: 372

       Sorgt, daß wir vier Gesellen zu vier Tagen tragen

       Je der Kleider dreierlei und also gut Gewand,

       Daß wir ohne Schande räumen Brunhildens Land."

      Das gelobte sie den Recken; die Herren schieden hin. 373

       Da berief der Jungfraun Kriemhild die Königin

       Aus ihrer Kemenate dreißig Mägdelein,

       Die gar sinnreich mochten zu solcher Kunstübung sein.

      In arabische Seide, so weiß als der Schnee, 374

       Und gute Zazamanker, so grün als der Klee,

       Legten sie Gesteine: das gab ein gut Gewand;

       Kriemhild die schöne schnitts mit eigener Hand.

      Von seltner Fische Häuten Bezüge wohlgethan, 375

       Zu schauen fremd den Leuten, so viel man nur gewann,

       Bedeckten sie mit Seide: darein ward Gold getragen:

       Man mochte große Wunder von den lichten Kleidern sagen.

      Aus dem Land Marocco und auch von Libya 376

       Der allerbesten Seide, die man jemals sah

       Königskinder tragen, der hatten sie genug.

       Wohl ließ sie Kriemhild schauen, wie sie Liebe für sie trug.

      Da sie so theure Kleider begehrt zu ihrer Fahrt, 377

       Hermelinfelle wurden nicht gespart,

       Darauf von Kohlenschwärze mancher Flecken lag:

       Das trügen schnelle Helden noch gern bei einem Hofgelag.

      Aus arabischem Golde glänzte mancher Stein; 378

       Der Frauen Unmuße war nicht zu klein.

       Sie schufen die Gewände in sieben Wochen Zeit;

       Da war auch ihr Gewaffen den guten Degen bereit.

      Als sie gerüstet standen, sah man auf dem Rhein 379

       Fleißiglich gezimmert ein starkes Schiffelein,

       Das sie da tragen sollte hernieder an die See.

       Den edeln Jungfrauen war von Arbeiten weh.

      Da sagte man den Recken, es sei für sie zur Hand, 380

       Das sie tragen sollten, das zierliche Gewand.

       Was sie erbeten hatten, das war nun geschehn;

       Da wollten sie nicht länger mehr am Rheine bestehn.

      Zu den Heergesellen ein Bote ward gesandt, 381

       Ob sie schauen wollten ihr neues Gewand,

       Ob es den Helden wäre zu kurz oder lang.

       Es war von rechtem Maße; des sagten sie den Frauen Dank.

      Vor wen sie immer kamen, die musten all gestehn, 382

       Sie hätten nie auf Erden schöner Gewand gesehn.

       Drum mochten sie es gerne da zu Hofe tragen;

       Von beßerm Ritterstaate wuste Niemand mehr zu sagen.

      Den edeln Maiden wurde höchlich Dank gesagt. 383

       Da baten um Urlaub die Recken unverzagt;

       In ritterlichen Züchten thaten die Herren das.

       Da wurden lichte Augen getrübt von Weinen und naß.

      Sie sprach: "Viel lieber Bruder, ihr bliebet beßer hier 384

       Und würbt andre Frauen: klüger schien' es mir,

       Wo ihr nicht wagen müstet Leben und Leib.

       Ihr fändet in der Nähe wohl ein so hochgeboren Weib."

      Sie ahnten wohl im Herzen ihr künftig Ungemach. 385

       Sie musten alle weinen, was da auch Einer sprach.

       Das Gold vor ihren Brüsten ward von Thränen fahl;

       Die fielen ihnen dichte von den Augen zuthal.

      Da sprach sie: "Herr Siegfried, laßt euch befohlen sein 386

       Auf Treu und auf Gnade den lieben Bruder mein,

       Daß ihn nichts gefährde in Brunhildens Land."

       Das versprach der Kühne Frau Kriemhilden in die Hand.

      Da sprach der edle Degen: "So lang mein Leben währt, 387

       So bleibt von allen Sorgen, Herrin, unbeschwert;

       Ich bring ihn euch geborgen wieder an den Rhein.

       Das glaubt bei Leib und Leben." Da dankt' ihm schön das Mägdelein.

      Die goldrothen Schilde trug man an den Strand 388

       Und schaffte zu dem Schiffe all ihr Rüstgewand;

       Ihre Rosse ließ man bringen: sie wollten nun hindann.

       Wie da von schönen Frauen so großes Weinen begann!

      Da stellte sich ins Fenster manch minnigliches Kind. 389

       Das Schiff mit seinem Segel ergriff ein hoher Wind.

       Die stolzen Heergesellen saßen auf dem Rhein;

       Da sprach der König Gunther: "Wer soll nun Schiffmeister sein?"

      "Das will ich," sprach Siegfried: "ich kann euch auf der Flut 390

       Wohl von hinnen führen, das wißt, Helden gut;

       Die rechten Wasserstraßen sind mir wohl bekannt."

       So schieden sie mit Freuden aus der Burgunden Land.

      Eine Ruderstange Siegfried ergriff; 391

       Vom Gestade schob er kräftig das Schiff.

       Gunther der kühne ein Ruder selber nahm.

       Da huben sich vom Lande die schnellen Ritter lobesam.

      Sie führten reichlich Speise, dazu guten Wein, 392

       Den besten, den sie finden mochten um den Rhein.

       Ihre Rosse standen still in guter Ruh;

       Das Schiff gieng so eben, kein Ungemach stieß ihnen zu.

      Ihre starken Segelseile streckte die Luft mit Macht; 393

       Sie fuhren zwanzig Meilen, eh niedersank die Nacht,

       Mit günstigem Winde nieder nach der See;

       Ihr starkes Arbeiten that noch schönen Frauen weh.

      An dem zwölften Morgen, wie wir hören sagen, 394

       Da hatten sie die Winde weit hinweggetragen

       Nach Isenstein der Veste in Brunhildens Land,

       Das ihrer Keinem außer Siegfried bekannt.

      Als der König Gunther so viel der Burgen sah 395

       Und auch der weiten Marken, wie bald sprach er da:

       "Nun sagt mir, Freund Siegfried, ist euch das bekannt?

       Wem sind diese Burgen und wem das herrliche Land?

      "Ich hab all mein Leben, das muß ich wohl gestehn, 396

       So wohlgebauter Burgen nie so viel gesehn