»Mylady und meine Wenigkeit müssen die Orientierung ein wenig verloren haben«, meinte Parker und lüftete die schwarze Melone. »Wo, bitte, geht es zu den Waschräumen?«
»Seit... seit wann sind Sie hier?« wollte der Manager wissen. Er blinzelte den Butler ausgesprochen nervös an, entdeckte dann den Stämmigen auf dem Boden des Korridors und wollte sich umgehend in sein Büro zurückziehen.
Natürlich war er nicht schnell genug.
Butler Parker benützte seine konventionelle Kopfbedeckung als eine Art Nahkampfwaffe und setzte die Wölbung auf die Nase des Managers. Da die Innenseite der Melone mit Stahlblech gefüttert war, verformte sich nur die Nase des Mannes, dem die Tränen in die Augen schossen.
Er wich zurück, stöhnte ein wenig und tastete sich zu seinem Schreibtisch. Hier ließ er sich in seinen Sessel fallen und gab sich wehleidig. Er fingerte vorsichtig an seiner Nase herum und schniefte dazu ausgiebig.
»Nun haben Sie sich gefälligst nicht so«, herrschte Lady Agatha ihn an. »Sie wollten mir schließlich die Tür vor der Nase zuschlagen, junger Mann. Und das sicher nicht ohne Grund.«
»Sie wollten Mylady und meiner Wenigkeit eine bestimmte Adresse nennen«, erinnerte Josuah Parker höflich. »Sie sollten sich nicht genieren, so zu verfahren.«
»Sie haben das alles völlig falsch verstanden«, log der Club-Manager und bog äußerst vorsichtig seine Nase zurecht, »Die Adresse, wenn man bitten darf«, wiederholte der Butler. »Sie möchten doch sicher nicht Gefahr laufen, daß Ihre Nase erneut in Schwierigkeiten gerät, nicht wahr?«
Der Club-Manager nannte die Adresse und in diesem Zusammenhang den Namen eines gewissen Andy Stilking.
»Sie erweisen sich als eine Person, die zur Kooperation durchaus fähig ist«, meinte der Butler. »Nun bitte noch den Nachnamen des Mannes, den man mit Ron anredete.«
»Ron Parham«, kam prompt die Antwort. Zusätzlich lieferte der Club-Manager dann auch noch fast freiwillig die Adresse des betreffenden Mannes.
»Da sich der Eindruck aufdrängt, daß Sie sich ein wenig unwohl fühlen, wird man Sie umgehend nach Hause bringen«, erklärte der Butler anschließend. »Sie sollten sich der Fürsorge Myladys und meiner Wenigkeit voll und ganz anvertrauen.«
»Oder auch nicht, junger Mann, falls Sie Schwierigkeiten machen«, fügte Lady Agatha hinzu. Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, ließ sie ihren perlenbestickten Pompadour pendeln.
*
Der Club-Manager wollte bereits an der nächsten Ampel ohne jede Vorankündigung aussteigen. Er sah schließlich deutlich, daß die Verriegelung der beiden hinteren Wagentüren nicht geschlossen war.
Als Parker sein hochbeiniges Monstrum stoppte, warf der Club-Manager sich förmlich auf die linke Wagentür, drückte den Griff hinunter und... mußte erkennen, daß die Tür sich nicht rührte.
Der Mann verdoppelte seine Anstrengungen und mühte sich redlich ab. Dabei warf er immer wieder Blicke auf Mylady und Parker, die jenseits der geschlossenen Trennscheibe vorn auf den Sitzen saßen.
»Ihre Anstrengungen sind durchaus lobenswert«, ließ der Butler sich schließlich beim Anfahren vernehmen, nachdem die Ampel die Farbe gewechselt hatte. »Sie sollten allerdings davon ausgehen, daß es eine zentrale Verriegelung gibt.«
»Ich will raus«, erklärte der Club-Manager wütend und hämmerte zur Abwechslung mit den Fäusten gegen die schwere, schußsichere Trennscheibe. »Das hier ist eine Entführung ... Dafür werde ich Sie anzeigen.«
»Mylady sieht dies völlig anders«, gab Parker über die Bordsprechanlage zurück. »Mylady ist nach wie vor der Ansicht, daß Sie um diese Aus- und Mitfahrt geradezu inständig baten.«
»Das ist doch völliger Blödsinn«, beschwerte sich der Club-Manager weiter. »Sie haben mich mit Gewalt hier in den Schlitten geschafft. Das kann ich beeiden.«
»Würden Sie auch die Tatsache beeiden, daß sie Mister Andy Stilking beauftragten, Mylady und meine Wenigkeit für einige Wochen in Gips zu legen?«
»Das hatte doch überhaupt nichts mit Ihnen zu tun«, behauptete der Club-Manager verbissen. »Das haben Sie falsch verstanden. Und überhaupt: Ich werde alles abstreiten.«
»Falls Sie später dazu überhaupt noch in der Lage sein werden, junger Mann«, deutete die ältere Dame diskret an.
