2. ORDENSVÄTER IM WESTEN
Bereits der Kaiser Konstantius hatte im 4. Jahrhundert in einem Gesetz für die Mönche und gottgeweihten Jungfrauen die Bezeichnung »ordo« verwendet. Daher kann in einem weiten Sinn bereits ab dieser Zeit von Orden, Ordensvätern und Ordensgründern die Rede sein.
Martin von Tours (316–397)
Er gilt als Vater des Mönchtums in Gallien – so bezeichnet zumindest Sulpicius Severus seinen Lehrer Martinus in der Vita, die er über den Bischof von Tours geschrieben hat. Martinus wurde um 316 in Sabaria in der Provinz Pannonia als Sohn eines römischen Militärtribuns geboren. Seine schulische Bildung in der lateinischen Sprache und Schrift erhielt er in Pavia, wohin der Vater versetzt worden war. Mit 15 Jahren trat der Sohn selbst in das römische Militär ein und diente unter dem christlichen Kaiser Konstantius und Kaiser Julianus in der kaiserlichen Garde. Danach verließ er die Armee und zog nach Poitiers in Gallien, wo er ein Schüler des dortigen Bischofs Hilarius wurde. Dieser schickte den jungen Martinus zur Verbreitung des christlichen Glaubens in die Provinz Illyrien. Doch dort war bereits das arianische Christentum verbreitet, das in Jesus nur einen adoptierten göttlichen Sohn sah. So war Martinus starken Konflikten mit Mitchristen ausgesetzt.
Bald verließ er die Provinz Illyrien im Osten und zog sich auf die Insel Gallinara vor der ligurischen Küste zurück. Nach geraumer Zeit zog er jedoch nach Poitiers und gründete in Ligugé eine Siedlung für Einsiedler. Als sich ihm mehrere Asketen anschlossen, entstand dort ein erstes Kloster. Zu diesem Kloster kamen viele Pilger, um göttlichen Segen zu erbitten. So wurde Martinus in ganz Gallien bekannt, der Klerus und das Volk von Tours wählten ihn zu ihrem Bischof. Als Bischof kam er an die Loire und gründete dort das Kloster Marmoutier, das später zu einem spirituellen Zentrum für die ganze Region wurde. Er bereiste mit dem Pferd seine Diözese und verkündete auch in den ländlichen Gebieten das Evangelium von Jesus Christus, das dort noch kaum bekannt war
Martinus kam auf seinen Predigtreisen bis an die Loire, nach Chartres und Amboise und verkündete auch den Stämmen der Häduer und der Semnonen die Botschaft von Christus. Er wirkte eine Zeitlang in Paris und heilte dort Kranke, in der Stadt Vienne traf er mit dem Theologen Paulinus von Nola zusammen. Beim römischen Präfekten Maximus setzte er sich gegen die Hinrichtung des christlichen Häretikers Priscillianus ein, hatte jedoch keinen Erfolg. Martinus war in ganz Gallien als Verkünder des Evangeliums, als Wunderheiler und als Vermittler in politischen Streitfragen bekannt geworden. Doch viele Bischöfe und Kleriker gingen zu ihm auf Distanz, weil er das gemeinsame Leben der Mönche und Nonnen gefördert hatte. Es wird berichtet, dass an seinem Begräbnis sollen mehrere Tausend Mönche und Nonnen teilgenommen haben sollen. Seine Verehrung verbreitete sich in ganz Gallien, wie auch in Italien und Germanien.1
Rufinus von Aquileia (345–410)
Dieser Förderer von Mönchsgemeinschaften wurde im Jahr 345 geboren und starb um 410 in Messina auf Sizilien. Er hatte die christliche Glaubenslehre in Rom kennen gelernt, wo er mit dem Theologen Hieronymus zusammentraf. Nach Aquilea zurückgekehrt, schloss er sich dort einer Gruppe von asketischen Männern an, die von Chromatius, dem späteren Bischof von Aquileia, geleitet wurde. Nach seiner Taufe reiste er mit dem Schiff nach Alexandria in Ägypten, wo er die gottgeweihte Jungfrau Melania die Ältere kennen lernte. Auf ihre Anregung hin besuchte er die Wüstenmönche in der Nitrischen Wüste und später in Palästina. Er lebte in diesen Gemeinschaften und lernte dort auch die Lehren des Theologen Origenes kennen. Später reiste er als Wandermönch nach Jerusalem, blieb dort eine Zeitlang und wurde sogar der Leiter eines Klosters für gottgeweihte Frauen, das von Melania gegründet worden war.
