Die Babenberger sind an allem Schuld. Hubert Hinterschweiger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hubert Hinterschweiger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783902998392
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viel herum, hört viel und ist auch durch den Investiturstreit etwas irritiert und verunsichert: Er trotzt und findet ausreichende Vorhalte, um die Waffenhilfe zu verweigern.

      Man darf nicht glauben, dass die Markgrafen in ihrer Heimat der Ruhe frönten und keinen Blick für die nähere und weitere Umgebung hatten. Ostarrichi ist klein und wirklich uninteressant. Um ein wenig die Luft der Großen mitschnuppern zu können, muss man hinaus in die weite Welt, auf sich aufmerksam machen. Damals führte der Weg zum Ziel, denn Reisen war alles andere als vergnüglich.

      Man zeigt sich, erstattet höfliche Besuche und während gebührlichen Parlierens hört man viel, erfährt das Neueste und hat die Möglichkeit, zarte Bande zu knüpfen. Nur wer die persönlichen Kontakte aufrechterhält, hat die Chance allgemeiner Beachtung. Man wird es immer wieder erleben, dass die Babenberger diplomatische Gesprächspartner sind, Vermittler und Berater. Sie haben eine wunderbare Fähigkeit, statt des Schwertes den Geist und die Zunge zu schärfen. Vielleicht geschah es auch bei einem dieser vielen nachbarschaftlichen Besuche, dass die erste Ehe des Markgrafen mit der Schwester des Bischofs Meinwerk von Paderborn angebahnt wurde. Die zweite Frau Markgraf Adalberts war Froiza (Frowiza), die ältere Schwester König Stephans. Diese war in erster Ehe mit dem venezianischen Dogen Pietro Orseolo II. verheiratet gewesen, dem sie einen Sohn namens Peter gebar. Männer der großen Welt fanden es völlig richtig, nach dem Hinscheiden ihrer ersten Gemahlin nach neuen Frauen mit entsprechendem Background und entsprechender Mitgift Ausschau zu halten. Gerade den Ehefrauen war nicht immer ein langes Leben beschieden. Bedenkt man die fast jährlichen Geburten, war es eine Frage von wenigen Jahren, bis eine Frau aufgrund mangelnder Hygiene im Kindbett starb.

      Natürlich ist die Verpflichtung als Gefolgsmann des Kaisers oder Herzogs eine willkommene Abwechslung der Selbstdarstellung. Kriegszüge gegen diesen oder im Alleingang sind ebenso an der Tagesordnung. Mit einem Wort, es ist nicht mehr nachvollziehbar, aber um auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen: Markgraf Adalbert ist derzeit unleidlich. Auch durch ruhige Verhandlungen sind die Querelen und Vorwürfe des Babenbergers nicht zu beseitigen, und um nicht zu viel Zeit zu verlieren und den Überraschungseffekt nicht zu versäumen, zieht der Kaiser 1030 alleine los. Es wurmt ihn schon sehr, an Strafe wird auch gedacht und bei dem Gedanken an die verschiedenen Möglichkeiten zuckt ein Schmunzeln über das Gesicht des Herrschers. Also setzt sich der ganze Heerzug wohlgeordnet Donau abwärts in Bewegung, erreicht ohne wesentliche Zwischenfälle die Fischa, und plötzlich wird es offensichtlich: Der Nachschub kann mit dem Vorrücken nicht Schritt halten. Es ist wie verhext, kein Nachschub in Sicht, keine Ernte, die heranreift, um eingebracht zu werden, schon gar keine vollen Vorratskammern in den Bauernhäusern und fast leere Heuschuppen. Was folgt, ist Hunger und damit eine lasche Kriegsführung. Mit einem Wort, das Heer kommt zum Stillstand. Das ist Wasser auf die Mühlen König Stephans von Ungarn. Staubwolken, Rauchfahnen, wohin das Auge blickt, vorbeihastende Flüchtlinge, die unartikulierte Schreie von sich geben, lassen den Kaiser zur Einsicht kommen, dass ein organisierter Rückzug auch nicht unbedingt eine verlorene Schlacht bedeutet. Aber der militärische Rückzug ist löchrig, die Ungarn durchbrechen die Reihen des Reichsheeres und stürmen bis Wien vor.

      Die Rückkehr nach Wien erfüllt nicht die Erwartungen des Kaisers, denn die Magyaren empfangen den obersten Kriegsherrn eher unfreundlich und nehmen ihn und einen Großteil des Heeres gefangen. Vienni, wie man das ehemalige römische Kastell und das werdende Wien nennt, ist von den Ungarn besetzt. Mühselig erobertes und befriedetes Land befindet sich wieder in ungarischer Hand. Mit dem Sieg verbunden werden Forderungen gestellt. Gebiete um Fischa, Donau und Leitha müssen an die Ungarn abgetreten werden. Die Wogen der Emotionen glätten sich, Markgraf Adalbert schaltet sich in der Nachdenkpause als Vermittler ein und versucht die gegenseitigen Drohgebärden mit Fußaufstampfen aus der Welt zu schaffen. König Stephan wie auch der Kaiser finden durch vernünftige Worte den Weg zum Regensburger Frieden 1031.

      Die Freude und das deshalb überschäumende Temperament der heutigen, friedlichen Nachbarn sind grenzenlos. »Aha«, denken diese nun, »so geht’s weiter«, und wiederholen ohne Umschweife die mörderischen Einfälle.

