Gesammelte Werke: Kriminalromane + Detektivgeschichten + Historische Romane. Arthur Conan Doyle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788026850861
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liegt immer in einer Liebesheirat. Aber es gab nichts Geheimnisvolles und Ungewöhnliches.«

      »Er hatte keine Nebenbuhler?«

      »Nein, ich war vollkommen frei.«

      »Sie haben ohne Zweifel gehört, daß man ihm den Ehering abgenommen hat. Gibt Ihnen dies irgendwie zu denken? Angenommen, daß ein alter Feind ihn aufgespürt und getötet hat, welchen Grund konnte der haben, ihm den Trauring wegzunehmen?«

      Ich hätte schwören können, daß bei dieser Frage die kaum merkliche Spur eines Lächelns um ihre Lippen spielte.

      »Das kann ich nicht sagen«, antwortete sie. »Sicherlich ist es eine höchst merkwürdige Sache.«

      »Nun also, wir wollen Sie nicht länger bemühen. Es tut uns außerordentlich leid, daß wir Sie in Ihrer gegenwärtigen Lage belästigen mußten«, sagte der Inspektor. »Es mögen vielleicht noch verschiedene Fragen auftauchen, auf die wir zu geeigneter Zeit zurückkommen werden.«

      Als sie sich erhob, glaubte ich aufs neue jenen blitzartig fragenden Blick zu sehen, den sie uns bei ihrem Eintritt ins Zimmer zugeworfen hatte, etwa wie: »Welchen Eindruck hat meine Aussage auf euch gemacht?« So deutlich war das, daß sie diese Frage ebenso gut hätte aussprechen können. Mit einer Neigung ihres Kopfes schwebte sie aus dem Zimmer.

      »Eine schöne Frau – eine auffallend schöne Frau«, – sagte McDonald nachdenklich, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Dieser Barker ist zweifellos sehr oft hier gewesen. Er ist ein Mensch, den viele Frauen sicherlich anziehend finden. Er gibt zu, daß der Tote auf ihn eifersüchtig war, und weiß wohl selbst am besten, warum. Dann diese Geschichte mit dem Ehering. Darüber kommen wir nicht hinweg. Der Mann, der einen Trauring von der Hand eines Toten reißt, – was sagen Sie dazu, Mr. Holmes?«

      Mein Freund hatte, den Kopf in die Hände gestützt, tief in Gedanken versunken, dagesessen. Nun erhob er sich und drückte auf die Klingel.

      »Ames,« sagte er, als der Diener erschien, »wo befindet sich jetzt Mr. Barker?«

      »Ich werde nachsehen, Herr.«

      In einigen Minuten war er wieder zurück und gab an, daß Mr. Barker im Garten sei.

      »Können Sie sich erinnern, Ames, was Mr. Barker an den Füßen trug, als Sie ihn gestern abend in der Bibliothek trafen?«

      »Jawohl, Mr. Holmes, ein Paar Pantoffeln. Ich brachte ihm seine Schuhe, bevor er zur Polizei ging.«

      »Wo sind diese Pantoffel jetzt?«

      »Unter einem Stuhl in der Halle.«

      »Sehr schön, Ames. Wir müssen natürlich wissen, welche Fußspuren von Mr. Barker herrühren und welche von dem Fremden.«

      »Jawohl, Herr. Ich möchte aber bemerken, daß alle Pantoffeln Blutspuren haben, auch die meinen.«

      »Das ist erklärlich in Anbetracht des Zustandes im Zimmer. Also gut, Ames, wir werden nach Ihnen klingeln, wenn wir Sie brauchen.«

      Einige Minuten später waren wir alle wieder in der Bibliothek. Holmes hatte die Pantoffeln aus der Halle mit hereingebracht. Wie Ames bemerkt hatte, war die Sohle an beiden blutgetränkt.

      »Sonderbar«, murmelte Holmes, als er sie, beim Fenster stehend, eingehend betrachtete. »Sehr sonderbar!«

      Indem er sich mit einer seiner charakteristischen, schnellen, fast katzenartigen Bewegungen bückte, legte er die Pantoffeln auf die Blutspur auf dem Fensterbrett. Die beiden deckten sich genau. Lächelnd blickte er seine Kollegen an.

      Der Inspektor war vor Aufregung wie umgewandelt.

      »Mensch,« rief er, »kein Zweifel, Barker hat die Blutspuren am Fenster selber gemacht. Sie sind viel breiter als die von den Schuhen. Sie sagten früher, daß es ein Plattfuß gewesen sein müsse, hier haben wir die Erklärung. Was steckt dahinter, Mr. Holmes, was steckt dahinter?«

      »Jawohl, was steckt dahinter?« antwortete mein Freund nachdenklich.

