Denn Leben und Tod haben mir ihre ältesten Geheimnisse zugeraunt, und alles, was Menschen vergebens zu lernen versuchten, hat für mich keine Rätsel.
Habe ich nicht alle Freuden dieser kleinen Welt gekostet – Freuden, die einen weniger mächtigen Körper als den meinen zu Asche verzehrt hätten?
Ich habe Tempel gebaut mit den Egyptern, mit den Königen von Indien und mit den Cäsaren; – ich habe Eroberern geholfen, eine Welt zu besiegen; – ich habe orgiastische Nächte durchschwärmt mit den Herrschern von Theben und Babylon; – ich bin von Wein und Blut trunken gewesen!
Die Königreiche der Erde und all ihr Reichtum, all ihr Ruhm sind mein gewesen! Mit jenem Hebel, den Archimedes erstrebte, habe ich Kaiserreiche emporgehoben und Dynastien über den Haufen geworfen. Und wie ein Gott habe ich die Welt in meiner hohlen Hand gehalten.
Alles, was Jugendschönheit und Weibesliebe geben kann, um die Herzen der Menschen zu erfreuen, habe ich besessen; – kein assyrischer König, kein Salomo, kein Herrscher von Samarkand, kein Kalif von Bagdad, kein Radscha des fernsten Ostens hat jemals geliebt wie ich; und in meinen Myriaden von Lieben habe ich die Verwirklichung alles dessen gefunden, was menschliche Gedanken jemals gedacht, was menschliche Herzen gewünscht und was menschliche Hände in jenem unzerstörbaren Marmor kristallisiert haben, – der dennoch eher vergänglich ist als meine eisernen Glieder.
Rot und frisch bleibe ich, wie der egyptische Granit, in den Könige ihre Träume von Ewigkeit eingruben.
Aber ich bin dieser Welt müde!
Ich habe alles erreicht, was ich wollte; ich habe keinen Wunsch gehabt, der mir nicht erfüllt worden wäre – außer dem einen, den ich jetzt so vergeblich hege und der mir nimmer erfüllt werden wird.
Keinen Gefährten habe ich auf dieser ganzen Erde, kein Herz, das mich verstehen kann, keine Seele, die mich um deswillen liebt, was ich bin.
Wollte ich aussprechen, was ich weiß, so könnte kein lebendes Wesen mich verstehen; wollte ich mein Wissen niederschreiben, so würde kein menschliches Hirn meinen Gedanken fassen. In der Gestalt eines Menschen – imstande, alles zu tun, was Menschen tun können, nur vollkommener, als sie es jemals vermögen – muß ich gleich diesen schwachen Brüdern leben, muß zu der Schwelle ihrer gebrechlichen Gemüter hinabsteigen und ihre winzigen Werke nachahmen, obwohl ich die Weisheit eines Gottes besitze! Wie töricht waren jene griechischen Träumer, wenn sie uns von Göttern sangen, die zu den Menschen niederstiegen, um die Liebe eines Weibes zu gewinnen. In andern Jahrhunderten fürchtete ich, einen Sohn zu zeugen – einen Sohn, dem ich meine unsterbliche Jugend hätte vererben müssen; – denn ich war eifersüchtig, mein Geheimnis mit irgend einem irdischen Wesen teilen zu sollen! Jetzt ist diese Zeit vergangen. Kein Sohn, in diesem Zeitalter, von dieser degenerierten Rasse geboren, könnte jemals mehr ein meiner würdiger Gefährte werden. Ozeane würden ihre Betten wechseln, neue Kontinente den smaragdenen Tiefen entsteigen, neue Rassen auf der Erde erscheinen, bevor er auch nur den kleinsten meiner Gedanken verstehen könnte ...
Die Zukunft hat keine Freuden mehr für mich: – ich habe die Phasen einer Myriade von Millionen Jahren vorausgesehen. Alles, was war, wird wieder sein; – alles, was sein wird, ist schon gewesen. Ich bin einsam wie ein Einsiedler in der Wüste, denn die Menschen sind in meinen Augen Puppen geworden, und die Stimme einer lebendigen Frau hat keine Süße mehr für meine Ohren.
Nur auf die Stimmen von Wind und Meer lausche ich – und dennoch machen auch sie mich müde ...
Und doch möchte ich endlose Jahre noch weiterleben, könnte ich nur mich selbst in andere glitzernde Welten versetzen, die von doppelten Sonnen beleuchtet und von Scharen ungeheurer Monde umkreist werden! – in andere Welten, wo ich Wissen fände, das meinem eigenen gleich käme, Herzen, die meiner Gemeinschaft würdig wären, und – vielleicht – Frauen, die ich lieben könnte – nicht hohle Leerheiten, nicht Elfenwesen gleich den Geistern der nordischen Sagen und gleich den gebrechlichen Müttern dieses winzigen irdischen Geschlechts, sondern Geschöpfe von ewiger Schönheit, würdig, unsterbliche Kinder zu gebären!
