Fußnote
4 Die kleinere griechische Litteratur dieser Art ist gesammelt von Th. Gale Opusc. Mythologica phys. et eth., Amstel. 1688, und von A. Westermann Μυϑογράφοι, Brunsv. 1843, vgl. auch L. Ann. Cornutus de Nat. Deorum ed. F. Osann, Gott. 1844. Die lateinische von Th. Muncker Mythographi lat., Amstelod. 1681. 2 Voll. und von G. H. Bode Scriptores rer. myth. lat. tres, Cell. 1834. 2 Voll.
7. Das mythologische Studium neuerer Zeit.
Auch in dem neueren Zeitalter der Bildung hat sich die griechische Mythologie als integrirender Bestandtheil des classischen Alterthums und wegen ihres vielseitigen und anziehenden Inhaltes so wie ihrer nahen Beziehung zur Kunst und Poesie immer einer fleißigen Pflege zu erfreuen gehabt. Italiener, Franzosen, Holländer, Engländer und Deutsche wetteiferten in der Sammlung und Erklärung dieser Mythen und Sagen, wobei sich alsbald sehr verschiedene Methoden geltend machten. So haben die Italiener die alten Fabeln entweder mit poetischem Behagen blos nacherzählt, oder sie setzten voraus daß in ihnen der Schatz einer halb verklungenen oder auch willkürlich verdunkelten Lehre der Vorwelt stecke, welcher durch allegorische Interpretation gehoben werden müsse (Io. Boccatius seit 1472, Lil. Greg. Gyraldus seit 1548, Natalis Comes seit 1568). Die niederländische Periode der Alterthumsforschung dagegen, wo sie sich nicht auf bloße Sammlungen des Stoffs beschränkte, pflegte der theologischen Ueberzeugung zu folgen daß das Heidenthum überhaupt und namentlich die Mythologie die mißverstandene und entstellte biblische Offenbarung sei (G. J. Vossius seit 1642, Ez. Spanheim), während die Franzosen lange Zeit die pragmatische Methode angewendet haben, entweder in der euhemeristischen Weise (Banier) oder nach dem Grundsatze daß die Götter bestimmte Götterdienste und Culte bedeuten die sich unter einander befehden und verdrängen, die Mythologie überhaupt also eine Geschichte der alten Religionen sei, welche auf solche Weise aber nicht nach ihren innern Motiven, sondern nur nach ihrem äußerlichen Verhalten erwogen werden (Freret). Endlich in Deutschland behauptete sich, sobald das Studium der Mythologie allgemeineren Anklang fand, auf lange Zeit das Dogma von einer monotheistischen Urreligion, welches gewöhnlich in dieser Form auftritt. Einerseits denkt man sich ein sogenanntes Urvolk mit einer reineren Gotteserkenntniß, welche aber früh entstellt worden und unter dem großen Haufen der Völker durch die polytheistische Mythologie nur wie in den gebrochenen Strahlen einer bildlichen Ausdrucksweise fortgepflanzt sei, unter den Priestern und Eingeweihten dagegen vermittelst der Mysterien und auf anderen Wegen einer esoterischen Tradition als monotheistische und deistische Ueberzeugung überliefert wurde. Andrerseits pflegte man anzunehmen daß der Orient, bald Aegypten bald Indien bald andere Völker oder Priesterschaften, die ältesten Inhaber dieser primitiven Gotteserkenntniß gewesen seien: woraus sich von selbst sehr verschiedene Methoden der theologischen und philologischen Forschung ergeben (Plessing, Kanne, Görres u. A.). Außerdem fehlte es auch nicht an solchen Mythologen, welche einen bestimmten wissenschaftlichen Inhalt, besonders Astronomie (Dupuis, Court de Gebelin, Dornedden), aber auch Chemie (Jac. Toll, Schweigger) in den griechischen Mythen suchten und auf den kühnen Wegen der allegorischen Interpretation auch diesen Inhalt zu finden wußten.
