»Das sehen Sie völlig falsch, Mr. Parker«, widersprach die Detektivin, »Natürlich handelt es sich um Schmuck aus der Inka-Zeit, aber das können Sie schließlich nicht wissen.«
»Wie Mylady zu meinen belieben.« Parker, der sich seiner Sache völlig sicher war, verlor nichts von seiner Gemessenheit und Höflichkeit. Lady Simpson vermochte einfach nicht, ihn zu erschüttern.
»Ein Lorbeerkranz«, sagte sie inzwischen und zog einen Haar-Reif aus dem Päckchen. Die Blätter waren auch hier bis ins letzte Detail nachgebildet worden.
»Und dazu noch zwei Armreifen mit granulierten Goldperlen«, zählte der Butler weiter auf, »und dies hier dürfte die Nachbildung einer Leber sein, wenn meine Wenigkeit nicht sehr irrt.«
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich, Mr. Parker.« Sie nahm den Gegenstand, den Parker hochhielt, in die eigene Hand und wog ihn. »Massives Gold, Mr. Parker. Wie kommen Sie darauf, daß dies eine Leber sein soll?«
»Meine Wenigkeit sah solch ein Modell in Bronze in einer Ausstellung in London«, antwortete der Butler.
»Unsinn, Mr. Parker, das ist ein Wetzstein«, behauptete die ältere Dame unwirsch, »ich kenne mich in solchen Dingen aus. Aber wie auch immer, ich denke, ich habe hier einen recht kostbaren Fund gemacht, wie?«
»Mylady wurden mit diesem Fund förmlich bombardiert«, entgegnete der Butler, »darf man auch noch auf die übrigen Schmuckstücke aus Goldblech verweisen?«
Er hob nacheinander weitere Gegenstände aus dem Päckchen, nämlich eine Kette mit einem kleinen Brustschild, dann weitere Armreifen, Schnallen und Armspangen.
»Wieviel mag das alles wert sein?« wollte Agatha Simpson wissen, als Parker sich daran machte, die Schmuckgegenstände in das Päckchen zurückzulegen.
»Der Wert ist kaum abzuschätzen, Mylady«, beantwortete Parker die Frage, »es dürfte sich um viele Millionen Pfund handeln.«
»Dann wird der Finderlohn entsprechend sein«, freute sich die ältere Dame.
Weil sie mehr als nur vermögend war, besaß sie einen sehr ausgeprägten Sinn für Geld. Sie konnte sparsam sein, bis zum Geiz, sie konnte ihr Geld aber auch mit vollen Händen ausgeben, wenn es ihrer Ansicht nach angebracht war. Für ihr Hobby als Kriminalistin scheute sie keine Ausgabe.
»Ohne mich wäre dieses Goldblech unwiederbringlich verloren«, redete sie weiter, »ich werde meinen Finderlohn entsprechend hoch ansetzen.«
»Dazu werden Mylady sich mit dem Besitzer des Goldschmucks in Verbindung setzen müssen«, antwortete der Butler.
»Das werde ich Ihnen überlassen, Mr. Parker«, gab sie zurück, »diese unwichtigen Details interessieren mich nicht.«
»Wären Mylady damit einverstanden, einen Blick in das Haus zu werfen?«
»Was soll ich denn dort?« fragte sie ungeduldig.
»Möglicherweise ergibt sich eine Begegnung mit den Hausbewohnern, Mylady.«
»Nun gut.« Sie nickte flüchtig. »Ich werde Ihnen diesen Gefallen tun, Mr. Parker, obwohl ich bereits schon jetzt weiß, daß das reine Zeitverschwendung sein wird.«
*
Es war natürlich keine Zeitverschwendung.
Der Durchzug hatte die Nebelschwaden aus dem Patent-Kugelschreiber längst vertrieben, und Josuah Parker nahm eine Besichtigung des Gasthofes vor. In einem der kleinen, niedrigen Kellerräume entdeckte er dann eine Frau und einen Mann, die man gefesselt und geknebelt hatte. Nachdem der Butler die beiden Personen befreit hatte, führte er sie in den Schankraum, wo Lady Agatha ihren Kreislauf mit einem Sherry stärkte, den sie in der Bar gefunden hatte. Sie runzelte die Stirn, als sie die beiden Betreiber der Gastwirtschaft sah. .