      Selbst gekrönte Häupter leben nicht ewig. Auch König Stephan von Ungarn muss einmal von dieser Welt abtreten. Die Nachfolgefrage wird akut, umso mehr als die beiden Söhne des Königs schon vor dem Ableben des Herrn Papa das Zeitliche gesegnet hatten. Und schon wieder ist sie sichtbar, die Vormundschaft des Kaisers. Natürlich will Kaiser Konrad einen Mann seiner Wahl in Ungarn zum König investieren, aber es geht nicht, nicht mit den Ungarn.

      Der in Venedig erzogene Peter erinnert sich seiner ungarischen Wurzeln, erkennt seine Chance und schwingt sich in den Sattel. Mit Hilfe seiner Freunde lässt er sich zum König von Ungarn krönen. Es war für beide Teile keine glückliche Lösung. An und für sich war er kein Mensch hoher Moral. Zwischendurch beraubte er die Witwe Stephans all ihrer Güter und hatte auch sonst weder eine gute Hand noch einen guten Willen für ungarische Anliegen. Sein ungarischer Rivale, Samuel Abas, vernahm das Murren, erkannte seine Chance und vertrieb so unauffällig wie möglich diesen ungeliebten Venezianer. Wirklich, zum Helden war er nicht geboren, der Dogensohn. Ohne viel Zaudern flüchtete er unter die Fittiche Markgraf Adalberts. Das wiederum war Abas nicht genehm, und unter größter Geheimhaltung bereitete er einen Kriegszug gegen die Markgrafschaft vor. Adalbert und sein Sohn Luitpold erkundeten unter dem Schutz einer kleinen Streitmacht routinemäßig das Gebiet nördlich der Donau und wunderten sich über den plötzlich ruhig gewordenen Bereich. Mit wachsendem Erstaunen und deutlicher Beunruhigung vermerkten sie, dass weder Reisende noch Händler ihre Wege kreuzten. Das war äußerst verdächtig. Und schon bestätigte sich der Verdacht, denn eine weithin sichtbare Staubwolke verkündete herangaloppierendes Unheil. Die Nacht und der folgende regnerische, stürmische Tag verschaffte dem Markgrafen die Möglichkeit, seine Getreuen um sich zu scharen und in einem Waldstück den unbekümmert herandonnernden Ungarn einen unerwarteten Empfang zu bereiten. Die Magyaren, völlig überrumpelt, suchten in heilloser Flucht ihr Leben zu retten, wobei nur die auf den schnelleren Pferden Glück hatten. Adalbert blieb Sieger.

      Dieses Spiel wiederholte sich über Jahre, immer wieder drangen die Ungarn ein, immer wieder wurden sie zurückgetrieben. Erst in der Schlacht von Menfö an der Raab 1044 wurde mit Hilfe des Böhmenherzogs Bretislav und des Bischofs Gebhard III. von Regensburg, einem Bruder Kaiser Konrads II., den Ungarn eine vernichtende Niederlage zugefügt. Wie üblich hatte der Sieger und in diesem Fall der Kaiser unbedingt das Sagen. Nicht nur, dass die vordem abgetretenen Gebiete zurückerstattet werden mussten, es wird noch mehr begehrt: einige Gebiete im Osten, von den Leiser Bergen bis zur March und im Süden bis zur Fischa. Es sind zwar eigene Marken, die »Böhmische« und die »Neumark«, aber sie werden an Adalbert verliehen und das Gebiet dadurch vergrößert.

      Wenn manche Angaben in Bezug auf Eroberungen, Schenkungen oder sonstigen Landzuweisungen keine genaue Übereinstimmung mit nachfolgenden Schilderungen finden, ist das leicht erklärt. Genau umrissen war die Markgrafschaft noch immer nicht, denn dauernde Kämpfe bedeuteten auch dauernde Grenzverschiebungen. Und wenn der Kaiser oder König neu zu eroberndes Land verschenkt? Wer kennt das Land genau, das noch nicht oder gerade erst erobert wurde? Die Schenkungen, die Urkunden waren eher nebulos, denn man wusste von dem Gebiet wenig oder gar nichts.

       Reliquien und was man alles unternimmt, um sie zu besitzen

      Und schon wieder stolpert man über ein weiteres räuberisches Beispiel aus vergangenen Tagen: Zur Zeit Ottos III., so um 995, zog Bischof Adalbert von Prag missionierend bis nach Preußen, wo er wirklich nicht liebevoll empfangen wurde. Trotz seiner Beteuerungen, den ungarischen König Stephan getauft zu haben, musste er sein Leben als Märtyrer hingeben und fand im polnischen Erzbistum Gnesen seinen himmlischen Frieden. Jetzt, als Sieger gestärkt, wollte der Böhmenkönig Bretislav ein eigenes Erzbistum in Prag einrichten, erinnerte sich des Märtyrers und überfiel Gnesen, um die sterblichen Überreste Bischof Adalberts nach Prag zu bringen. Der Überfall gelang, soll man sagen »mit Gottes Hilfe«? Jedenfalls war die Erleichterung groß, denn erst mit einer Reliquie in der Unterkirche, der Krypta, mit einem Heiligen, der noch alle seine Gebeine beisammen hatte, war für Schutz und Wohlwollen des Landes gesorgt.

      Die Grenzfeste Heimenburg an der Donau wurde durch