Aus unserem gemeinsamen Vorwort zur deutschen Ausgabe von 1872 zitiere ich das Folgende:
»Wie sehr sich auch die Verhältnisse in den letzten fünfundzwanzig Jahren geändert haben, die in diesem ›Manifest‹ entwickelten allgemeinen Grundsätze behalten im ganzen und großen auch heute noch ihre volle Richtigkeit. Einzelnes wäre hier und da zu bessern. Die praktische Anwendung dieser Grundsätze, erklärt das ›Manifest‹ selbst, wird überall und jederzeit von den geschichtlich vorliegenden Umständen abhängen, und wird deshalb durchaus kein besonderes Gewicht auf die am Ende von Abschnitt II vorgeschlagenen revolutionären Maßregeln gelegt. Dieser Passus würde heute in vieler Beziehung anders lauten. Gegenüber der immensen Fortentwicklung der großen Industrie seit 1848 und der sie begleitenden verbesserten und gewachsenen Organisation der Arbeiterklasse, gegenüber den praktischen Erfahrungen, zuerst der Februarrevolution und noch weit mehr der Pariser Kommune, wo das Proletariat zum erstenmal zwei Monate lang die politische Gewalt innehatte, ist heute dies Programm stellenweise veraltet. Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, daß ›die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen kann‹. (Siehe ›The Civil War in France. Address of the General Council of the International Working-Men's Association‹, London, Truelove, 1871, p. 15, wo dies weiterentwickelt ist.) Ferner ist selbstredend, daß die Kritik der sozialistischen Literatur für heute lückenhaft ist, weil sie nur bis 1847 reicht; ebenso daß die Bemerkungen über die Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen Oppositionsparteien (Abschnitt IV), wenn in den Grundzügen auch heute noch richtig, doch in ihrer Ausführung heute schon deswegen veraltet sind, weil die politische Lage sich total umgestaltet und die geschichtliche Entwicklung die meisten der dort aufgezählten Parteien aus der Welt geschafft hat.
Indes, das ›Manifest‹ ist ein geschichtliches Dokument, an dem zu andern wir uns nicht mehr das Recht zuschreiben.«
Die vorliegende Übersetzung stammt von Herrn Samuel Moore, dem Übersetzer des größten Teils von Marx' »Kapital«. Wir haben sie gemeinsam durchgesehen, und ich habe ein paar Fußnoten zur Erklärung geschichtlicher Anspielungen hinzugefügt.
[Vorwort zur vierten deutschen Ausgabe von 1890]
Seit Vorstehendes geschrieben, ist wieder eine neue deutsche Auflage des »Manifestes« nötig geworden, und es hat sich auch allerlei mit dem »Manifest« zugetragen, das hier zu erwähnen ist.
Eine zweite russische Übersetzung – von Vera Sassulitsch – erschien 1882 in Genf; die Vorrede dazu wurde von Marx und mir verfaßt. Leider ist mir das deutsche Originalmanuskript abhanden gekommen, ich muß also aus dem Russischen zurückübersetzen, wodurch die Arbeit keineswegs gewinnt. Sie lautet:
»Die erste russische Ausgabe des ›Manifests der Kommunistischen Partei‹, in Bakunins Übersetzung, erschien anfangs der sechziger Jahre in der Druckerei des ›Kolokol‹. Damals hatte eine russische Ausgabe dieser Schrift für den Westen höchstens die Bedeutung eines literarischen Kuriosums. Heute ist eine solche Auffassung nicht mehr möglich. Einen wie beschränkten Umfang das Verbreitungsgebiet der proletarischen Bewegung hatte zur Zeit der ersten Veröffentlichung des ›Manifests‹ (Januar 1848), zeigt am besten das letzte Kapitel: ›Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen oppositionellen Parteien‹. Hier fehlen vor allen Rußland und die Vereinigten Staaten. Es war die Zeit, wo Rußland die letzte große Reserve der europäischen Reaktion bildete und wo die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten die überschüssigen Kräfte des europäischen Proletariats absorbierte. Beide Länder versorgten Europa mit Rohstoff und dienten gleichzeitig als Märkte für den Absatz seiner Industrieprodukte. Beide erschienen also, in dieser oder jener Weise, als Stützen der europäischen gesellschaftlichen Ordnung.
