Karin Bucha Staffel 5 – Liebesroman. Karin Bucha. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karin Bucha
Издательство: Bookwire
Серия: Karin Bucha Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740930264
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bezog eine kleine Wohnung, die Wohnung, in der du geboren wurdest. Das kleine Kapital, das mir verblieben war, legte ich für dich, für deine Erziehung an. Ich arbeitete, bis meine Stunde kam. Du hast mich beinahe das Leben gekostet. Aber als man mir dich in den Arm legte, da waren alle Schmerzen vergessen. Es war die glücklichste Stunde meines Lebens.«

      Franziska von Welling ließ eine Pause eintreten und sah Bettina liebevoll in die weit aufgerissenen Augen.

      »Und weißt du auch, woher ich die Kraft zu alledem genommen habe? Aus dem unerschöpflichen Born der Mutterliebe. Und so wird es auch dir gehen, Liebling. Du wirst dein Los tapfer tragen, wie ich es auch tragen mußte, ohne zu murren oder zu wehklagen.

      Du hast mir das Leben durch deine Liebe vergoldet, Kind. Alles, was ich gelitten habe, hat sich gelohnt. Heute bin ich alt und abgeklärt und stehe über den Dingen. Du bist jung und lehnst dich gegen das dir aufgezwungene Schicksal auf, was nur zu verständlich ist. Denk an dein Kind, Betty, und du wirst stark und tapfer werden.«

      Erschöpft läßt Franziska den Kopf zurücksinken. Bettina umarmt sie zärtlich. Sie weint. Ihre Tränen fließen auf die Wange der Mutter.

      »Mama, liebe, geliebte Mama, das hast du alles für dich behalten? Die ganzen Jahre? Jetzt weiß ich, woher dein Herzleiden kommt! Ich danke dir, daß du mir die Augen geöffnet hast. Ich werde deinem Beispiel folgen, Mama. Arme, liebe Mama. Nun hast du dich aufgeregt – und alles meinetwegen.«

      Franziska streichelte Bettinas Hände. »Wenn ich dir einen kleinen Trost geben konnte, dann ist alles gut, Kind. Muß ich mich jetzt noch um dich sorgen? Ist dir dein Leben noch immer nichts wert?«

      »Verzeih, Mama, meine Worte kamen aus tiefster Verzweiflung. Ich schäme mich jetzt. So stark, wie du einst warst, will auch ich werden, das verspreche ich dir. Soll ich Rika rufen, damit sie dich zu Bett bringt? Ich bleibe dann noch ein wenig bei dir sitzen. Du siehst sehr müde aus.«

      Tiefe Besorgnis sprach aus Bettinas Worten, aber auch der feste Wille, ihr Schicksal zu meistern.

      *

      Nach dem Abendessen sitzen Bettina und Rudolf Kröger am Kamin. Die seidenbeschirmte Stehlampe wirft trauliches Licht in den behaglich eingerichteten Wohnraum. Jürgen ist nicht da.

      Sie unterhalten sich. Allerdings ist Kröger derjenige, der die Unterhaltung fast allein führt. Bettina

      ist nachdenklich, wie geistesabwesend.

      Plötzlich unterbricht sie ihren Schwiegervater.

      »Ich muß dir etwas sagen, Papa.«

      »Ja, Betty.« Er sieht sie erwartungsvoll an. In ihren Augen steht ein Leuchten, wie er es selten bei ihr gesehen hat.

      »Ich bekomme ein Kind.«

      Kröger ist zunächst sprachlos, dann bricht es aus ihm hervor.

      »Ein Kind, Betty? Ist das wirklich wahr?« Und als Bettina nickt, erhebt er sich und zieht Bettina mit sich aus ihrem Sessel. Er bettet ihren Kopf an seine Brust. »Ach, Betty, daß ich das noch erleben kann. Ein Kind! Ich bin überglücklich, Betty. Nein, diese Freude… Weiß es Jürgen?« fragt er.

      Sie schüttelt den Kopf. »Weiß ich denn, wie er es aufnehmen wird? Es kann sein, daß es ihm lästig

      ist.«

      »Du mußt es ihm aber sagen«, drängt Rudolf Kröger. »Vielleicht ändert er dadurch sein Leben.«

      »Wenn du meinst.«

      Er drückt sie sanft auf ihren Sessel zurück und schellt dem Hausmädchen.

      »Lucie, bringen Sie uns eine Flasche Sekt aus dem Keller«, sagt er zu ihr.

