Karin Bucha Staffel 4 – Liebesroman. Karin Bucha. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karin Bucha
Издательство: Bookwire
Серия: Karin Bucha Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740921576
Скачать книгу
lähmte sie, Schauer rannen ihr über den Leib. Über ihre Stirn rieselte es warm. Blut.

      Mit Aufbietung aller Kraft tastete sie sich zu Murphy, erwischte ihn bei der Schulter und rüttelte ihn.

      »Aufwachen! Aufwachen! Der Dicke – das Flugzeug!«

      In der Nähe knackten Zweige. Schritte entfernten sich schnell, ein Propeller wurde angeworfen, das Brummen wurde stärker und stärker.

      Dann brauste es über sie hinweg.

      »Das Flugzeug!« schrie Ingrid in wilder Verzweiflung, dann glitt sie wieder zurück – glitt in tiefe Bewußtlosigkeit.

      Auch Murphy hatte begriffen.

      Verrat!

      Nawarra hatte ihn verraten!

      Steif aufgerichtet stand er und starrte in den blaugrauen Himmel, der die Nacht ankündigte.

      *

      Indessen waren Hellberg, Mayring und Harry Ohnesorg glatt in Lima gelandet.

      Nun standen sie auf dem Flugplatz in Lima und unterzogen sich der Kontrolle.

      »Warten Sie hier, ich erkundige mich indessen, wann Nawarras Flugzeug eingetroffen ist. Nach meiner Berechnung muß das schon vor einer Stunde geschehen sein.«

      Michael und Harry nickten, und rasch entfernte sich Doktor Hellberg.

      »Ein fabelhafter Mensch«, sagte Harry, und das kam aus tiefstem Herzen.

      Doktor Hellberg kam zurück. Er sah recht verzagt aus und war in großer Erregung.

      »Merkwürdig«, erklärte er, »das Flugzeug ist überfällig.«

      »Auch das noch«, entfuhr es Michael erschrocken. »Wenn sie verunglückt wären und lägen irgendwo mit zerschmetterten Gliedern…«

      Hellbergs Unruhe stieg, schließlich ertrug er das lastende Schweigen, das schon geraume Weile zwischen ihnen herrschte, nicht länger.

      »Jetzt fahren wir zur Regierung«, sagte er hart und entschlossen.

      Sie verließen gemeinsam den Flugplatz und ließen sich in das Zentrum der Stadt, zum Regierungsgebäude fahren.

      Konsul Wacker hatte ihnen bereits den Weg geebnet. Unverzüglich wurden sie beim Präsidenten vorgelassen, der ihnen mit Zeichen größter Erregung, aber auch mit Mißtrauen entgegenkam.

      Der Flugplatz von Lima war bereits durch Scheinwerfer taghell erleuchtet, als Nawarras Flugzeug den Platz umkreiste und dann zur Landung niederging.

      Drei Herren schritten eiligst auf das Flugzeug zu, warteten, bis die Leiter angesetzt war und die Tür von innen geöffnet wurde.

      Nawarra erschien als erster, etwas später der Funker und dann der Pilot.

      »Exzellenz Nawarra!«

      Der Dicke fuhr herum, sah sich den drei Herren gegenüber und erbleichte.

      Blitzschnell hatte er sich jedoch wieder in der Gewalt.

      »Bitte, meine Herren?«

      »Draußen wartet das Auto. Präsident Santago erwartet Sie zu einer wichtigen Konferenz«, sagte einer der Herren.

      Nawarra lächelte verbindlich. Es lag etwas Verkrampftes in diesem Lächeln.

      Im Vorzimmer des Präsidenten mußte er warten. Dafür verschwand einer der Herren hinter der Tür zum Zimmer Santagos.

      Nawarra wanderte hin und her, von der Tür zum Fenster und wieder zurück. Weshalb gingen die beiden anderen nicht? Stand er bereits unter Bewachung?

      Er warf den Kopf ein wenig in den Nacken. Unsinn!

      »Präsident Santago erwartet Sie!«

      Nawarra verneigte sich leicht und ging mit unsicheren Schritten durch die weitgeöffnete Tür.

      Als hätte der Blitz neben ihm eingeschlagen, nicht fähig, auch nur einen Schritt vorwärtszusetzen, stand er dann in dem weiten, kühlen Raum.