Wie hat sich das alles heute geändert! Grade die europäische Auswanderung hat die kolossale Entwicklung des nordamerikanischen Ackerbaus ermöglicht, die durch ihre Konkurrenz das große wie das kleine Grundeigentum in Europa in seinen Grundfesten erschüttert. Sie hat zugleich den Vereinigten Staaten die Möglichkeit gegeben, an die Ausbeutung ihrer reichhaltigen industriellen Hülfsquellen zu gehn, und zwar mit solcher Energie und auf solchem Maßstab, daß dies in kurzer Zeit dem industriellen Monopol des europäischen Westens ein Ende machen muß. Und diese beiden Umstände wirken auch auf Amerika in revolutionärer Richtung zurück. Das kleine und mittlere Grundeigentum der selbstarbeitenden Farmer, die Grundlage der ganzen politischen Ordnung Amerikas, erliegt mehr und mehr der Konkurrenz der Riesenfarmen, während gleichzeitig in den Industriebezirken sich zum erstenmal ein zahlreiches Proletariat bildet neben einer fabelhaften Konzentration der Kapitale.
Gehn wir nach Rußland. Zur Zeit der Revolution von 1848/49 sahen nicht nur die europäischen Monarchen, sondern auch die europäischen Bourgeois in der russischen Intervention die einzige Rettung vor dem damals eben erst seine Kräfte gewahr werdenden Proletariat. Sie proklamierten den Zaren zum Haupt der europäischen Reaktion. Heute sitzt er in Gatschina als Kriegsgefangner der Revolution, und Rußland bildet die Vorhut der revolutionären Bewegung Europas.
Die Aufgabe des ›Kommunistischen Manifests‹ war die Proklamation des unvermeidlich bevorstehenden Untergangs des heutigen bürgerlichen Eigentums. In Rußland aber finden wir, neben der sich mit Fieberhast entwickelnden kapitalistischen Ordnung und dem sich eben erst bildenden bürgerlichen Grundeigentum, die größere Hälfte des Bodens im Gemeineigentum der Bauern.
Es fragt sich nun: Kann die russische Bauerngemeinde, diese allerdings schon sehr zersetzte Form des urwüchsigen Gemeineigentums am Boden, unmittelbar übergehn in eine höhere kommunistische Form des Grundeigentums, oder muß sie vorher denselben Auflösungsprozeß durchmachen, der sich in der historischen Entwicklung des Westens darstellt?
Die einzige heute mögliche Antwort auf diese Frage ist die folgende. Wenn die russische Revolution das Signal zu einer Arbeiterrevolution im Westen wird, so daß beide einander ergänzen, dann kann das heutige russische Gemeineigentum zum Ausgangspunkt einer kommunistischen Entwicklung dienen.
London, 21. Januar 1882.«
Eine neue polnische Übersetzung erschien um dieselbe Zeit in Genf: »Manifest komunistyczny«.
Ferner ist eine neue dänische Übersetzung erschienen in »Socialdemokratisk Bibliotek«, København 1885. Sie ist leider nicht ganz vollständig; einige wesentliche Stellen, die dem Übersetzer Schwierigkeit gemacht zu haben scheinen, sind ausgelassen und auch sonst hier und da Spuren von Flüchtigkeit zu bemerken, die um so unangenehmer auffallen, als man der Arbeit ansieht, daß der Übersetzer bei etwas mehr Sorgfalt Vorzügliches hätte leisten können.
1886 erschien eine neue französische Übersetzung in »Le Socialiste«, Paris; es ist die beste bisher erschienene.
Nach ihr wurde im selben Jahr eine spanische Übertragung zuerst im Madrider »El Socialista« und dann als Broschüre veröffentlicht: »Manifiesto del Partido Comunista« por Carlos Marx y F. Engels, Madrid, Administración de »El Socialista«, Hernán Cortés 8.
Als Kuriosum erwähne ich noch, daß 1887 das Manuskript einer armenischen Übersetzung einem konstantinopolitanischen Verleger angeboten wurde; der gute Mann hatte jedoch nicht den Mut, etwas zu drucken, worauf der Name Marx stand, und meinte, der Übersetzer solle sich lieber selbst als Verfasser nennen, was dieser jedoch ablehnte.
Nachdem bald die eine, bald die andre der mehr oder minder unrichtigen amerikanischen Übersetzungen mehrfach in England wieder abgedruckt worden, erschien endlich eine authentische Übersetzung im Jahre 1888. Sie ist von meinem Freund Samuel Moore und vor dem Druck von uns beiden nochmals zusammen durchgesehn. Der Titel ist: »Manifesto