Zu dieser Zeit lebte der lateinische Theologe und Lehrer Hieronymus in einer klösterlichen Gemeinschaft in Bethlehem, mit dem Rufinus in einem freundschaftlichen und geistlichen Austausch stand. Er wurde zum Presbyter geweiht und verteidigte fortan mit großer Überzeugung die Lehren des Neuplatonikers Origenes. Doch viele Bischöfe im Osten lehnten diese Lehren ab. Im Jahr 397 kehrte Rufinus in den Westen des römischen Reiches zurückund brachte dabei mehrere theologische Schriften in griechischer Sprache mit.
Nun übersetzte er für die Mönche in Pinteum eine Sammlung der Mönchsregeln des Basilios von Kaisareia, wie auch Schriften des Origenes ins Lateinische. In späterer Zeit ging er zu seinem früheren Freund Hieronymus deutlich auf Distanz, weil dieser die Lehren des alexandrinischen Theologen Origenes ablehnte. Aufgrund dieses Streits wurde er in der späteren Kirche nie als Heiliger verehrt.2 Rufinus entfaltete eine reiche Übersetzertätigkeit aus dem Griechischen ins Lateinische, indem er die so genannten Pseudo-Klementinen, zwei Mönchsregeln, eine Geschichte der östlichen Mönche, sowie die Kirchengeschichte des Eusebios von Kaisareia übersetzte.
Im Streit um Origenes entschuldigte er seine Abwesenheit bei einer römischen Synode und legte danach ein Bekenntnis des orthodoxen, d. h. bischöflichen Glaubens ab. Er rechtfertigte seine Übersetzung von Schriften des Origenes und setzte sich kritisch mit einem Buch des Hieronymus auseinander. In seinem Kommentar zum Apostolischen Glaubensbekenntnis liegt uns zum ersten Mal die lateinische Fassung dieses ursprünglich griechischen Bekenntnisses vor. Rufinus hinterließ uns auch ein Verzeichnis aller Bücher der Heiligen Schrift, das von den Bischöfen nach 367 festgelegt worden war. In zwei kleineren Werken blieb eine allegorische Auslegung des Jakobssegens erhalten. Rufinus hat mit seinen übersetzten Ordensregeln viel zur Verbreitung des Mönchtums im Westen beigetragen.
Hieronymus (347–419)
Von Rom nach Palästina
Dieser theologische Lehrer und Übersetzer der Bibel wurde um 347 in der Provinz Panonnia geboren. In Rom absolvierte er das Studium der Grammatik, der Rhetorik und der Philosophie, sein Lehrer hieß Donatus. Dort lernte er Rufinus aus Aquilea kennen, mit dem er lange Zeit befreundet war. Er ließ sich taufen, wurde in die Kirche aufgenommen und reiste anschließend nach Gallien. In Trier (Castra Treverorum) lernte er eine Gemeinschaft von Mönchen kennen, von denen er fasziniert war. Von Trier siedelte Hieronymus nach Aquilea über, wo er sich einer Gemeinschaft von asketischen Männern anschloss, welche sich »Chor der Seligen« nannten. Doch in dieser Gemeinschaft kam es zu harten Auseinandersetzungen, denen sich Hieronymus entzog, indem er sich per Schiff nach Syrien aufmachte. Dort angekommen, schloss er sich wiederum asketischen Gruppen an.
Doch er blieb nicht lange in Syrien, da es ihn in die östliche Hauptstadt Konstantinopel zog, wo er die Lehren der griechischen Theologen Gregorios von Nazianz und Origenes von Alexandria kennen und schätzen lernte. Von Konstantinopel siedelte Hieronymus nach Rom über, wo er drei Jahre lang lebte und in einer engen Verbindung zum Bischof und Papst Damasus I. stand. Zu seinem Freundeskreis gehörten die reichen Witwen Marcella und Paula, sowie deren Töchter Blesilla und Eustochium. Nach dem Tod des Bischofs Damasus hoffte Hieronymus, vom Volk und vom Klerus der Stadt zum Bischof gewählt zu werden. Doch dies war nicht der Fall, denn er wurde wegen seines asketischen Lebens und wegen seiner Kritik am römischen Klerus nicht gewählt.
Im Jahr 385 verließ Hieronymus Rom und reiste mit den wohlhabenden Frauen Paula und Eustochium nach Palästina, um den Spuren des göttlichen Erlösers zu folgen. Er ließ sich in Bethlehem nieder und gründete mit Freunden ein Kloster für Männer und drei Klöster für Frauen. Es müssen also viele Frauen in seinem Gefolge gewesen sein oder durch die Frauen Paula und Eustochium angezogen worden sein. Er war der geistliche Berater dieser Gemeinschaften, obwohl er selbst ohnehin schon genug zu