Dann kam die Zeit der neueren Philologie und Alterthumsforschung, wo das classische Alterthum der selbständige Gegenstand eines eignen wissenschaftlichen Studiums wurde und nicht allein die Sprachen, sondern auch alle Lebenskreise und geistige Thätigkeiten der Alten einer neuen Prüfung und Forschung unterzogen wurden, deren Vortheile alsbald der Mythologie zu Gute kamen. Zuerst war es Heyne, der sich um sie verdient machte, in vielen einzelnen Arbeiten und Abhandlungen sammelnd und erklärend und in besonderen akademischen Vorträgen. Darauf Creuzer als Schüler Heyne's, aber auch als Anhänger jener Lehre von dem primitiven Monotheismus und der höheren Erkenntniß des Orients, welche durch symbolische Auslegung der Mythen wiedergewonnen werden müsse, mit Vorlesungen welche sich zu ihrer Zeit eines außerordentlichen Beifalls erfreuten, und mit dem berühmten Werke über Symbolik und Mythologie, dessen bleibendes Verdienst sowohl in der fleißigen Sammlung des Materials als in der geistreichen und lebendig bewegten Deutung besteht. Doch fehlte es auch nicht an Ueberschwenglichkeiten und Ungenauigkeiten, welche theils in dem Zeitgeiste theils in jenen falschen Voraussetzungen begründet waren und zunächst bei J. H. Voß einen scharfen Widerspruch fanden, dessen Verdienste um die kritische Behandlung der Mythologie weit größer sein würden, wenn nicht auch er sich mit der Zeit in manche unbegründete Voraussetzungen verwickelt hätte. Der Nachfolger von Voß auf dem Gebiete der Mythologie ist Chr. A. Lobeck, dessen Ausführung der von Voß begründeten Kritik an den wichtigsten Fragen zur Geschichte der Mysterien und der mystischen Theologie und Poesie5 der Sache ausserordentlich genützt hat. Ferner sind G. Hermann, Ph. Buttmann, C. A. Böttiger durch viele Untersuchungen und Abhandlungen für die Mythologie thätig gewesen, G. Hermann besonders durch etymologische und litterärische Studien, Buttmann durch wesentliche Verbesserung der mythologischen Methode, indem er sowohl den Voraussetzungen des Pragmatismus als denen der allegorischen Interpretation entgegen trat, in welcher Hinsicht er von dem Philosophen Solger durch anregende Vorlesungen und Abhandlungen unterstützt wurde, Böttiger indem er, obwohl dem Pragmatismus ergeben, zuerst das archäologische Studium mit dem der Mythologie in Verbindung setzte und auf diese Weise die sogenannte Kunstmythologie begründete. Eine neue Anregung und wesentliche Bereicherung erfolgte darauf durch K. O. Müller, welcher die Eigentümlichkeit des griechischen Geistes und der griechischen Nationalentwicklung besonders dem Orient gegenüber mit glücklichem Erfolge geltend machte und dabei überall auf den volkstümlichen Ursprung und Inhalt der griechischen Mythologie sowie auf das örtliche Gewebe der Götterculte zurückging, auch die gesammte Methode der mythologischen Forschung von neuem beleuchtete und begründete6 ; wobei indessen das Princip der Autochthonie und die Bedeutung der localen Eigentümlichkeiten nicht selten übertrieben und die geschichtlichen Momente im Allgemeinen mehr als die idealen hervorgehoben wurden. Neben ihm wirkte besonders F. G. Welcker, ausgezeichnet sowohl durch feines Natur- und Sprachgefühl als durch tiefe Kenntniß der griechischen Poesie und Kunst, deren mythologische Beziehungen und Bedeutungen noch von keinem Gelehrten mit gleich vielseitiger Bildung und gleichem Zartgefühl für alles Bildliche nach allen Richtungen hin erwogen und geltend gemacht sind. Ferner haben sich G. W. Nitzsch und C. F. Nägelsbach durch ihre Homerischen Studien, C. Göttling durch seine meist mit Hesiod beschäftigten Untersuchungen, G. F. Schoemann durch seine Arbeiten über Aeschylos und Hesiod, Konr. Schwenck durch seine etymologischen und mythologischen Forschungen, E. v. Lasaulx durch eigentümliche Auffassung des religiösen und sittlichen Lebens der Alten, P. F. Stuhr und F. Lauer durch ihre Bemühungen um das systematische Studium der griechischen Mythologie, K. F. Hermann und Schoemann durch ihre Lehrbücher der gottesdienstlichen Altertümer, andere Gelehrte durch andere Forschungen und Abhandlungen, Lehrbücher,