Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ödön von Horváth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027226405
Скачать книгу

      Und wäre es ein Naturgesetz, so bekämpf ich eben die Natur! Ich stelle gegen die Anarchie der Zerstörung das Gesetz des Aufbaus, die Ordnung gegen das Chaos! Sie wollen zurück, ich vorwärts! Sie wollen die nationale Diktatur, das Zurücksinken in den Schlamm niedrigster Instinkte – Sie werden scheitern, und sollten Sie noch so fest überzeugt sein, recht zu haben. Ich stelle den einen Weltstaat gegen den verbrecherischen Wahnsinn der Raubstaaten! Ich kämpfe mit den Waffen der Idee, Sie können mich totschlagen, die Idee stirbt bekanntlich nie, aber Ihre Waffen sind bereits verrostet und werden bald zu Staub. Ihre Zeit der Raubritter ist in Blut und Dreck zusammengebrochen – ihr Tag ist versunken. Es ist noch tiefe Nacht. Wer die Nacht überlebt, der wird die Diktatur der Menschenrechte schauen.

       Stille.

      HAUPTMANN

      stiert ihn an: Sie haben sich selbst überführt. Ich ließ Sie quatschen. Wagen Sie noch zu leugnen, ein Agitator Moskaus zu sein?

      FRANZ

      Ich habe nichts mit Moskau zu tun.

      HAUPTMANN

      Sie wollen die Bedingung nicht erfüllen?

      FRANZ

      Ich kenne kein kommunistisches Waffenlager.

      HAUPTMANN

      Lügen Sie nicht, Feigling!

       Stille.

      FRANZ

      Ist es nicht feig, mich hier so abzuschlachten?

      HAUPTMANN

      Es geht um das Vaterland.

      FRANZ

      Sie betrachten sich als Vaterland?

      HAUPTMANN

      fast etwas unsicher: Ich kämpfe für das Vaterland. Für seine Größe, seine alte Macht. Das verstehen Sie nicht. Deutschland kann nur unter der nationalen Diktatur gesunden. Ihr Weltreich ist Mist – vielleicht ein schöner Traum. Ich habe mich mit diesen Sachen nicht so beschäftigt. Ich bin Soldat. Ich hab einen traumlosen Schlaf.

       Stille.

      Ich biete Ihnen eine letzte Gelegenheit: Wollen Sie auf meine Bedingungen eingehen?

      FRANZ

      Ich kann ja nicht. Ich bin kein Kommunist. Ich gehöre keiner Partei an. Ich bin allein.

      HAUPTMANN

      Das ist gelogen. Weshalb hätten Sie denn gesagt, Sie wollten alles für fünfzig Dollar verraten, wenn Sie niemanden zu beschützen hätten?

      FRANZ

      Ich habe gelogen, weil ich wußte, daß es damit aus ist. Wenn ich gesagt hätte, daß ich Pazifist bin und kein gemeiner Verräter, so hätte man mich länger gequält. Ich wollte möglichst rasch totgeprügelt werden. Es war reiner Egoismus.

      HAUPTMANN

      Pazifismus ist Egoismus.

      FRANZ

      lächelt: Richtig. Ich bin zu meinem persönlichsten Vergnügen hier, wie Sie ja wissen.

       Stille.

      HAUPTMANN

      Sie sind verrückt. Gemeingefährlich verrückt. Glauben Sie denn, Sie Narr, daß es jemals Frieden geben wird?

      FRANZ

      Nein. Das glaube ich nicht. Er wankt etwas.

      HAUPTMANN

      braust auf: Machen Sie keinen Narren aus mir, Sie!

      FRANZ

      Ich mache mir keinen Narren aus Ihnen. Ich glaube, wir verstehen uns. Sie haben ja von Ihrem Standpunkte aus vollständig recht – es kommt aber nur auf die Höhe des Standpunktes an, und wie tief oder hoch man über dem eigenen Standpunkte stehen will – oder kann – Er faßt sich an den Kopf. Ich bitte das Verhör zu unterbrechen – auf kurze Zeit. Ich habe einen zu schweren Kopf. Man hat mir nämlich auf den Kopf geschlagen, das kommt davon – Er lächelt und setzt sich.

      HAUPTMANN

      starrt ihn an; wendet sich plötzlich ab: Sladek!

      SLADEK

      Zu Befehl!

      HAUPTMANN

      Falls die anderen zurückkommen sollten, so melde ihnen, du hättest Befehl, daß niemand diesen Mann in irgendeiner Form verhören darf. Du hast das durchzuführen. Verstanden?

      SLADEK

      Zu Befehl!

      HAUPTMANN

      Hier verhöre nur ich. Ab.

       Pause.

      SLADEK

      plötzlich: Sie werden dich nicht mehr schlagen.

      FRANZ

      sieht ihn erstaunt an; spöttisch: Ich danke sehr.

      SLADEK

      Ich dank auch sehr, daß du mich nicht verraten hast.

       Die Zwei fixieren sich.

      Lächelt. Ja, daß du nämlich nicht gesagt hast, daß du mich kennst. Ich hätt dadurch Unangenehmes gehabt, ich war nämlich leicht in einen Verdacht gekommen, der ja gar nicht stimmt, weil wir uns doch nur kennen, aber immer das Gegenteil denken.

      FRANZ

      Wieso?

      SLADEK

      Das weißt du doch.

      FRANZ

      Nein.

      SLADEK

      Das gibt es doch nicht.

      FRANZ

      Wer bist du?

      SLADEK

      Ich?

      FRANZ

      Ja, du.

      SLADEK

      Du kennst mich nicht?

      FRANZ

      Nein.

       Stille.

      SLADEK

      Ich hab dich gleich erkannt. Ich bin der Sladek.

      FRANZ

      Sladek? Kenn ich nicht.

      SLADEK

      Du hast dich mal zur Diskussion gemeldet, man hätt dich fast erschlagen, aber das hätt mir leid getan, denn ich hab die Gerechtigkeit lieb, obwohl es sie nicht gibt. Wir haben debattiert, ich red nämlich nur gern mit intelligenten Menschen, die selbständig denken können, obwohl man das nicht soll. Ich bin nämlich ein sogenannter zurückgezogener Mensch. Ich erinner mich an jedes Wort.

      FRANZ

      Ja, das war jene Diskussion. Aber an dich kann ich mich nicht erinnern.

      SLADEK

      Das tut mir leid, daß du mich vergessen hast.

      FRANZ

      fast etwas spöttisch: Ich bitte um Verzeihung, aber ich kenne so viele Menschen –

      SLADEK

      unterbricht ihn: Bitte, bitte! Der einzelne zählt ja auch nichts, das ist natürlich, obwohl man da komische Erfahrungen machen kann.

       Stille.

      FRANZ