»Was ... was wollen Sie damit sagen?« fragte der Manager und hüstelte nervös.
»Mylady will damit zum Ausdruck bringen, daß die Nacht noch lang und mit Sicherheit voller Gefahren ist«, schaltete Josuah Parker sich ein.
»Sie bluffen doch nur«, lautete die Antwort. »Sie würden niemals einen Menschen umbringen. Nee, das nehme ich Ihnen nicht ab.«
»Mylady denkt in diesem speziellen Fall an Ihre Freunde, die wohl davon ausgehen, daß Sie Mylady einige wertvolle Hinweise geben werden. Wenn Sie also in einigen Tagen wieder auftauchen, wie es in Ihren Kreisen wohl heißt, wird man Ihnen mit massivem Mißtrauen begegnen.«
»Wieso Mißtrauen?« fragte der Club-Manager, obwohl er mit Sicherheit die Anspielung verstanden hatte. »Ich werde kein Wort sagen, weil ich nichts zu sagen habe, verstehen Sie? Was sollte ich denn ausplaudern?«
»Den Grund, um nur ein Beispiel zu nennen, warum Sie Mylady und meiner Wenigkeit eine Falle zu stellen beabsichtigten. Sie wollten dies mit Sicherheit nicht aus reiner Bosheit tun.«
»Und wenn Sie sich auf den Kopf stellen, Mister Parker, ich habe überhaupt nichts einfädeln wollen. Das haben Sie mißverstanden. Wie lange wollen Sie mich denn überhaupt festhalten? Das ist Kidnapping!«
»Vorwürfe dieser Art sind Mylady wohlbekannt«, lautete die Antwort des Butlers. »Mylady zieht es vor, sie zu ignorieren.«
Parker schaltete die Sprechanlage ab, damit der Club-Manager in aller Ruhe über seine Lage nachdenken konnte. Zudem näherte man sich der Straße, in der ein gewisser Andy Stilking inzwischen wohl seine Falle gestellt hatte. Parker war neugierig darauf, was der Mann sich wohl hatte einfallen lassen.
*
Das bewußte Haus stand in der Nähe der Paddington Station und zeichnete sich durch Unauffälligkeit aus. Es handelte sich um ein ehemaliges kleines Hotel, das man in Apartment-Wohnungen umgebaut hatte. Laut Aussage des Club-Managers erwartete man Mylady und den Butler in einem Hinterhaus-Erdgeschoß.
»Man wird Sie jetzt leider allein zurücklassen müssen«, entschuldigte sich der Butler. »Hoffentlich langweilen Sie sich nicht zu sehr.«
»Haben Sie mir noch etwas zu sagen, junger Mann, was zu Ihren Gunsten sprechen könnte?« wollte Agatha Simpson wissen.
»Nein, nein, nichts«, beteuerte der Manager über die wieder eingeschaltete Sprechanlage. »Sie werden nur sehen, daß Sie sich getäuscht haben.«
Parker betätigte vor dem Öffnen der Fahrertür einen der vielen Kipphebel, die sich auf dem Armaturenbrett seines Wagens befanden. Unmittelbar darauf wurde dem Fahrgast im Fond eine Dosis Lachgas verabreicht, um ihn an unnötigen Aktivitäten zu hindern.
Als Lady Agatha ausstieg, saß der Manager bereits entspannt in der rechten Wagenecke und hatte die Augen geschlossen. Um seine leicht geöffneten Lippen spielte ein kindliches Lächeln. Er bekam nicht mit, daß das Duo aus Shepherd’s Market den Wagen verlassen hatte.
»Und wie werde ich nun vorgehen, Mister Parker?« erkundigte sich die ältere Dame, als sie einen Torweg ansteuerte. »Sie wissen, ich bin stets für den direkten Weg.«
»Mylady schätzen allerdings auch die schnelle Überraschung«, wandte Parker höflich ein.
»Richtig, Mister Parker, alles zu seiner Zeit«, pflichtete sie ihm sicherheitshalber