Mami Staffel 3 – Familienroman. Gisela Reutling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gisela Reutling
Издательство: Bookwire
Серия: Mami Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959796736
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ist er nicht so verbiestert wie das Wetter hier!« kicherte Rena.

      *

      »Du meinst also, wir können Rena allein in der Küche zurücklassen und bekommen trotzdem einen guten Tee?« fragte Kai vier Stunden später.

      Ralf nickte voller Überzeugung. »Gut, dann zeige ich dir jetzt mal meine Praxis. Du wirst nicht gerade vor Neid erbleichen, aber so einer wie ich fängt eben klein an.«

      »Große Gemüter fangen immer klein an«, lachte Ralf und trat hinter Kai aus dem Wohnzimmer des Bauernhauses in den schmalen Flur und von da aus in die drei Praxisräume.

      Vor zwei Jahren nach Beendigung seiner Fachausbildung als Arzt für innere Medizin hatte Dr. Kai Hoffmann sehr schnell begriffen, daß sich ihm keine Chance bot, eine Praxis in einer Großstadt zu übernehmen. Kurz darauf war sein Vater gestorben und hatte ihm ein kleines Vermögen hinterlassen. Davon zahlte Kai das große Bauernhaus in Brädrum an und ließ sich dort als Arzt nieder.

      Inzwischen konnte er sich über einen zufriedenstellenden Zulauf an Patienten freuen. Sie kamen aus den umliegenden Dörfern und sogar die Brädrumer Omis und Opis, die sonst lieber in die nächste Stadt gefahren waren, vertrauten ihm jetzt nach langem Zögern. Reichtümer hatte er nicht angehäuft, aber das Haus war abbezahlt. In seiner freien Zeit beackerte er seinen Garten, ging sonntags sogar zur Kirche und verließ Brädrum nur, um irgendwo an einem Kongress teilzunehmen.

      Ralf hatte schon gefürchtet, sein Freund habe sich zu einem einsiedlerischen Kauz entwickelt. Aber Kai hatte sich wie ein Schulbub auf den Besuch des befreundeten Kollegen gefreut. Daß der seine Verlobte mitbrachte, damit hatte er allerdings nicht gerechnet, die beiden aber gleich zum Mittagessen in den Dorfkrug eingeladen, weil er der hübschen Rena nicht seine selbstgekochte Erbsensuppe vorzusetzen wagte.

      Danach auf dem langem gemeinsamen Spaziergang zur Förde, war dann die Sprache auf Klaudia gekommen. Kais Gesicht hatte ungewöhnlich harte Züge angenommen. Und wie Ralf vermutete, hatte er sich immer noch nicht ganz von dem Schock erholt, den ihm dieses Gespräch versetzte.

      »Weißt du«, begann er, als die beiden Freunde jetzt allein waren, »ich habe Klaudia einfach aus meinem Leben streichen müssen. Nur so ertrug ich die letzten Jahre. Sah ich ihren Mann im Fernsehen, konzentrierte ich mich nur auf seine Aussagen und ließ den Gedanken an seine Frau nicht an mich herankommen. Das erklärte auch, warum ich die Todesnachricht von diesem Redwitz gar nicht mit ihr in Zusammenhang brachte.«

      »Das ist ja auch schon drei Jahre her«, grummelte Ralf und betrachtete die nagelneue Ultra-Schall-Anlage voller Interesse.

      »Und sie hat keine Kinder mit ihm?«

      »Soviel ich von Rena weiß, nicht. Sie konzentriert sich ganz auf ihren Beruf. Außerdem ist da ja noch sein Sohn. Der muß jetzt elf sein. Rena hat ihn auf der Beerdigung gesehen und war ganz gerührt, weil dieser Bengel sich wie ein kleiner Lord benahm.«

      »Fff!« stieß Kai aus. »Wundert dich das? Klaudia wird ihn ganz in ihrem Sinne erziehen. Stinkvornehm und alles vom Feinsten. Sie wird nicht eher ruhen, bis der arme Junge sich zu einem Mann der Elite gemausert hat. Diese Kind kann mir jetzt schon leid tun.«

      Erstaunt wandte Ralf sich um. »Ich denke, du hast mit Klaudia abgeschlossen, sie aus deinem Leben und deinen Gedanken entlassen? Warum sprichst du dann so gehässig?«

      Nach einer Weile lachte Kai. Er fühlte sich ertappt, hatte aber schon eine Ausrede bereit. »Vielleicht, weil ich bis jetzt keine Frau traf, die ihr das Wasser reichen konnte.«

      Ralf schüttelte den Kopf. »Schau mal an. Aber weißt du es nicht?« schmunzelte er. »Rena wird ihr eines Tages das Wasser reichen. Sie sieht Klaudia, so wie sie ist – als ihre Chefin und Konkurrentin. Aber ich glaube nicht, daß sie sie für eine schlechte Mutter hält«, fügte er ernster hinzu.

