DIE REGELN DER RACHE (Black Shuck 2). Ian Graham. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ian Graham
Издательство: Bookwire
Серия: Black Shuck
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352964
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und visierte genau Shanes Brust an. »Ich knall dir ein Loch mitten in den Leib, das so groß ist, dass wir bequem durchfahren könnten.«

      Der andere, der sich als Aidan ausgegeben hatte, kam jetzt unter dem Dach hervor und tastete Shane sorgfältig ab. »Tut mir leid, Kumpel.«

      »Wo ist Rory? Was wollen Sie von mir?«

      »Rory ist tot. Und du spielst jetzt die Hauptrolle in einem kleinen Filmchen.«

      Kapitel 3

      Gegenwart, Samstag

       16:46 Uhr Ortszeit, Hafen Rosslare im Südosten Irlands

      Declan McIver drehte sich auf der Rückbank des Mercedes Vito Minivan um, als sie an einem Schild vorbeifuhren, das Reisende darauf hinwies, dass sie jetzt in den Europort fuhren, einen Sektor des Rosslare Harbour für den Personen- und Frachtverkehr. Während er einen Arm über den Rücken seiner Frau ausstreckte, vollzog er mit, wie sich das Umgebungsbild langsam wandelte. Die Geschäfte und Hotels der Hafengegend wichen nun Betonabsperrungen, Metallzäunen und grauen Schiffen voller Gütercontainer.

      »Hattest du einen angenehmen Nachmittag?«

      Constance McIver lächelte verhalten, aber ohne zu antworten. Als sie so neben ihrem Mann saß – im sechsten Monat schwanger – schien ihr unwohl zu sein, während der Wagen über Bodenwellen holperte, bis sich ihr Fahrer in einen Kreisverkehr einordnete und der Beschilderung zum Terminal folgte.

      »Wir sind gleich da, Sir«, sagte Alan Hogan, der Mann hinter dem Lenkrad mit einem Blick in den Rückspiegel. Declan lächelte ebenfalls und schaute wieder geradeaus. Hundert Yards vor ihnen führte der St.-Georgs-Kanal durch die Irische See, und das Gegenufer gehörte der britischen Hauptinsel. In der Ferne konnte er Fähren erkennen, die Kurs zu ihren jeweiligen Zielhäfen in Irland, England und Frankreich nahmen. Die McIvers würden eines der einlaufenden Schiffe besteigen.

      »Setzen Sie uns einfach irgendwo im hinteren Teil ab. Dort drüben nahe des Ufers, das reicht vollkommen.« Declan zeigte zu einer Ecke. »Fahren Sie rückwärts hinein, stellen Sie den Motor aber nicht ab.«

      »Verstanden, Sir.«

      Er schaute sich kurz um, während Hogan den Van abseits der anderen Autos parkte, die dichter am Hafendamm standen. Wenngleich sich Declan vorgenommen hatte, den Tag seiner Frau zuliebe relaxt mit Einkaufen und Besichtigungen zuzubringen, wollte er dennoch keinerlei Risiken eingehen. Momentan bestand nämlich eine hohe Wahrscheinlichkeit, entdeckt und verfolgt zu werden.

      Im Laufe der Monate, seit er in den Brennpunkt einer Regierungsverschwörung geraten war und einen geplanten Terroranschlag auf amerikanischem Boden vereitelt hatte, waren ihrer beider Leben erheblichen Umwälzungen unterworfen worden. Sie konnten nicht mehr jene unbeschwerten und umtriebigen Amerikaner bleiben, die sie bisher zu sein gewohnt gewesen waren. Jetzt, während die Obrigkeiten auf beiden Seiten des Atlantiks und die Nachrichtenmedien weltweit herauszufinden versuchten, was sich genau zugetragen hatte, dominierte zwangsläufig das Versteckspiel ihr Dasein.

      Erschwerend kam noch die Offenbarung von Declans früherer Mitgliedschaft in einer hervorragend ausgebildeten IRA-Terrorzelle mit dem Codenamen Black Shuck hinzu. Die international verstreuten Verbindungspersonen, auf welche die Planung dieses Anschlags und die Gründung der Einheit zurückgeführt worden waren, hatte genügt, um journalistische Spürhunde und Fernsehexperten zu vielfältigen Spekulationen anzuregen. Im Laufe der letzten paar Monate war der Rummel zwar wieder merklich abgeflaut, doch alles konnte sofort von Neuem beginnen, wenn ein findiger Reporter oder ein Sensationsgieriger mit Smartphone Declans Verbleib publik machte, sodass sein Konterfei plötzlich im Internet kursierte.

      Endlich schaute Constance hoch. »Wieso sind wir hier?«, fragte sie verwirrt.

      »Ist 'ne Überraschung, Liebling.«

      Sie runzelte die Stirn, denn dieser Begriff verhieß schon seit einiger Zeit nichts Gutes mehr.

