Father2 Percy Franklin, der ältere der beiden Priester, eine ziemlich imposante Erscheinung, war trotz höchstens fünfunddreißig Jahren bereits vollkommen ergraut; aus seinen grauen, von dunklen Brauen überschatteten Augen leuchtete eine auffallende Lebhaftigkeit, doch ließen seine stark markierten Züge und die Entschlossenheit, die sich in seinen Lippen ausdrückte, keine weiteren Zweifel über die Festigkeit seines Willens entstehen.
Father Francis, der jüngere hingegen, der in dem hohen Stuhl auf der anderen Seite des Kamins saß, war ein Durchschnittsmensch; denn wenn auch seine braunen Augen angenehm und ausdrucksvoll blickten, so konnte man doch in seinem Gesichte keine Spur von Entschlossenheit finden; seine Mundwinkel und sein Augenaufschlag ließen vielmehr einen Hang zu der dem schwächeren Geschlecht eigenen Melancholie vermuten.
Mr. Templeton war ein sehr bejahrter Mann mit energischen Zügen, tiefen Runzeln, wie jedermann glatt rastert, und so lag er nun, in eine Steppdecke gehüllt, bequem auf seinem Wasserkissen. Endlich ergriff er das Wort, indem er zuerst einen Blick auf den zu seiner Linken fitzenden Percy warf.
»Ja«, sagte er, »es ist wohl schwer, sich an alles genau zu erinnern. In England wurde unsere Partei während der Tagung vom Jahre 1927 zum ersten Male wesentlich beunruhigt. Diese zeigte uns, wie tief die ganze soziale Atmosphäre vom Hervéismus3 durchdrungen war. Es hatte wohl vorher Sozialisten gegeben, aber keiner derselben konnte mit dem greisen Gustav Hervé verglichen werden, — wenigstens war keiner so einflussreich gewesen. Er lehrte, wie Sie vielleicht gelesen haben werden, absoluten Materialismus und Sozialismus, die er bis zu ihrem logischen Ausgang verfolgte. Der Patriotismus, sagte er, wäre ein Überrest der Barbarei und das wahrhaft Gute nur in sinnlichen Vergnügungen zu finden. Natürlich wurde er überall ausgelacht. Man sagte, dass es ohne Religion unmöglich wäre, unter den Volksmassen einen angemessenen Beweggrund zu selbst der einfachsten Form sozialer Ordnung zu finden. Aber allem Anschein nach hatte er recht. Nach dem Fall der französischen Kirche zu Beginn des Jahrhunderts und den Metzeleien von 1914 begann die Bourgeoisie sich zu organisieren; diese außergewöhnliche Bewegung setzte in allem Ernst ein und wurde von den mittleren Volksklassen weitergeführt, unter Beiseitesetzung allen Patriotismus, aller Rangunterschiede und nahezu ohne Waffen. Natürlich stand alles unter der Leitung der Freimaurer. Sie verbreitete sich nach Deutschland, wo bereits der Einfluss von Karl Marx —«
»Gewiss, mein Herr«, unterbrach ihn Percy in sanfter Weise, »aber möchten Sie uns, bitte, sagen, was in England geschah.«
»Ja richtig, England. Nun, im Jahre 1917 ergriff die Arbeiterpartei die Zügel, und der Kommunismus nahm damit eigentlich seinen Anfang. Daran kann ich mich allerdings nicht mehr erinnern, doch pflegte mein Vater ihn von diesem Zeitpunkte an zu datieren. Es war nur ein Wunder, dass alle diese Bewegungen nicht schneller um sich griffen, doch ich vermute, es steckte noch ein gutes Stück Torytum4 im Volke.
Auch vergeht ein Jahrhundert gewöhnlich nicht so schnell, wie man es erwartet, besonders dann nicht, wenn es mit großen Aufregungen begonnen hat. Aber damals entstand die neue Ordnung, und die Kommunisten haben, mit Ausnahme des unbedeutenden Falles im Jahre 1928, nie wieder einen ernstlichen Rückstoß erlitten. Blenkin gründete ›Das neue Volk‹, und die ›Times‹ kam in Verfall, aber sonderbarerweise hielt sich das Oberhaus bis zum Jahre 1935, wo es zum letzten Male fiel. Die Staatskirche hatte sich im Jahre 1929 endgültig aufgelöst.« —
»Und welche Wirkung hatte dies in religiöser Beziehung?«, fragte Percy schnell, da der Greis innehielt, sich räusperte und seinen Inhalationsapparat höher stellte. Dem Priester lag viel daran, bei diesem Punkte stehenzubleiben.
»Es war weniger ein Ereignis«, erwiderte der andere, »als vielmehr eine Wirkung an und für sich. Sehen Sie, nachdem die Ritualisten, wie man sie zu nennen pflegte, ihr Möglichstes getan hatten, um mit der Arbeiterpartei voranzukommen, vereinigten sie sich nach dem Kongress von 1919, wo das Nizäische Glaubensbekenntnis abkam, mit der Kirche; und wahre Begeisterung war nur unter ihnen selbst zu finden. Aber insofern als die endgültige Auflösung eine Wirkung hervorbrachte, bestand diese, glaube ich, darin, dass das, was von der Staatskirche übrig geblieben war, sich mit der Freien Kirche vereinigte, und die Freie Kirche war, im Ganzen genommen, nichts weiter als eine Schwärmerei. Nach den in den zwanziger Jahren stattgehabten erneuten Angriffen von deutscher Seite her war die Bibel als Autorität vollständig aufgegeben worden, und einige sind der Meinung, dass der Glaube an die Gottheit Christi schon im Beginn des Jahrhunderts nur noch dem Namen nach bestand. Dafür hatte die Kenotische5 Theorie schon gesorgt. Jene sonderbare kleine Regung unter den Anhängern der Freien Kirche hatte sogar schon früher begonnen, damals, als die Pastoren, die eben nur mit dem Strom schwammen — die sozusagen etwas Zugluft spürten —, ihre bisherigen Stellungen verließen. Es ist seltsam unter den Berichten aus jener Zeit zu lesen, wie man sie damals als Freidenker begrüßte. Und gerade dies waren sie nicht … Aber, wo war ich denn stehengeblieben. Ja, richtig — nun, dadurch bekamen wir freies Feld, und die Kirche machte während einiger Zeit außerordentliche Fortschritte, — das heißt außerordentlich im Hinblick auf die Umstände, denn Sie müssen bedenken, dass die Dinge sich damals anders verhielten, als es vor zehn oder zwanzig Jahren der Fall gewesen war. Ich will damit sagen, um mich kurz auszudrücken, dass man schon begonnen hatte, die Böcke von den Schafen zu sondern. Die religiösen Leute waren eigentlich durchweg Katholiken und Individualisten, die Gottlosen wollten von dem übernatürlichen überhaupt