Inhalt
Ein Tag, der festlich begann...
Sie wollte nur ein wenig Glück
Das Schicksal schien besiegelt...
Noch ahnt sie nichts von der Gefahr
»Also, ich will ganz offen sein, Frau Schalk«, erklärte Dr. Gerber, während er sich auf seinem Sessel zurücklehnte. »Meiner Meinung nach leiden Sie an Gebärmutterkrebs.«
Wie betäubt saß Cornelia Schalk vor dem Arzt und starrte ihn fassungslos an.
»Ja, aber… dann muß ich doch sofort in eine Klinik«, brachte sie nach Minuten des Schweigens mühsam hervor.
Dr. Gerber zuckte die Schultern. »Wenn Sie das möchten… aber ich will ehrlich sein, eine Chance auf Heilung dürften Sie nicht haben. Sehen Sie, Frau Schalk, bei den Zwischenblutungen, die Sie haben… ich weiß nicht, ob sich da eine Operation überhaupt lohnt. Und dann hat der Krebs mit Sicherheit schon Metastasen gebildet. Das heißt, daß Sie sich einer Chemotherapie unterziehen müßten. Kennen Sie die Nebenwirkungen?«
Cornelia schluckte schwer. Sie konnte nicht glauben, daß sie todkrank sein sollte. Und die unsensible Art, in der Dr. Gerber ihr das mitteilte…
»Ich stelle Ihnen natürlich eine Überweisung aus, wenn Sie das möchten«, fuhr der Arzt fort und riß Cornelia aus ihren Gedanken. »Aber ich halte nicht sehr viel davon, sich einer Qual auszusetzen, deren Ende man absehen kann. Genießen Sie Ihr verbleibendes Leben lieber noch.«
Mit einer fahrigen Handbewegung strich Cornelia durch ihr langes dunkles Haar, dann griff sie nach ihrer Handtasche und verließ das Sprechzimmer des Arztes. Sie vergaß, sich zu verabschieden. In ihrem Kopf war nur noch gähnende Leere.
Mit schleppenden Schritten ging Cornelia die Straße entlang, und trotz der fast unerträglichen Hitze fröstelte sie.
»Meiner Meinung nach leiden Sie an Gebärmutterkrebs.«
Dr. Gerbers schonungslose Worte verfolgten sie.
Plötzlich begann Cornelia zu schluchzen. Sie war erst siebenundzwanzig! Ihr Leben konnte doch nicht jetzt schon vorbei sein! Unwillkürlich mußte sie an Günter denken, mit dem sie seit vier Jahren glücklich verheiratet war. Und jetzt, nachdem sie hier in München eine größere Wohnung gefunden hatten, wollten sie ein Kind. Das alles sollte nun durch diese grausame Krankheit zerstört sein?
Mit zitternden Fingern steckte Cornelia den Schlüssel ins Haustürschloß und sperrte auf, dann schleppte sie sich mit letzter Kraft ins erste Stockwerk hinauf und ließ sich in dem gemütlich eingerichteten Wohnzimmer auf die Couch fallen.
Die Stille in der Wohnng war bedrückend, und Cornelia sehnte sich danach, mit Günter zu sprechen, doch er hielt sich im Augenblick geschäftlich in Zürich auf, und sie konnte ihn in seinem Hotel frühestens in vier oder fünf Stunden erreichen.
Cornelias Blick wanderte zum Telefon. Sie überlegte, wen sie jetzt anrufen könnte. Zu wem hatte sie genügend Vertrauen, um über das zu sprechen, was Dr. Gerber ihr heute gesagt hatte? Im ersten Augenblick fiel ihr ihre Schwester ein, doch Gisela und sie hatten nie ein besonders inniges Verhältnis zueinander gehabt.
Dann dachte Cornelia an ihre Freundin Renate. Während der Schulzeit hatten sie sich gegenseitig ihre geheimsten Gedanken anvertraut, und auch später waren sie durch eine feste Freundschaft verbunden gewesen. Doch dann hatte Cornelia geheiratet und die Beziehung zu Renate ein wenig vernachlässigt. Und nachdem auch die Freundin den Mann fürs Leben gefunden hatte, war der Kontakt sehr locker geworden.
Cornelia runzelte nachdenklich die Stirn. Renate hatte sie vor einem halben Jahr angerufen, weil sie im Begriff gewesen war umzuziehen. Wie hatte der Ort noch geheißen? Mit einem Satz war Cornelia auf den Beinen und kramte in dem kleinen Telefonkästchen an der Wand. Sie hatte sich Renates Adresse notiert, dessen war sie ganz sicher. Und dann fand sie den Zettel auch schon. Renate Kärtner, Hauptstraße 12 in Steinhausen. Eine Telefonnummer stand nicht dabei, doch die würde sich erfragen lassen.
Cornelia rief die Auskunft an, erfuhr die gewünschte Nummer und wählte diese mit zitternden Fingern. Was würde Renate sagen, wenn sie sich in der Not plötzlich an sie erinnerte?
»Kärtner!« meldete sich eine fröhliche Frauenstimme.
»Renate, ich bin’s«, gab sich Cornelia mit bebender Stimme zu erkennen.
»Conny?« fragte Renate ein wenig überrascht zurück, dann lachte sie auf. »Meine Güte, du hast ja eine Ewigkeit nichts mehr von dir hören lassen! Schön, daß du dich mal meldest. Wie geht’s dir?«
Cornelia schluchzte auf.
»Ich habe Krebs!« stieß sie hervor.
Betroffenes Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Conny… mein Gott, Conny…«, stammelte Renate schließlich.
»Ich muß mit jemandem sprechen«, fuhr Cornelia in nahezu flehendem Ton fort. »Bitte, Renate… darf ich kommen?«
»Natürlich, Conny, jederzeit«, stimmte Renate spontan zu, zögerte einen Moment und stellte die Frage, die sich ihr unwillkürlich aufgedrängt hatte, dann doch: »Ist zwischen Günter und dir alles in Ordnung? Ich meine…« Sie beendete den Satz nicht, doch Cornelia verstand auch so, was sie meinte.
»Günter ist in Zürich… geschäftlich«, erklärte sie. »Er kommt erst am Wochenende zurück.«
»Ach so. Also, Conny, du bist herzlich willkommen, und wenn du möchtest, dann kannst du hier übernachten«, bot Renate an.
Obwohl ihr nicht danach zumute war, mußte Cornelia bei diesen Worten lächeln. Renate war noch immer die Freundin, mit der man durch dick und dünn gehen konnte. Daran hatten nicht einmal die Jahre, in denen sie sich nicht gesehen und kaum miteinander telefoniert hatten, etwas geändert.
»Ich fahre sofort los«, erklärte Cornelia. »Und dein Angebot… ich glaube, ich werde es annehmen.«
»Das ist gut«, meinte Renate. »Ich erwarte dich…« Sie stockte, als ihr etwas einfiel. »Conny, du fährst aber bitte nicht mit dem Auto. In dem Zustand, in dem du vermutlich bist, könntest du einen Unfall bauen.«
Voller Bitterkeit lachte Cornelia auf. »Was würde das schon ausmachen.«
»Bitte, Conny«, entgegnete Renate eindringlich. »Krebs ist eine schlimme Krankheit, aber nicht zwangsläufig ein Todesurteil. Und deshalb möchte ich, daß du mit dem Zug kommst. Es gibt eine verhältnismäßig gute Verbindung von München