Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: August Sperl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831439
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seine schmalen Lippen mit einem Schluck Wein, »kann sich allein mit Fug und Recht katholisch nennen; denn sie umfaßt die bewohnte Erde, sie durchdringt alle Lebensverhältnisse; vertrieben an einem Orte, kehrt sie unversehens wieder zurück; unverändert ist sie geblieben unter so vielen Ketzereien bis auf den heutigen Tag, und mit demütigem Stolze kann sie von sich sagen: seht hier die unzertrennte Succession der Bischöfe, seht hier die festgefügte Kette segnender Hände, zurück bis auf die Apostel! Was aber ist dagegen die Augsburgische Konfession? Ein klein, armselig Stück- und Menschenwerk, zur Welt gebracht vor etlichen und hundert Jahren in einem obskuren Winkel des deutschen Landes, oft verändert in seinen Formen, immer wieder bedrängt von den eignen Bekennern und in die Enge getrieben, ein Kind der Empörung und eine Pandorabüchse der Zwietracht!«

      »Besseres könnte ich Euch auch nicht sagen!« rief der Dechant.

      »Und beim Zeus,« fuhr der Zantner mit unmerklichem Lächeln fort, »zu wem halte ich lieber, wem diene ich lieber, auf wen verlasse ich mich lieber in allen Lagen des Lebens – auf den unscheinbaren, nachgeborenen Mann, der aus dem glänzenden Vaterhause entlaufen ist und von der Hand zum Munde lebt, oder auf den mächtigen Erstgeborenen, der im Vaterhause waltet und aus einer unermeßlichen Schatzkammer den Seinen darreicht, was sie bedürfen?«

      »Elegantissime!« sagte der Dechant. »Ich weiß, worauf Ihr zielet, Herr: auf den unausschöpflichen Goldhort der Kirche, auf die Verdienste der zahllosen Heiligen, an denen jeder Gläubige Anteil hat. Elegantissime! Ich neige mein Haupt voll Bewunderung. Und Ihr lechzet also danach, vor allem Volke die Ketten des lutherischen Irrtums abzustreifen und Euch ins Vaterhaus zurückzuwenden?«

      »Ich?« fragte der Zantner und lachte.

      »Nun ja doch, sollt' ich meinen!« murmelte der Dechant.

      »Lechzen? Ich?« wiederholte der Zantner und sah von oben her auf den Priester.

      »Herr,« stotterte der Dechant, »ich – ich – sollte doch – haben mich denn meine Ohren getäuscht? Seid Ihr noch immer in Euerm lutherischen Irrglauben befangen?«

      »Ich?« lachte der Zantner.

      »Ja, aber Ihr seid doch –?«

      »Der Herr von Zant, der seine Seele aus allem Gezänke erhebt in die krystallklaren Höhen des Aethers und den Harmonien der Sphären lauscht,« sagte der Landsasse und stand auf.

      »Aber Ihr habt ja doch Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht versprochen, Euch informieren zu lassen –!« rief der Dechant und erhob sich.

      »Bedarf ich der Information?« fragte der Zantner höflich.

      »– und Euch an Ostern zu accommodieren! Oder habt Ihr auch mit Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht Euern Spott getrieben?« fragte der Dechant und griff nach seinem Hute.

      »Meinen Spott?« lächelte der Landsasse. »Und wer sagt Euch denn, daß ich mich weigere?«

      Ueber das verwitterte Gesicht ging ein heller Schein: »An Ostern –?«

      »Nun ja denn, an Ostern!«

      »Vergebt, ich habe Euch vorhin doch wohl mißverstanden. Ihr inkliniert also zu der wohlerkannten Wahrheit unsrer Religion – Ihr glaubt?«

      »Glauben?« sagte der Zantner und sah den Priester scharf an. »Und wenn ich nun von dem ganzen Knäuel keinen Faden glaubte, Hochwürdigster?«

      »O, haltet ein!« rief der Dechant und hob seine Rechte. »Nur nichts überstürzen! Das andre wird von selber kommen. Erst der schuldige Gehorsam und hernach – eines nach dem andern!«

      Der Landsasse blickte von der Seite herüber und schwieg.

