Sagenbuch des Erzgebirges. Johann August Ernst Köhler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann August Ernst Köhler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066112486
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habe, jedoch wurde später nachgewiesen, daß diese Nachricht eine erfundene ist, daß es also einen Sachsengott, der diesen Namen führte, nicht gegeben hat. Immer aber ist hierbei erwähnenswert, daß eine unserer Volkssagen einen Platz, an welchem der »Krankenhelfer« verehrt wurde, in die Nähe von Meerane verlegt, von wo aus früher bis zum Anfange dieses Jahrhunderts die sogenannten »fahrenden Ärzte« ihre jährlichen, oft sehr weiten Reisen unternahmen.

      Bergleute deutscher Abkunft aus dem Harze waren ja, wenn wir von dem einige Jahrhunderte früheren Eisenbergbau und den hüttenmännischen Arbeiten der Slaven auf der südlichen und nördlichen Abdachung des Gebirges absehen (K. Schurig, Beiträge zur Geschichte des Bergbaues im sächs. Vogtlande, Plauen 1875, S. 2), die ersten, welche im Erzgebirge Bergwerke auf edle Erze anlegten und z. B. 1171 nach Mollers Chronik von Freiberg die Gründung dieser Stadt veranlaßten. Liegt es da nicht nahe anzunehmen, daß durch solche Bergleute und andere deutsche Einwanderer aus Baiern und der Oberpfalz auch germanische Göttersagen neben anderen Überlieferungen in die neue Heimat verpflanzt wurden, in welche ja von ihnen, wie M. Körner in seinen Bockauischen Nachrichten (1758, S. 278 und 279) nachweist, auch die Benennungen von Bergen und Ortschaften, sowie von kleinen Gewässern aus der alten Heimat übertragen wurden?

      Weiter verweist die Sage vom Herdabilde bei Zwickau ganz deutlich auf die Ueberlieferung von der mütterlichen Gottheit der Erde Nerthus (Herda, altnord. Jördh), welche, nachdem sie in ihrem von Kühen gezogenen Wagen im Lande umhergeführt worden war und frohe Tage und Frieden gebracht hatte, in dem heiligen See auf Rügen gebadet wurde. (Grimm, deutsche Myth. 1835, S. 155. Mannhardt, die Götter der deutschen und nord. Völker, 1860, S. 316.)

      Anders ist es mit zwei slavischen Göttern, welche im erzgebirgischen Sagenkreise auftreten, dem Triglav und Ladon. Triglav oder Triglas, ein Hauptgott oder vielmehr eine Göttertrias der Wenden, welche in Stettin einen der vornehmsten Tempel hatte, wurde als eine Person mit 3 Köpfen dargestellt. Bei den Wenden auf Rügen waren in ihr die drei Gottheiten Swantowit, Radegast und Prowe vereinigt, und daß auch die Slaven an der Mittelelbe, Mulde und Saale eine göttliche Trias gehabt haben mögen, ist deshalb anzunehmen, weil die slavischen Völkerschaften in den Hauptlehren ihrer Religion größtenteils übereinstimmten. (Liebusch, Skythika, 1833, S. 198 und 205.) Unterstützt wird diese Annahme durch folgende Mitteilung des Albinus (Meißnische Land- und Bergchronik, S. 184 und 149): »Man hat im Lande zu Meisen auch, wie ich berichtet bin, an etlichen Orten alte Bilder in Stein gehauen mit dreyen Angesichten gefunden. Vnd ist sonderlich zu Grimma auff der Brücken eines dergleichen zu sehen gewesen, daran drey Angesicht vnter einem Hütlein. Dannen her denn zu achten, daß die Sorben diesen Abgott (den Triglas), wie ihre Nachbarn auch geehret«.

      Ladon wird in unserer Sage ein Kriegsgott genannt. Nach Liebusch (Skythika, S. 155) war Ladon ursprünglich der Mondgott und hieß wahrscheinlich als Mondgöttin Lada; dieselbe war in ihrer Funktion der russischen Led und der polnischen Leda ähnlich, weshalb man sie mit dem Mars verglich; als Mondgöttin war sie zugleich Todesgöttin im Kriegskampfe. – Noch mag erwähnt werden, daß sich auch nach Vernaleken eine Erinnerung an den Perun, die slavische Gewittergottheit, in Eisenberg auf dem böhmischen Abfalle des Erzgebirges erhalten hat.