»Ich will alles wissen«, schickte sie voraus, »und wagen Sie es nicht, mich belügen zu wollen.«
Der Mann, der etwa fünfzig Jahre zählte, machte einen völlig irritierten Eindruck. Seine Frau, die schätzungsweise fünf Jahre jünger war, erholte sich erstaunlich schnell. Sie war mittelgroß, korpulent und schien wesentlich energischer zu sein als ihr Mann.
»Dieser Kerl zog plötzlich einen Revolver«, sagte sie ohne jede Einleitung, »und dann mußten wir ’runter in den Keller. Und da hat er meinen Mann einfach niedergeschlagen. Danach hat er uns gefesselt und uns die Heftpflaster auf den Mund geklebt.«
»Mylady wünschen zu erfahren, wann dies alles geschah«, ließ Josuah Parker sich vernehmen.
»Vor einer Stunde etwa«, lautete die Antwort des Mannes, der wesentlich kleiner und schmaler war als seine Frau, »und diesen Mann hatten wir vorher noch nie gesehen.«
»Ich schon«, widersprach die mittelgroße, korpulente Frau energisch, »dieser Kerl war schon zweimal hier bei uns im Gasthof.«
»Können Sie sich eventuell an einen genauen Zeitpunkt erinnern?« wollte der Butler wissen. Seine Herrin hielt sich zurück und kostete inzwischen einen Portwein, den sie im Barregal entdeckt hatte. Sie nickte jedoch beifällig, als Parker seine Frage stellte.
»Das war gestern und vorgestern«, beantwortete die Frau die Frage des Butlers, »er war aber immer nur kurz hier. Jetzt weiß ich natürlich, warum er sich hier umgesehen hat.«
»Nämlich?« schaltete Agatha Simpson sich nun ein. Sie sah die korpulente Frau scharf an.
»Er wollte herausfinden, ob wir allein sind oder nicht«, meinte die Frau, »aber an unser Erspartes ist er nicht herangekommen, das hat er bestimmt nicht gefunden.«
»Wieso sind Sie sich dessen so sicher?« fragte Josuah Parker.
»Weil das Geld genau in dem Keller ist, in den er uns eingeschlossen hat«, sagte die Gastwirtin triumphierend, »das Geld hat er übersehen.«
»Sie würden diesen Mann unter Umständen wiedererkennen?« wollte Agatha Simpson wissen.
»Natürlich«, sagte die korpulente Frau und nickte nachdrücklich, »er hat ein richtiges Galgenvogelgesicht.«
»Was kann und darf man sich darunter vorstellen?« erkundigte sich der Butler.
»Ich habe mir den Kerl sehr genau angesehen«, schickte die Gastwirtin voraus, »er hat zusammengewachsene Augenbrauen, eine scharfe Nase und einen schiefen Mund mit schlechten Schneidezähnen.«
»Ihre Beschreibung ist erfreulicherweise sehr präzise«, stellte der Butler fest, »die Polizei wird ungemein zufrieden sein.«
»Und die Versicherung«, fügte die korpulente Gastwirtin hinzu, »mein Mann und ich werden gleich erst mal feststellen, was dieser Strolch alles mitgenommen hat. Ich meine so an Getränken und Vorräten. Ohne Grund hat er uns ja bestimmt nicht überfallen.«
»Mylady sind sicher, daß Sie nicht übertreiben werden«, antwortete Parker höflich. Die Gastwirtin schluckte, verstand dann und errötete leicht.
»Aber untertreiben Sie auch nicht, meine Beste«, warf Lady Agatha sachkundig ein, »ich kenne diese Versicherungen. Man zahlt und zahlt, aber wenn man dann etwas von ihnen haben will, drücken sie sich.«
»Ich werde schon nicht untertreiben«, versprach die Gastwirtin und bedachte die ältere Dame mit einem dankbaren Blick.
»Kann man Sie Ihrem momentanen Schicksal überlassen?« wollte Parker wissen, der Fragen der Versicherungsbranche nicht weiter zu vertiefen gedachte.
»Ob man was kann?« fragte die Gastwirtin irritiert.
»Kann ich gehen, oder brauchen Sie mich noch, meine Liebe?« übersetzte Agatha Simpson.
»Nein, nein, wir kommen schon zurecht«, versprach die Gastwirtin, »und wir werden gleich die Polizei anrufen, aber vorher wollen wir erst noch feststellen, was man uns gestohlen