      »Sofort, Herr Kröger.«

      Er nimmt Bettinas Hände. »Das müssen wir feiern. Wir beide ganz allein. Wer weiß, wo sich mein Herr Sohn herumtreibt, wahrscheinlich bei seiner Höllenmaschine…«

      Er verstummt. Bettina sieht ihn groß an.

      »Was meinst du damit, Papa?«

      Er versucht, seine Worte zu bagatellisieren, doch angesichts der klaren Augen Bettinas gelingt es ihm schlecht.

      »Ach, ich habe da neulich ein Gespräch aufgefangen.«

      Jetzt weiß Bettina Bescheid. »Ich kenne diese Höllenmaschine, Papa, ich habe sie sogar gesehen, mit Jürgen Arm in Arm.«

      »Du hast… Und du hast kein Wort verlauten lassen, Kind?« Er sieht sie mit Bewunderung an.

      »Meine Ahnung hat sich nur bestätigt, Papa. Es hat mich dennoch fast zur Verzweiflung getrieben, aber dann dachte ich an das Kind – und schwieg.«

      Das Mädchen bringt den Sekt und die Gläser, diese kostbaren, feingeschliffenen Gläser. Kröger schenkt ein. Er hebt sein Glas gegen Bettinas.

      »Auf dein Wohl, Kind, auf deine Gesundheit«, sagte er herzlich.

      Bettina nimmt einen herzhaften Schluck und setzt das Glas ab. »Du bist wunderbar, Papa. Wenn ich dich und Mama nicht hätte…«

      Kröger trinkt den Rest der Flasche aus.

      »Und jetzt spielst du mir etwas vor, Betty, ja, willst du?«

      »Gern, Papa.«

      Sie gehen in den Musiksalon, wo der große, glänzende Bechsteinflügel steht.

      Bettina hat nur die Wandbeleuchtung angeknipst. Kröger läßt sich so nieder, daß er Bettina beim Spiel beobachten kann.

      Er sieht die Andacht auf den feinen Zügen, sieht die roten Lichter in dem wie gelackt wirkenden

      dunklen Haar, sieht die ganze liebliche Erscheinung.

      Jürgen ist der größte Idiot, der jemals gelebt hat, sinnt er, dann lauscht er den Melodien, die unter Bettinas schlanken Händen aufklingen und die Kröger in eine feierliche Stimmung bringen.

      Bettina spielt und spielt, alles, was ihr Herz bedrückt, setzt sie in Töne um. Das singt und klingt, das steigert sich und sinkt zu den zartesten Tönen herab.

      Als sie die Hände von den Tasten nimmt, erhebt sich Kröger. Er geht zu Bettina und legt seine Hand um ihre Schulter. »Es war wie eine Feierstunde. Wie lange ist es her, daß du gespielt. Das werden wir öfter wiederholen, Betty. Du wärest eine gute Pianistin geworden.«

      Bettina lächelt ihn glücklich an. »Leider waren wir arm, Papa, und hatten kein Geld für meine Ausbildung.«

      »Und jetzt gehn wir schlafen, Kleines. Es war ein sehr schöner Abend. Ich danke dir.«

      Es sollte das letzte Mal gewesen sein, daß er Bettina am Flügel erlebte.

      Drei Tage später sitzen sie auf der Terrasse. Über ihnen blinkt und glitzert es. Ein Millionenheer von Sternen. Rosenduft liegt in der Luft.

      »Es ist so friedlich«, sagt Kröger und nimmt sein Weinglas zur Hand. »Du ahnst nicht, wieviel Freude du in mein Leben gebracht hast…«

      Und dann kommt nichts mehr. Nur das Klirren des Glases auf den bunten Steinen ist zu hören. Ein Herzschlag hat Rudolf Krögers Leben beendet.

      *

      Bettina irrt nach der Beerdigung wie verloren durch das große Haus. Sie kann den schnellen Tod ihres Schwiegervaters immer noch nicht begreifen.

      Sie weint viel, und wäre ihre Mutter nicht gewesen, die sie tröstet und aufrichtet, der Verlust des so sehr von ihr verehrten Mannes hätte sie umgeworfen.

      Franziska von Welling bleibt vorläufig im Haus. Jürgen ist es recht. Er treibt es toller denn je.

      In der Fabrik ist er jetzt der Herr. Rudolf Kröger war nicht dazu gekommen, Bettina finanziell von Jürgen unabhängig zu machen, wie es in seiner Absicht gelegen hat-

      te.

      Und Jürgen hält Bettina sehr knapp. Das Wirtschaftsgeld händigt er der