      Präsident Santago saß hinter seinem Schreibtisch, und ihm gegenüber…

      Nawarra schien das Blut in den Adern zu erstarren. Das waren die Begleiter der Mädchen. Mayring – der blonde Junge – und der andere – Hellberg!

      »Das haben Sie wohl nicht erwartet?« hörte er die Stimme des Präsidenten, die mit Hohn und Verachtung getränkt war, an sein Ohr schlagen.

      Davonlaufen! Er dachte an die Herren, die im Vorzimmer saßen, und fühlte Angstschweiß ausbrechen.

      »Ich verstehe nicht«, erwiderte er unsicher. Noch gab er sich nicht geschlagen.

      »Sie sind allein angekommen, Nawarra?« fragte Santago weiter.

      »Gewiß, Herr Präsident. Die Herren meiner Begleitung haben Rio schon früher verlassen.«

      »Die Herren…« Santago durchschnitt mit einer herrischen Handbewegung die Luft. »Ich meine Doktor Murphy und die beiden Damen.«

      Nawarra war es zumute, als weiche der Boden langsam unter seinen Füßen, Zoll um Zoll. Der Ton des Präsidenten, dazu die drei Männer, die mit unbeweglichen Gesichtern zu ihm herübersahen.

      Gab es noch einen Ausweg für ihn? Half ihm das Weiterlügen? Natürlich. Wer sollte ihm etwas beweisen?

      Er nahm alle seine Kaltblütigkeit zu Hilfe.

      »Sie stellen recht seltsame Fragen, Herr Präsident. Wie soll ich wissen, wo sich die Herrschaften aufhalten? Sicherlich in Rio.«

      Kaum hatte er es gesagt, merkte er, daß er eine Riesendummheit begangen hatte. Wenn die Männer da waren, dann war ihre Abfahrt in Rio doch beobachtet worden?

      Schon donnerte des Präsidenten Stimme dazwischen:

      »Lügen Sie nicht so plump, Nawarra! Sie haben zwei Damen gegen ihren Willen entführt, die sich in Begleitung der Herren hier befanden. Wo steckt Ihr Komplice? Und wie steht die Sache mit Professor Mayring?«

      Hilflos klappte Nawarras Kinnlade herab. Es sah aus, als taumle er.

      Santago sprach schon weiter.

      »Nawarra, geben Sie Ihr Doppelspiel auf. Sie können Ihre Lage bedeutend erleichtern, wenn Sie den Herren hier den Weg zu den beiden Damen weisen. Wo halten Sie sie versteckt?«

      »Herr Präsident, ich schwöre, ich bin allein angekommen.«

      Ganz bedächtig hatte Doktor Hellberg sich erhoben und ging quer durch das Zimmer auf Nawarra zu.

      Fast ängstlich wich dieser unter den drohend auf ihn gerichteten, merkwürdig hellen Augen zurück.

      »Sie behaupten, nicht mit den Herrschaften hier angekommen zu sein?«

      Flehend hob Nawarra die fleischige Hand.

      »Ich schwöre…«

      »Gut. Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Außerdem sind Sie bei der Ankunft scharf beobachtet worden. Sie werden mir aber sofort verraten, wo Sie die übrigen an der Strecke abgesetzt haben.«

      Nawarra starrte den Sprecher wie einen Geist an. Unbeherrscht stieß er hervor:

      »Woher…«

      Verächtlich maß Doktor Hellberg die Jammergestalt. Halb zu Michael und Harry, die gespannt mit vorgebeugtem Oberkörper die Szene verfolgten, halb zu dem Präsidenten gewandt, erklärte er mit stoischer Ruhe:

      »Sehen Sie sich Nawarras Anzug an. Wer den Busch so gut kennt wie ich, weiß, daß dieser Mann die Spuren des Urwaldes an seiner Kleidung trägt.«

      Ein Fluch fuhr über Nawarras Lippen.

      »Sie sind ein Teufel!« stieß er, nunmehr die Maske fallen lassend, hervor.

      Im Nu packte Hellberg den wie wild mit den Armen um sich schlagenden Mann und schüttelte ihn ohne große Anstrengung hin und her.