      »Kann ich Eure Hausfrau besuchen?«

      »Die ist zur Stadt gefahren.«

      »Und Eure älteste Tochter?«

      »Die ist seit Jänner in Hilpoltstein bei meinem Bruder.«

      »In Euerm Hause lebt aber auch noch Eurer Hausfrau Mutter? Vergebt, ich handle nur nach meiner Pflicht – kann ich sie besuchen?«

      »Der Weg ist frei,« sagte der Zantner.

      Der Dechant verneigte sich und ging aus der Stube.

      *

      Das Rädlein der Ahnfrau surrte, die Scheiter im Ofen krachten, und die Vögel vor dem Fenster pickten im Takte.

      Es pochte an der Thüre – die Ahnfran spann den Faden und rieb die Nase und hörte nichts.

      Es pochte wieder an der Thüre, aber das Rädlein surrte, die Scheiter krachten, und die Vögel vor dem Fenster pickten im Takte – die Greisin hörte nichts.

      Nun öffnete sich die Thüre, und das verwitterte Gesicht des Dechanten schob sich herein:

      »Um Vergebung, bin ich recht gegangen, seid Ihr die wohledelgeborene und tugendhafte Witwe Barbara von Breuning?«

      Die Ahnfrau spann und hörte nichts, der Dechant aber öffnete die Thüre noch weiter und schob den halben Leib herein.

      »Henkerdi, geht's da kalt 'rein!« sagte die Greisin vor sich hin und spann. Der Dechant aber trat ganz herein und schloß die Thüre hinter sich:

      »Um Vergebung, aber hört Ihr mich denn nicht?«

      »So kalt auf einmal!« murrte die Ahnfran. Dann hob sie wie von ungefähr die Augen und rief mit Empörung:

      »Was willst denn du da? Seit wann vergißt man denn 's Anklopfen? Du, das verbitt' ich mir, daß du's fein weißt, du da!«

      »Um Vergebung,« sagte der Dechant und machte einen Diener, »ich habe zweimal gepocht und keine Antwort bekommen.«

      »Ich kann dich nit verstehen,« rief die Ahnfrau. »Und geh du nur gleich wieder fort, ich brauch' nichts.«

      »Ihr könntet's meinem geistlichen Habit ansehen,« meinte der Dechant, »was mich zu Euch führt.«

      »Eine weidliche Habichtnasen hast? Ei, das seh' ich! Aber was kümmert's mich?« lachte die Ahnfrau. »Deswegen hättest du gerne drunten bleiben dürfen.«

      »An meinem geistlichen Gewande,« berichtigte der Dechant und sah sich nach einem Stuhle um.

      Mißtrauisch beobachtete ihn die Ahnfrau:

      »Was guckst dich denn so habgierig in meiner Stuben um? Du hast nichts Gutes vor, du bist mir sehr verdächtig, du.«

      »Ihr seid krank, und deswegen bin ich zu Euch heraufgestiegen,« schrie der Dechant.

      »Da versteh' ich gar nichts, kein bissel nicht,« sagte die Ahnfrau, schüttelte den Kopf und begann zu spinnen.

      »Krank!« brüllte der Dechant.

      »Krank?« fragte die Greisin, machte ein ängstliches Gesicht und zog ihr Kleid an sich. »Ei, da geh doch geschwind hinaus und laß dir eine warme Suppe geben drunten in der Kuchel! – Geh, sag' ich!«

      »Ihr,« brüllte der Dechant und demonstrierte mit Händen und Augen. »Todkrank an der Seele – da!« – Er wies auf ihre Brust. »Und 'n heuriger Hase seid Ihr auch gerade nimmer, also macht Reu' und Leid und bekehrt Euch von Euerm Luthertum!«

      Die Ahnfrau blickte zornig drein. Dann aber lachte sie und patschte sich auf die Kniee:

      »So, so, eine Suppe ist ihm nicht genug, einen geräucherten Hasen will er auch noch! Da wird's mit der Krankheit nicht gar so weit her sein. – Rettl!«

      »Hast denn ein Brettel vor dem Kopf?« murmelte der Dechant und brüllte:

      »Ich bin der Dechant von Allersburg und will Euch unterweisen im alleinseligmachenden Glauben!«

      »Was hast g'sagt?« fragte die Ahne und begann wieder zu spinnen.

      Der Dechant ließ die Lippe hängen und schwieg. Das Rädlein surrte, die Scheiter krachten, die Vögel pickten im Takte, und Rettl, die Magd, steckte den Kopf zur Thüre herein.

      »Habt's