      »Es ist eine angenehme Überraschung«, fügte Declan schüchtern lächelnd hinzu. Dies stimmte auch; das hoffte er zumindest. Constance und auch ihre Ehe waren nicht unberührt davon geblieben, dass sie nicht mehr in ihr Eigenheim an der US-Ostküste zurückkehren konnten, und gezwungen waren, Verwandten und Freunden fernzubleiben und stattdessen nur per Telefon oder E-Mail mit ihnen kommunizieren konnten. Wohingegen er froh darum war, dass sie überhaupt noch lebten und zusammen sein konnten, hatte Constance großes Heimweh und wünschte sich den normalen Alltag wieder. Mit jedem weiteren Monat, der ins Land zog, schienen ihre Chancen auf eine dauerhafte Rückkehr zwar geringfügig zu steigen, aber Declan sorgte sich nicht nur um Bürokraten und Medienmacher. Er könnte eine Liste über mutmaßliche Gegner aus seiner Zeit in der IRA führen, die sich lesen würde wie ein Who is Who von Halsabschneidern aus aller Herren Länder. Sich an einem im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehenden Ort niederzulassen – und dies war ihre alte Adresse in den Staaten – könnte deshalb durchaus noch gefährlicheren Ärger nach sich ziehen. Also hatte Declan kurzerhand eingefädelt, dass ein Stück Heimat nun zu ihnen kam.

      Das Funkgerät im Van piepte mehrmals, bevor eine Stimme vom Band ihnen mitteilte, dass ein Anruf einging. Alan Hogan drückte eine Taste am Armaturenbrett, um ihn entgegenzunehmen. »Hallo?«

      »Ich bin's. Bin gerade gelandet«, sagte eine Frau mit heiterem Tonfall.

      »Bestens, meine Teure. Halt dich einfach geradeaus, wenn du das Terminal verlässt, und geh bis zur hintersten Parkreihe. Wir warten dort in einem Van auf dich.«

      »Wunderbar, ich bin gleich da. Krieg schon ganz feuchte Hände.«

      Hogan trennte die Verbindung im selben Moment, als Declan seine Tür aufstieß. Nachdem er ausgestiegen war, schaute er sich in der Umgebung um und streckte seiner Frau dann eine Hand entgegen. Sie ließ sich von ihm langsam aus dem Wagen helfen.

      Zwischen zwei anderen, die auf dem Platz parkten, kam jetzt eine korpulente Frau hervor, gezogen von einem kräftigen Hund, der seine Schnauze dicht am Boden hielt und den Schwanz senkrecht nach oben streckte.

      »Shelby!« Constances offenkundiges Unbehagen verflog, als sie den Beagle sah … ihr Haustier. Sie grinste voller Begeisterung. Auch Declan strahlte, als sich die Hündin näherte, wobei sie ihre Freude zeigte, indem sie mit den Vorderpfoten in die Höhe sprang und mit dem Schwanz wedelte. Ihre Lefzen waren zurückgezogen, weshalb man durchaus von einem schlabbrigen Lächeln sprechen konnte.

      Constance bückte sich vorsichtig und streichelte die Hündin, ehe sie zu ihrem Mann zurückschaute. »Wie hast du das denn bloß hinbekommen?«

      »Sachte, Schatz.« Er hatte seinen Kopf nach vorne gebeugt, als würde er seine Frau ansehen, behielt aber in Wirklichkeit genau im Auge, was rings um sie herum vor sich ging. Bislang deutete nichts darauf hin, dass jemand Nicola Hogan – ihrer Haushälterin, die Shelby in den USA abgeholt hatte – gefolgt war. Obwohl auch noch andere Passagiere mit ihr aus der Ankunftshalle gekommen waren, hatten sie sich allesamt schnurstracks zu ihren Fahrzeugen begeben und den Hafen zügig verlassen.

      »Wie geht's dir, meine Teuerste?«, fragte Alan, als er ausstieg, und seiner Ehefrau einen Kuss auf die Wange gab.

      »Großartig.« Nicola beugte sich ihm entgegen. »Shelby ist wirklich eine Wucht.«

      »Keine Schwierigkeiten mit den Behörden gehabt?«, wollte Declan wissen.

      »Überhaupt nicht, Sir. Sie haben die Papiere nur überflogen, und dann durften wir auch schon sofort an Bord gehen.«

      »Feine Sache.« Um Shelby aus den Staaten nach Großbritannien zu holen, hatte es mehrerer mittelgroßer Wunder bedurft. Sie war für gesundheitliche Untersuchungen kurz in Quarantäne gehalten worden, hatte aber schließlich die Erlaubnis erhalten, ungehindert auf Reisen zu gehen. Da im Königreich viel strengere Gesetze bezüglich der Einfuhr von Tieren aus dem Ausland galten als in Irland, war es ein Leichtes gewesen, das Weibchen dorthin zu bringen, und Declan hatte dafür gesorgt, dass sich das Ganze möglichst schwer zurückverfolgen ließ. »Machen wir uns auf die Socken. Auf Shelby wartet immerhin