Ach, – es gibt eine Macht, die mächtiger ist als mein Wille, tiefer als mein Wissen – eine Kraft »taub wie Feuer, blind wie die Nacht«, die mich auf ewig an diese Welt der Menschen bindet.
Muß ich wie Prometheus an diesen Felsen gefesselt bleiben in nimmerendender Qual, zerhackt von dem scharfen Schnabel des Geiers der Verzweiflung?
Ich möchte leben, bis die Sonne trüb und kalt wird, und doch bin ich müde ...
Der Mond ist aufgegangen! O du leichenblasse tote Welt! – könntest du fühlen, wie fröhlich würdest du dein leichenhaftes Kreisen in der Nacht der Unendlichkeit enden und in jene dunklere Unendlichkeit versinken, wo auch die Träume gestorben sind!
Die Erscheinung der toten Kreolin
Das Wasser des Golfes war lau in der Wärme der tropischen Nacht. Ein riesiger Mond schaute auf mich hernieder, als ich dem palmumsäumten Ufer zuschwamm, und als ich mich umdrehte, sah ich die Takelage des Schiffes sich scharf von seiner glänzenden Scheibe abheben. Kein Laut! Das Wellengekräusel küßte schweigend und wie verschüchtert den braunen Sand, ein leiser Windhauch, getränkt mit Düften von Safran und Zimt und schlaftrunkenen Blumen kam über das Wasser, die Sterne schienen ferner als in anderen Nächten, die Leuchtfeuer von Southern Croß brannten ruhig ohne ein diamantenes Auffunkeln – ich lauschte einen Augenblick angstvoll – mir war es, als könne ich die Nacht atmen hören, – in langen, bangen Seufzern. Diese Vorstellung schwand ebenso schnell, wie sie gekommen war. Die Schiffsglocke kündete die erste Stunde des Morgens. Ich stand wieder an dem Gestade, wo ich als Kind gespielt hatte, und sah durch die Palmen die bleichen Häuser der phantastischen Stadt dort oben, aus der ich vor siebenundzwanzig langen Jahren mit Blut an den Händen geflohen war.
War es eine Zaubernacht, daß die Stadt in so tiefem Schlummer lag und der Sereno auf seinem Posten schlief, als ich vorüberging? Ich weiß es nicht, aber es war gut für ihn, daß er schlief! Ich ging geräuschlos wie der Schatten des Todes durch die alten Straßen und durch die Schatten der vorspringenden Altane, ging über die Plaza, die durch den Schein des tropischen Mondes nicht erhellt war und wo die Türme der Kathedrale gespenstische Gestalten auf das Pflaster warfen; schmale Gassen ging ich, wo das sternbetupfte Blau des Himmels über mir nur wie ein azurnes Band aussah, an seinen Kanten durch die scharf vorspringenden Altane ausgezackt und gezähnt, und dann schritt ich wieder in den weißen Mondschein hinein, wo Orangenbäume die warme Luft wie ein Brautgemach mit Wohlgerüchen erfüllten, und immer weiter schritt ich, dahin, wo alte Zypressen mit Wurzeln und Zweigen ächzten und sich wanden wie in den Qualen eines tausendjährigen Todeskampfes, geisterhaft über die Gräber geneigt. Riesenhafte Spinnen webten ihr Netz unter dem Mond zwischen den Mauern der Gräber, Nattern glitten über meinen Fuß. Der Vampir schwebte oben unter den Sternen und Leuchtkäfer kreisten wie Totenlichter um die Ruhestätten der Toten. Starke Weinreben umrankten den grünbemoosten Marmor, der Efeu grub seinen Eidechsenfuß in das Gestein; Lianen hatten einen Schleier – dick wie den der Isis – über die Inschriften auf den Gräbern gewebt. Aber ich fand ihr Grab! Ich wollte es finden, hatte ich mir geschworen, und sollte ich es im Rachen von Tod und Hölle suchen!
Ich riß die giftigen Pflanzen weg, die sich gleich Reptilen an den Marmor klammerten. Und das Blut tropfte von meiner Hand auf ihren Namen mit einem dumpfen, schweren Laut, wie geschmolzenes Blei, – auf die Blätter der ausgerissenen Pflanzen zu meinen Füßen.
Und die toten Jahre standen aus ihren Gräbern im Nebel auf und reihten sich um mich. Ich sah die bemooste Terrasse, wo ich den ersten Kuß von ihr bekam, der meine Adern mit Wahnsinn füllte; die Marmorurnen mit ihren geschnitzten Reliefs nackter, tanzender Knaben; die versiegte Quelle, von Wasserlilien überwuchert; die riesengroßen Blumen, die ihre Herzen dem Monde erschlossen. Und sie! – die geschwungenen Umrisse dieses Körpers aus korinthischer Bronze, unverhüllt durch die Federleichtheit des weißen Kleides, das sie