Rander und Parker stiegen aus und warteten auf Bedienung. Mike Rander, der sich eine Zigarette angezündet hatte, sah sich genauer um.
Sein erster Eindruck vertiefte sich.
Der Schrottplatz bestand aus einem Geviert, das von drei Brandmauern und einer Mauer mit dem Zugangstor begrenzt wurde. An der linken Brandmauer zog sich langgestreckt ein Steinbau entlang, dessen Verputz bereits in großen Fladen abgeblättert war. Alles hier auf dem Platz wirkte verrostet, verkommen, unaufgeräumt.
»Warten Sie hier, Parker, ich werde mal zum Haus hinübergehen«, sagte Rander. Er schob sich den Hut etwas ins Genick und marschierte auf den einstöckigen Steinbau zu. Hier in dieser tiefen Schlucht, die aus den haushohen Brandmauern gebildet wurde, herrschte lastende, bleierne Hitze.
Rander stieß die Tür auf und sah in den Raum hinein, der mit vielen verschiedenartigen Möbeln eingerichtet war. Vor dem Fenster stand ein mächtiger Schreibtisch, der mal bessere Tage gesehen haben mußte. Hinter diesem Schreibtisch saß ein fetter, schwitzender Mann, der nur ein Netzhemd und eine Hose trug. Er kaute hingebungsvoll auf seiner Zigarre herum und hob nur andeutungsweise den Kopf, als er Rander sah.
»Ich störe hoffentlich nicht«, sagte Rander lächelnd.
»Doch, tun Sie«, erwiderte der Mann. Seine Stimme klang quäkend und wirkte unangenehm.
»Dann bin ich ja beruhigt«, frotzelte Rander, der sich grundsätzlich nie verblüffen ließ. »Ich will Ihnen ein Geschäft vorschlagen.«
»Ein Geschäft...?«
»Ich bin Schriftsteller«, redete Rander weiter. »Ich schreibe an einer Serie unaufgeklärter Verbrechen.«
»Ach, die alte Leier«, sagte der Mann und rülpste zur Abwechslung. »Sie sind bestimmt der zwanzigste, der über die alte Geschichte schreiben will.«
»Es ist immerhin eine interessante Geschichte«, sagte Rander.
»Für mich nicht mehr«, brummte der Mann. »Wenn Sie wollen, können Sie die Wände abklopfen, den Boden umgraben und mit einem Minensucher herumspüren. Hauptsache, meine Kasse stimmt.«
»Wie teuer sind Sie?«
»Für ein Interview verlange ich grundsätzlich hundert Dollar.«
»Die werden Sie bekommen, Mr. Linen.«
»Die will ich erst mal sehen. Sagen Sie, was ist das für ein Rabe, den Sie da mitgebracht haben?«
Der Fette deutete mit der Zigarre durch das blinde Fenster. Er meinte Butler Parker, der suchend auf dem Schrottplatz umherschritt.
»Das ist mein Butler«, sagte Mike Rander.
»Donnerwetter, müssen Sie aber ’n vornehmer Schriftsteller sein.«
»Gehen wir hinaus«, schlug Rander vor. »Hier sind übrigens die Scheinehen.«
»Die sind steuerfrei für mich. Eine Quittung bekommen Sie nicht.«
»Ich kann es zur Not verschmerzen«, antwortete Rander. »Waren Sie damals auf dem Schrottplatz, als das Feuergefecht stattfand?«
»Natürlich, ich habe alles aus nächster Nähe gesehen«, antwortete Lemmy Linen grinsend. »Mein lieber Mann, war das damals eine wilde Schießerei!«
»Ich glaube, Sie sollten mir alles der Reihe nach erzählen«, meinte Rander interessiert. »Kümmern Sie sich nicht um meinen Butler. Er hat eine Schwäche für alte Autos.«
»Ach so, das ist es«, erwiderte Linen und begann wieder auf der Zigarre herumzukauen. Mike Rander hörte gespannt auf das, was Lemmy Linen zu erzählen hatte. Endlich erfuhr er aus erster Hand, was sich damals abgespielt hatte...
*
Lemmy Linen und Mike Rander hatten längst die Steinbaracke verlassen.
Der Schrotthändler hatte sich in Eifer geredet und erklärte Rander alles ganz genau. Er beschrieb den Standpunkt des Wagens, der fast in der Einfahrt zum Schrottplatz stehengeblieben war, berichtete, wo der Polizeibeamte erschossen wurde und wo der Gangster Glenn Torch auf der Strecke blieb. Kurz, er konnte sich an jede kleinste Einzelheit erinnern.
Josuah Parker wanderte unterdessen kreuz und quer über den Schrottplatz und näherte sich wie zufällig der Steinbaracke. Josuah Parker sah, daß sein Butler in diesem Bau verschwand, vermied aber peinlich, Lemmy Linen darauf aufmerksam zu machen.
»Ihr Platz gleicht einer richtigen Mausefalle«, sagte er zu dem Schrotthändler. »Wie konnte Butch Debtor Ihrer Meinung nach entkommen, Mr. Linen?«
»Was glauben Sie, wie oft ich schon danach gefragt worden bin«, antwortete der Schrotthändler. »Aber ich kann wirklich keine Antwort darauf geben, verstehen Sie? Sie müssen sich mal vorstellen, was damals hier los war. Die Polizei feuerte aus allen Rohren, die Gangster ballerten zurück, was das Zeug hielt. Ich hockte in der Steinbaracke und habe mich kaum getraut, den Kopf hochzuheben. Und dann warfen die Polizisten auch noch mit Tränengas. Da war es mit dem Zusehen ganz Essig.«
»Man hat Sie damals festgenommen, Mr. Linen?«
»Warum soll ich das verschweigen?« fragte Linen zurück. »Meine Unschuld hat sich ja bald herausgestellt.«
»Was hat man Ihnen vorgeworfen?«
»Ich soll diesen Sack mit Geld versteckt haben«, meinte Linen. »Verrückte Idee. Die Polizei hat meinen Platz auf den Kopf gestellt, das können Sie mir glauben Sie hat jeden Quadratzentimeter abgesucht.«
»Aber das Geld blieb verschwunden, wie?«
»Nicht einen einzigen Schein konnte man entdecken.«
»Angenommen, die Gangster brachten das Geld mit hierher«, sagte Mike Rander. »Wohin könnten Sie es versteckt haben?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Linen. »Sie sind doch auf dem Platz. Wo hätte man so einen vollgestopften Sack verstauen sollen, ja, wo? Und das alles in dieser Aufregung? Nee, nee, meine Meinung ist die, daß die Gangster die Scheine unterwegs losgeworden sind.«
»Wie aber konnte einer der Gangster verschwinden?«
»Sehen Sie die Wand da hinten?«
Lemmy Linen hatte sich etwas umgedreht und zeigte auf die niedrigste der drei Brandmauern. Hinter ihr war ein flaches, geteertes Dach zu erkennen. Es stand auf einem Nachbargrundstück.
»Eine ganz glatte Mauer«, sagte Mike Rander.
»Das ist eben der Irrtum«, antwortete Linen. »Wir sollten mal näher rangehen. Dann werden Sie merken, worauf ich hinaus will.«
»Ich lasse mich gern überraschen«, sagte Rander lächelnd. »Noch weiß ich nicht, worauf Sie anspielen.«
Sie gingen um einen Berg von Autowracks herum und blieben am Fuß der Mauer stehen.
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