      »Mutter!« Kai sah mit gespielter Verzweiflung zur Decke. »Klaudia ist trotz ihrer angenehmen Eigenschaften doch viel zu berechnend, um jemals so etwas wie Mutterglück zu empfinden.«

      »Früher hast du sie toleranter beurteilt, Kai.«

      »Na und? Wundert dich das?« gab der zurück, ohne eine Erwiderung zu erwarten.

      Rena hatte in seiner Junggesellenküche einen wirklich guten Tee zubereitet. Als die beiden Freunde zu ihr ins Wohnzimmer kamen, gestand sie Kai auch gleich, daß sie von seiner Erbsensuppe gekostet und sie sogar kalt als sehr schmackhaft empfunden hätte.

      »Das sagen Sie, um gut Wetter für sich zu machen«, neckte er sie. »Es ist überflüssig. Ich habe nichts gegen Sie. Heiraten Sie Ralf ruhig, aber machen Sie ihn ja glücklich. Und zur Trauung komme ich auch. Wenn Ihr wollt, als euer Zeuge.«

      Kaum hatten sie am niedrigen Tisch Platz genommen, stupste Ralf Rena an. »Wir müssen Kai einen weiteren Gast auf unserer Hochzeit ankündigen. Es wäre unfair, ihm zu verschweigen, daß auch Klaudia von Redwitz dabei sein wird.«

      »Ach!« stieß Kai hervor und stellte seine Tasse geräuschvoll auf die Untertasse zurück. Mit einer steilen Falte zwischen seinen Brauen sah er Rena an, als habe sie nun doch bei ihm verspielt.

      »Sie ist immerhin meine Chefin. Und außerdem freue ich mich auf ihr Gesicht, wenn ich erzähle, daß ich heiraten werde. Ich hoffe, sie wird vor Neid platzen«, rechtfertigte sich die junge Frau.

      »Sie wird hoffen, daß du aus der Redaktion aussteigst«, vermutete Ralf. »Ja, das wird spannend.«

      »Mach dir keine Hoffnung, mein Schatz. Ob ich weiterarbeite oder nicht, ihren Chefsessel gibt sie nicht her.« Übers ganze Gesicht strahlend hauchte Rena ihrem Ralf einen Luftkuß zu .

      »Warum neidisch? Ist Klaudia unglücklich?« fragte Kai. »Hat sie den Tod ihres Mannes noch nicht überwunden?«

      Rena überlegte. »Oh, das hat sie längst. Aber als man ihr den Jungen wegnahm, da war monatelang kein gutes Auskommen mit ihr. Sie hat sich in die Arbeit gestürzt und an allem und jedem herumgemäkelt. So schwierig war sie nicht mal nach ihrer Fehlgeburt.«

      »Fehlgeburt? Und den Jungen hat man ihr auch weggenommen?«

      Wie sehr Renas Worte Kai zu schaffen machten, wurde erst jetzt klar. Er erhob sich, ging einige Schritte in dem noch karg eingerichteten Zimmer auf und ab und hob dann plötzlich die Arme, um sich an dem tiefliegenden Deckenbalken abzustützen. So ließ er seinen Körper hin und herfedern, als ob er alle Sehnen und Muskeln bis zur Schmerzgrenze strecken müßte.

      »Warum anworten Sie nicht, Rena?« fuhr er die vor Schrecken Verstummte an.

      »Es ist so«, hilfesuchend sah sie Ralf an, »viel weiß ich ja nicht über Frau von Redwitz. Vor Jahren waren wir uns einmal ganz nah, fast wie Freundinnen. Es war an ihrem zweiten Hochzeitstag, da nahm sie mich mit in das riesige Haus an der Elbchaussee. Ich sah damals auch den kleinen Sandro. Mit dem kam sie nicht gut zurecht.« Sie dachte nach. »Was später geschah, erfuhr ich nur immer durch das Getuschel der Kollegen. Aber Frau von Redwitz steht unter dem Schutz unseres Verlegers. Da hütet sich jeder, Gerüchte in die Welt zu setzen oder Intrigen zu spinnen.«

      »Warum erwähnen Sie dann die Fehlgeburt und daß man ihr den Jungen wegnahm?«

      »Warum? Ist doch ganz klar. Was damals in Paris geschah, konnte nicht lange geheim bleiben. Sie wurde direkt von den Modenschauen für die Sommerkollektionen ins Krankenhaus gebracht. Das war vor vier Jahren. Und was den Jungen betrifft – Klaudia von Redwitz deutete nur einmal kurz an, daß Sandro wieder zu seiner Tante müsse. Woher soll ich wissen, warum?«

      »So schlecht kann sie nicht sein, daß man ihr das Kind ihres verstorbenen Mannes wegnimmt! Warum?« Kai schnaufte. Er ertrug es kaum, von Klaudias Kummer und Schwierigkeiten zu hören. Rena zuckte mit den Schultern. Er starrte sie noch wütender an. Warum verriet sie nur Bruchstücke über Klaudias Schicksal? Als langjährige Kollegin mußte sie doch vielmehr wissen!

      »Woher? Warum?« ahmte er sie gleich darauf nach. »Interessieren Sie sich denn gar nicht für Ihre Chefin, obwohl einmal so etwas wie freundschaftliche Nähe zwischen Ihnen bestand?«