Björnstjerne Björnson. (1882.)
Vorwort.
Es ist bekannt, wie zu Anfang dieses Jahrhunderts mehrere hervorragende Dänen das Bürgerrecht in der deutschen Litteratur zu erwerben gesucht haben. Seitdem ist der Versuch von keinem dänischen Schriftsteller mehr wiederholt worden. Ganz zu geschweigen von der politischen Spannung zwischen Deutschland und Dänemark, sind jene Beispiele theils nicht verlockend, theils nicht massgebend gewesen. Der grosse Neugestalter der dänischen Sprache, Oehlenschläger, legte dem deutschen Publikum seine Arbeiten in einem Deutsch vor, das so völlig allen Reizes entbehrte, dass er es hier zu Lande nur zu dem Ansehen eines Dichters dritten Ranges brachte. Die Erfolge aber, welche geringere Geister, die Baggesen und Steffens errangen, waren bei dem Einen durch eine wahre Chamäleonsnatur und ein in seiner Art einziges Sprachtalent, bei dem Zweiten durch die vollständige Lostrennung von der Muttersprache bedingt.
Der Verfasser dieses Buches, der durchaus kein Chamäleon ist und seine Muttersprache keineswegs aufgegeben hat, vielmehr mitten in der litterarischen Bewegung steht, welche die nordischen Länder seit einiger Zeit erfasst hat, weiss recht wohl, dass der Mensch nur da wo er geboren, wo er durch und für die Verhältnisse gebildet ist, erheblichen Einfluss ausüben kann. Er hat auch nicht den Ehrgeiz, ein deutscher Schriftsteller im eigentlichen Sinne sein zu wollen. In dem vorliegenden Buch, wie in anderen Schriften, ist seine Absicht einfach die gewesen, in deutscher Sprache für Europa zu schreiben, d. h. seine Stoffe anders zu behandeln als er es für ein bloss skandinavisches Publikum thun würde. Er verdankt der Poesie, der Philosophie und der systematischen Aesthetik Deutschlands unendlich viel, da er sich aber speciell als Kritiker nicht als Schüler der deutschen Litteraturhistorie fühlt, so gibt er sich der Hoffnung hin, einen wenn auch kleinen Theil seiner Schuld an Deutschland abtragen zu können.
Die Aufsätze, aus welchen dieser Band besteht und von denen auch die bereits früher in Zeitschriften veröffentlichten eine Umarbeitung erfahren haben, sind nicht als „Spähne aus der Werkstatt“ eines Kritikers zu betrachten, es sind sorgfältig behandelte litterarische Portraits, welche durch ein geistiges Band verbunden sind. Allerdings lässt sich eine lebendige Gegenwart noch nicht übersehen wie eine fertige, vergangene Epoche, aber vielleicht liefert man auch von der Gegenwart ein Bild im Ganzen und trifft ihre Gesammtphysiognomie, wenn man einige ihrer typischen Gestalten so treu und lebhaft wie möglich charakterisirt.
Die Behandlungsweise ist in diesen Essays sehr verschiedenartig. In einigen wird die Individualität des Schriftstellers möglichst erschöpfend dargestellt, in anderen wird nur versucht, den Menschen, wie er leibt und lebt, dem Leser vor Augen zu führen; einige sind rein psychologisch, andere bieten ein Stück Aesthetik, wieder andere sind vorzugsweise biographisch und geschichtlich. In allen enthält die Charakteristik der einzelnen Gestalt allgemeine Ideen.
Auch die geschilderten Persönlichkeiten sind sehr verschiedener Art. Sie gehören nicht weniger als sechs Nationalitäten an. Allen gemeinsam ist jedoch ein Etwas, das sich leichter empfinden als definiren lässt: es sind moderne Geister. Ich will damit nicht sagen, dass sie alle ohne Ausnahme mit vollem Bewusstsein und von ganzem Herzen dem „Modernen“ in Kunst und Ideen gehuldigt haben, sondern nur, dass sie, wenn auch in sehr ungleichem Grade — was für den Beobachter den Reiz erhöht — die moderne Geistesart vertreten.
Berlin, im October 1881.
Die in der Vorrede zur ersten Auflage dieses Buches ausgesprochene Hoffnung, man möge dem Verfasser, obwohl einem Fremden, in der deutschen Litteratur einen kleinen Platz einräumen, hat sich seitdem insofern erfüllt als er in den deutsch lesenden Ländern ein Publikum gefunden hat. Nur mischt sich für ihn viel Bitterkeit in diese Freude. Der Umstand, dass die dänische Regierung sich fortwährend weigerte, der Berner Convention beizutreten, hatte für ihn die Folge, dass die meisten Bücher, die mit seinem Namen versehen in der deutschen Sprache existiren, nur in grober Verunstaltung durch gewissenlos besorgte Privatausgaben vorliegen, die seine eigenen Ausgaben aus dem Markte vertrieben haben. Es ist für den Schriftsteller gewiss nicht angenehm, des äusseren Lohns für seine Arbeit beraubt zu werden; viel schlimmer ist es jedoch, diese Arbeit selbst von Pfuscherarbeiten, die seinen Namen tragen, verdrängt zu sehen.
Schon seit einigen Jahren