      Ebenso sparsam wie die Überlieferungen von heidnischen Göttern sind diejenigen von Opferplätzen. Der Volksmund nennt bei uns nur wenige Haine, welche wir als einst geheiligte Orte ansehen könnten; aber weiter liegt die Vermutung sehr nahe, daß der Taufstein bei Oberkrinitz, welcher mit seinen Vertiefungen den zahlreichen Opfersteinen im Fichtelgebirge und der Lausitz ungemein ähnlich ist, ebenfalls in der heidnischen Vorzeit zu gottesdienstlichen Handlungen bestimmt war. Nach Dr. Kalina Ritter von Jäthenstein war auch der Berg, welcher heute die Ruinen der Burg Hassenstein bei Sonnenberg trägt, einst ein heidnischer Opferplatz, da innerhalb des Schloßhofes daselbst Asche, Kohlen, Knochen und Urnenreste nicht selten gefunden wurden. (Erzgebirgszeitung, 4. Jahrg., 1. Heft, S. 19.) Endlich mögen noch aus der Gegend des Bergstädtchens Graupen der Rosen- und Geiersberg als alte Kultusstätten genannt werden. Wenn nun auch Albinus in seiner Meißnischen Bergchronik (S. 98) bei dem Jahre 932 schreibt: »Die Sorben sind endlich durch die christliche Religion so weit gebracht, das sie sich ihrer barbarischen gewohnheit des stehlens und raubens geschemet«, so teilt doch wieder Christian Knauth in seiner Sorbenwendischen Kirchengeschichte (S. 145) mit, daß der Bischof Bruno II. von Meißen den St. Petridom in Bautzen an Stelle einer älteren Kirche im Jahre 1213 ausdrücklich zu dem Zwecke gegründet habe, um die Sorben der Lausitz und Meißens zum Christentume zu bekehren; denn dieselben »steckten annoch in großer geistlicher Finsternis, führten wohl den christlichen Namen, hatten aber keine oder wenige Erkenntnis vom Christentum; hingegen waren sie mit heidnischen Irrtümern behaftet, lebten heidnisch, und einige mochten auch wohl hin und wieder im Verborgenen, in Wäldern und Heiden, ihre heidnischen Greuel treiben.«

      Diese Stelle wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf die im Erzgebirge zerstreut lebenden Sorben angewendet werden können; denn es ist wohl anzunehmen, daß dieselben bei ihrer Abgeschiedenheit in dem einst fast undurchdringlichen Miriquidi noch längere Zeit ihre Gottheiten verehrten. Obschon die zuerst von M. Körner ausgesprochene Meinung, daß in dem Thale, in welchem sich jetzt das Dorf Bockau hinzieht, einst ein slavischer Gott verehrt worden sei, der den Namen des Ortes veranlaßte, hinfällig geworden ist, da man Bockau nicht als »Gottesdorf« oder »Gotteshain,« sondern als »Buchholz« oder »Buchwald« zu deuten hat, so weist doch dafür nach Immisch (Die slavischen Ortsnamen im Erzgebirge, 1866) der Name des Dorfes Klaffenbach bei Chemnitz, obschon er wie ein deutsches Wort klingt, in seiner Ableitung von den slavischen Worten hlowa (oberlaus. wendisch), glawa (niederlaus. wendisch), hlawa (czechisch) = Haupt, Kopf und bòh = Gott, also in seiner Deutung als »Hauptgott,« auf einen Platz hin, an welchem ein slavischer Gott verehrt wurde. Die Geschichte erzählt auch, daß im Jahre 892 der Bischof Arno von Würzburg auf der Klaffenbacher Höhe, als er den daselbst zum Götzendienste zahlreich versammelten Heiden das Christentum predigte und die Messe las, von letzteren ermordet wurde (Immisch a. a. O.).

      Endlich ist noch auf zwei Plätze hinzuweisen, welche offenbar zu gottesdienstlichen Handlungen bestimmt waren; dabei mag es jedoch dahin gestellt sein, ob hier slavischen Gottheiten geopfert wurde, oder ob die Plätze vielleicht schon einer früheren germanischen Bevölkerung zu Kultuszwecken gedient haben. Es sind zwei Steinkreise, von denen der eine, auf dem Borberge bei Kirchberg, nur noch zu einem kleinen Teile an der Westseite eines Granitplateaus vorhanden ist, während der größere Teil im Jahre 1848 abgetragen wurde. Der andere Überrest aus dem grauen Altertume ist ein Doppelsteinkreis auf dem Burgberge zwischen Mulda und Lichtenberg. Beide Kreise lehnen sich hier an einen steil abfallenden Porphyrfelsen, der in der Mitte zu einer felsigen Kuppe aufragt, an, und wie auf dem Borberge liegt innerhalb der Steinwälle ein in das Gestein gearbeiteter Brunnen, in welchem nach der Volkssage das Wasser niemals verschwinden soll. Dieser Brunnen heißt an beiden Örtlichkeiten »Jungfernbrunnen.« Es gleichen beide Steinkreise, die einzigen, welche zur Zeit in dem Erzgebirge bekannt geworden sind, denen in der Lausitz und in Böhmen, so daß wohl die Annahme, nach welcher wir es an diesen Orten mit einst den Göttern geweihten Plätzen zu thun haben, eine berechtigte ist. Wünschenswert wären Nachgrabungen nach etwaiger Asche oder Kohlenresten.

       Inhaltsverzeichnis

      (Tobias Schmidt, Chronica Cygnea. Zwickau, 1656. S. 79 u. 360.)

      In der Hauptkirche zu Zwickau ist des Triglas oder Triglaff Kopf zweimal und außer der Kirche an einem Pfeiler noch einmal zu finden, das eine Mal mit drei Bärten und die andern zweimal ohne Bart. An einem Kopfe sind drei Gesichter mit Augen, Nasen und Mäulern. Andere halten diese Bildnisse aber nicht für Köpfe des Götzen, sondern meinen, daß man damit das Geheimnis der heiligen Dreifaltigkeit in einem göttlichen Wesen habe andeuten wollen.

       Inhaltsverzeichnis

      (Erzgebirgs-Zeitung,