Mami Staffel 7 – Familienroman. Lisa Simon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lisa Simon
Издательство: Bookwire
Серия: Mami Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740913953
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Rechtsanwalt gewesen und stolz darauf, daß sein Sohn den gleichen beruflichen Weg eingeschlagen hatte. Daß sein einziger Sohn seine Sekretärin heiratete, störte ihn nicht im geringsten. Er war sogar froh, daß Thomas endlich unter der Haube war und die kleine Enkeltochter wieder eine Mutter hatte.

      »Doris war eine merkwürdige Frau«, erzählte Klara Benedikt, Thomas’ Mutter, beim Hochzeitsessen. »Sie wirkte von Anfang an so kühl, daß es mich immer fror, wenn ich mit ihr gesprochen habe, nicht wahr, Vati?« Damit wandte sie sich an ihren Mann, der sich gerade ein weiteres Stück des leckeren Rehbratens auf den Teller legte. »Denk an deinen Cholesterinspiegel, Fried-rich.«

      Der schickte einen Blick gen Himmel, so daß Nicole herzhaft lachen mußte. Die beiden waren genauso reizend wie die kleine Familie, in die sie hineingeheiratet hatte…

      Später, als das junge Paar mit einem vor Erschöpfung eingeschlafenen Kind im zerknitterten weißen Kleidchen nach Hause fuhren, legte sich eine friedliche Stimmung über Nicole. In Gedanken ging sie den schönsten Tag in ihrem Leben noch einmal durch, sie wollte nicht eine Sekunde davon vergessen. Die festliche Trauung in der Kirche, das opulente Essen in dem Nobelhotel, die vielen Gäste und zahlreichen Glückwünsche – Nicole wußte, daß es noch lange dauern würde, bis sie die Erlebnisse dieses Tages verarbeiten konnte.

      Vorsichtig trug Thomas Sina in ihr Zimmer und legte sie auf das schon aufgeschlagene Bett.

      »Ich werde sie rasch ausziehen, damit sie bequem liegen kann«, sagte Nicole leise, um Sina nicht zu wecken. Aber sie hätte auch schreien können, das Mädchen schlief so fest, daß es selbst einen Bombeneinschlag nicht gehört hätte…

      Später saß das junge Ehepaar noch eine Weile im Wohnzimmer. Thomas’ Eltern hatten schon früher die Feier verlassen und dafür gesorgt, daß die Hochzeitsgeschenke aus dem Hotel zum Haus gebracht wurden. Jetzt schliefen sie im Gästezimmer im Obergeschoß; am übernächsten Tag wollten sie den Rückflug auf ihre geliebte Insel antreten. Nicole war ein wenig traurig darüber, weil sie die beiden in ihr Herz geschlossen hatte und sie ein wenig ihre eigenen, viel zu früh verstorbenen Eltern ersetzten. Aber im Herbst würden sie die Eltern in ihrer Finca besuchen, das mußten Thomas und Nicole versprechen…

      *

      Am nächsten Tag blieb Thomas zu Hause; er wollte sein junges Familienglück und die Anwesenheit seiner Eltern genießen. Eine Hochzeitsreise kam im Moment nicht in Frage, zu viele wichtige Prozesse standen in der nächsten Zeit an, und Thomas wollte nicht, daß seine Klienten von einem Kollegen vertreten wurden.

      Nicole hatte eine Woche vor der Hochzeit ihren letzten Arbeitstag gehabt. Ein wenig wehmütig blickte sie auf ihren aufgeräumten Schreibtisch, an dem ab dem nächsten Tag eine andere Sekretärin sitzen würde. Sorgfältig hatte Thomas nach einem Ersatz für Nicole gesucht, und hatte schließlich Frau Schamlott, seine Sekretärin in der früheren Kanzlei, überreden können, ihre Stelle zu wechseln.

      In den ersten Tagen war die neue Situation für Nicole ungewohnt gewesen, aber der Umgang mit Sina ließ eine wehmütige Stimmung gar nicht erst aufkommen. Dazu kam die Auflösung ihrer Wohnung und die Vorbereitungen für die Hochzeit, die Nicole so in Anspruch nahmen, daß Thomas lachend gesagt hatte: »Du bist ja beschäftigter als ich, Liebling!«

      Langsam entwickelte sich alles zu einem normalen Alltag. Morgens brachte Nicole Sina in den Kindergarten, den sie jetzt nur noch vormittags besuchte. Sie ließ es sich nicht nehmen, das Mittagessen für Sina zu machen, trotz der heftigen Proteste von Frau Wagner.

      »Ich komme mir sonst so nutzlos vor«, sagte Nicole, »der Vormittag ist so lang. Ich brauche mich ja sonst um nichts zu kümmern.«

      Frau Wagner und eine Zugehfrau sorgten dafür, daß es in Haus und Garten nur so blitzte vor Sauberkeit, und Nicole kam mit der Haushälterin zu dem Beschluß, daß sie mittags kochte und Frau Wagner wie bisher das Abendessen machte.