      White Mason gluckste fröhlich und rieb sich die fetten Hände in höchster beruflicher Befriedigung.

      »Ich habe es ja immer gesagt, es ist eine Sensation,« rief er, »eine wirkliche und wahrhaftige Sensation.«

       Inhaltsverzeichnis

      Die drei Detektive hatten noch verschiedene Einzelheiten zu erledigen, was mich veranlaßte, nach unserem bescheidenen Quartier im Dorfgasthaus zurückzukehren. Auf dem Wege dorthin schlenderte ich durch den altmodischen Garten, der das Herrenhaus umgab. Lange Reihen uralter Eibenbäume, zu wunderlichen Formen beschnitten, umgürteten ihn. Innerhalb des Gartens lag eine herrliche Rasenfläche, in deren Mitte sich eine alte Sonnenuhr befand. Der Gesamteindruck war der von Stille und Ruhe, ein Balsam für meine etwas aufgepeitschten Nerven. In dieser Umgebung des tiefsten Friedens konnte man die blutüberströmte Gestalt, die noch immer in der Bibliothek auf dem Boden ausgestreckt lag, vergessen oder an sie nur wie an ein grausiges Traumbild denken. Als ich indessen im Garten umherwandelte, um das Bild des Friedens in meine Seele aufzunehmen, ereignete sich etwas Sonderbares, das mir den traurigen Vorfall wieder lebhaft in Erinnerung brachte und einen äußerst peinlichen Eindruck in mir zurückließ.

      Ich habe bereits erwähnt, daß der Gartenrand mit Eibenbäumen geschmückt war. An der am weitesten vom Haus entfernt liegenden Stelle verdichteten sich diese Bäume zu einer lebenden Mauer, auf deren abgekehrter Seite, dem Auge des vom Hause Kommenden verborgen, eine steinerne Bank stand. Als ich mich der Stelle näherte, hörte ich Stimmen; eine Bemerkung in der tiefen Stimme eines Mannes, gefolgt von einem girrenden Frauenlachen. Einige Minuten später bog ich um die Hecke und gewahrte Mrs. Douglas und Barker, bevor sie meiner ansichtig wurden. Ich war von der Szene, die sich meinen Blicken darbot, auf das Peinlichste überrascht. Im Speisezimmer war sie still und zurückhaltend gewesen. Diesen Anschein des Kummers hatte sie nun abgelegt. In ihren Augen funkelte Lebenslust, und in ihrem Gesicht zeigten sich noch die Spuren des heiteren Lachens, das eine Bemerkung ihres Gefährten hervorgerufen hatte. Er saß da, den Körper vorgeneigt, die Hände über dem einen Knie verschlungen, mit einem ermunternden Lächeln in seinem markanten, hübschen Gesicht. In demselben Augenblick, – aber den Bruchteil einer Sekunde zu spät, – bemerkten sie mich und nahmen die früher zur Schau getragene Haltung wieder an. Sie tauschten einige hastige Worte aus, dann erhob sich Barker und kam auf mich zu.

      »Entschuldigen Sie, bitte,« sagte er, »habe ich das Vergnügen mit Dr. Watson zu sprechen?«

      Ich machte eine zustimmende Verbeugung, in deren kalter Förmlichkeit sich der peinliche Eindruck, den ich empfangen hatte, deutlich widergespiegelt haben mußte.

      »Wir dachten uns, daß Sie es wären, da uns Ihre Freundschaft mit Mr. Sherlock Holmes wohl bekannt ist. Würden Sie die Freundlichkeit haben, auf einige Minuten zu Mrs. Douglas herüberzukommen? Sie möchte mit Ihnen sprechen.«

      Ich folgte ihm mit saurer Miene. Vor mein geistiges Auge trat das Bild des entstellten Körpers auf dem Fußboden der Bibliothek; und dann das seiner Frau und seines besten Freundes in seinem Garten, nur wenige Stunden nach dem Todesfall, hinter Büschen lachend und schäkernd. Ich begrüßte die Dame mit einer leichten Verbeugung. Ihr Kummer, den ich im Speisezimmer wahrzunehmen glaubte, hatte mir tiefes Mitleid eingeflößt. Jetzt erwiderte ich ihre bittenden Blicke mit kalter Reserve.

      »Ich fürchte, Sie halten mich für gefühllos und hartherzig«, sagte sie.

      »Es steht mir nicht zu, darüber eine Meinung zu haben«, sagte ich achselzuckend.

      »Eines Tages werden Sie vielleicht sehen, daß Sie mir Unrecht tun. Wenn Sie erkennen werden, –«

      »Dazu ist für Dr. Watson keinerlei Veranlassung«, warf Barker schnell ein. »Wie er selbst sagte, geht ihn die ganze Sache nichts an.«

      »Sehr