      Nicole arbeitete jetzt häufig im Garten, was ihr viel Freude bereitete. Sie hatte keinen blassen Schimmer gehabt von Rosensträuchern beschneiden, Unkraut zupfen oder den Rasen mähen, aber nach Frau Wagners fachmännischer Anleitung ging die Arbeit gut voran.

      Als es eines Morgens regnete, sagte Thomas, bevor er in die Kanzlei fuhr: »Mach dir doch einen gemütlich Vormittag auf der Couch, bis Sina nach Hause kommt. Lies ein Buch oder eine Illustrierte, da kommt bei diesem Wetter gar keine düstere Stimmung auf.«

      Nicole legte ihre Arme um Thomas’ breite Schultern. »Ich werde mich schon beschäftigten, bis ich unseren Wildfang vom Kindergarten abhole. Sina hat sich zum Mittagessen Milchreis gewünscht, und danach wollen wir ein neues Kleid für Flo nähen.«

      »Na, dann bist du ja für heute ausgebucht, Schatz!« Thomas gab seiner Frau einen zärtlichen Kuß und sagte leise: »Ich liebe dich«, bevor Sina fertig für den Kindergarten angezogen ins Zimmer gestürmt kam.

      »Warum muß ich überhaupt in den doofen Kindergarten?« fragte sie. »Nicole ist doch zu Hause.«

      »Weil der Umgebung mit anderen Kindern sehr wichtig für dich ist, mein Liebling«, antwortete Nicole und bückte sich, um ihr das T-Shirt in die Jeans zu stopfen. »Komm, gib mir einen Kuß.«

      Was Sina auch prompt tat. Es kam immer häufiger vor, daß sie Nicole mit Mama anredete, und diese freute sich sehr darüber.

      »Los jetzt, junge Lady, ab ins Auto. Ich muß pünktlich in der Kanzlei sein, und du solltest auch nicht zu spät im Kindergarten erscheinen.« Thomas hatte bereits seinen Aktenkoffer in der Hand und trug die Jacke seines hellen, leichten Sommeranzugs über dem Arm.

      Nicole begleitete ihre beiden Schätze an die Tür und winkte dem davonfahrenden Auto hinterher. Was war sie doch für ein Glückpilz, hatte den Mann geheiratet, den sie liebte und außerdem als zusätzliches Geschenk dessen bezauberndes Töchterchen bekommen. Es hätte alles so schön sein können, wenn…, ja, wenn ihr kleiner Sohn bei ihnen leben dürfte.

      Nicole schloß fröstelnd die Tür. Es war nicht kalt, aber die feuchte Luft kroch bis in die Knochen.

      Frau Wagner war mit der Zugehfrau dabei, die Gardinen im Obergeschoß abzunehmen und zu waschen, und Nicole kam sich ein wenig nutzlos vor. Vielleicht sollte sie den Ratschlag ihres Mannes annehmen und etwas lesen.

      Sie machte sich in der Küche eine Tasse Tee, nahm sich eine Zeitschrift von dem Tischchen in der Diele, die mit der Post gekommen war und zog sich ins Wohnzimmer zurück.

      Mehr oder weniger lustlos blätterte sie in der Frauenzeitschrift herum, die Thomas eigens für sie abonniert hatte. Die meisten Themen interessierten Nicole nicht; da ging es um Schminktips für extrem lange oder runde Gesichter, um Mode für Mollige und Tips für die Urlaubsreise. Doch dann blieb ihr Blick an einem Artikel hängen, in dem von einer Mutter die Rede war, die verzweifelt nach ihren Kindern gesucht hatte, die vom eigenen Ehemann entführt worden waren. Mit Hilfe eines Privatdetektives hatte sie sie wiedergefunden.

      Gefesselt las Nicole den Artikel wieder und wieder; sie ließ sich weder von Frau Wagners geschäftiges Treiben noch durch den Regen, der an die Fensterschreibe klopfte, ablenken.

      Und als sie zur Mittagszeit in ihren Wagen stieg, um Sina vom Kindergarten abzuholen, war ein kompletter Plan entstanden. Sie würde auch einen Detektiv engagieren, der dann das Ehepaar ausfindig machen sollte, das ihren Sohn adoptiert hatte! Möglicherweise konnte sie mit den Leuten reden und ihnen klarmachen, daß sie ihr Kind wiederhaben wollte. Vielleicht hatten sie ein mitleidiges Herz und gaben den Kleinen, der mittlerweile ein halbes Jahr alt war, heraus.

      Sina hatte schon ungeduldig auf Nicole gewartet. »Wo warst du denn so lange?«

      »Ich habe noch Milch geholt. Frau Wagner geht erst heute nachmittag einkaufen, und du wolltest doch deinen geliebten Milchreis haben.«

      »Ach ja, darauf habe ich auch schon großen Appetit!« sagte die Kleine und kletterte auf den Rücksitz.

      Auf der Heimfahrt plapperte

      Sina von ihrem Vormittag, mor-

      gen sollte ein richtiger Zauberer kommen, da mußte sie ganz,