Ein Gardeleutnant. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783849609573
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bereits in Rheinswalden einmal. An dem Tag, an dem ich mich vom Hauptmann von Rodenstein verabschiedete, ging ich in den Wald und sah diesen Mann aus der Hütte des Hüters Tombi kommen, ohne daß er mich bemerkte. Als er fort war, fragte ich Tombi, wer der Fremde sei, und der Zigeuner sagte, es sei ein Mainzer Bürger, der sich hier im Wald verirrt und ihn nach dem rechten Weg gefragt habe.« – »So hat er also bereits in Rheinswalden nach uns spioniert!« – »Ja, und Tombi ist sein Vertrauter, wie es scheint. Dieser Seeräuber hat mich noch nie gesehen, erkennt mich nicht, ich werde mich umkleiden und ihn aufsuchen. Aus seinen Fragen wird zu hören sein, was er beabsichtigt.« – »Du magst recht haben, mein Sohn, aber ich ersuche dich, recht vorsichtig zu sein. Wir werden unterdessen überlegen, was weiter zu machen ist.«

      Der Herzog kehrte beruhigt zu den Damen zurück. Kurt aber legte seinen einfachsten Zivilanzug an und begab sich dann über die Straße hinüber nach der Restauration. Als er dort eintrat, machte er ein sehr ernstes, enttäuschtes Gesicht, etwa wie ein Bittsteller, dem sein Gesuch abgeschlagen worden ist.

      Kapitän Parkert saß als der einzige Gast gerade wie zuvor Leutnant Ravenow, an einem Tisch. Er hatte Kurt aus dem großherzoglichen Palais treten sehen und beschloß sogleich, sich an ihn zu wenden. Als Kurt an einem anderen Tisch Platz nehmen wollte, sagte er daher:

      »Bitte, wollen Sie sich nicht zu mir setzen? Es ist so einsam hier, und beim Glas pflegt man Gesellschaft vorzuziehen.« – »Ich habe ganz dieselbe Ansicht, mein Herr, und nehme also Ihr Anerbieten an«, antwortete Kurt. – »Sie tun recht«, nickte der Kapitän, indem er sein stechendes Auge mit forschendem Ausdruck auf den jungen Mann richtete. »Mir scheint, daß eine heitere Gesellschaft Ihnen dienlicher ist als die Einsamkeit« – »Warum?« – »Weil ich bemerke, daß Sie in sehr mißmutiger Stimmung sind. Sie haben sich jedenfalls geärgert. Vermute ich richtig?« – »Hm, Sie mögen recht haben«, murrte Kurt, indem er ein Glas Bier bestellte. »Große Herren lassen es sich sehr egal sein, ob sie uns gute oder schlechte Laune bereiten.« – »Ah, so ist meine Ahnung richtig. Sie kamen da aus dem großen Haus? Sie haben sich da drüben geärgert Vielleicht waren Sie Supplikant – Bittsteller –?« – »Möglich«, lautete die zurückhaltende Antwort. – »Wer wohnt denn eigentlich da drüben?« – »Es ist der Herzog von Olsunna.« – »Das ist doch ein spanischer Name!« – »Ja, er ist ein Spanier.« – »Reich?« – »Sehr!« – »Hat dieser Herzog eine Herzogin?« – »Das versteht sich!« – »Ah, jetzt besinne ich mich. Ich habe den Namen bereits einmal gehört. Ich glaube, der Herzog soll eine Mesalliance eingegangen sein?« – »Davon weiß ich nichts. So ein Herr nimmt sich doch jedenfalls eine Frau, die seiner würdig ist.« – »So kennen Sie seine Verhältnisse nicht genau?« – »Glauben Sie, daß ein Herzog einem Supplikanten, für den Sie mich doch gehalten haben, seine Verhältnisse mitteilt?« – »Wer oder was sind Sie?«

      Kurt machte ein sehr mürrisches Gesicht und antwortete: »Das tut nichts zur Sache. Sie scheinen auch so ein vornehmer Herr zu sein, und da kümmert es Sie nicht, wie ich heiße und was ich bin.«

      Das Gesicht des Kapitäns zeigte nicht die mindeste Mißbilligung dieser Antwort. Sein Auge blitzte vielmehr befriedigt auf, und in einem beruhigenden Ton meinte er:

      »Abgeblitzt! Das gefällt mir. Ich liebe die verschwiegenen Charaktere, denn man kann sich auf sie verlassen. Waren Sie oft im Palais da drüben?« – »Nein«, antwortete Kurt, allerdings ganz der Wahrheit gemäß. – »Werden Sie wieder hinüberkommen?« – »Ja, ich muß sogar.«

      Da rückte ihm der Kapitän näher und fragte mit halber Stimme:

      »Hören Sie, junger Mann, Sie gefallen mir. Haben Sie Vermögen?« – »Nein. Ich bin arm.« – »Wollen Sie sich eine gute Gratifikation verdienen?« – »Hm! Womit?« – »Ich möchte die Verhältnisse dieses Herzogs genau erfahren, und da Sie bei ihm wieder Zutritt nehmen, so ist es Ihnen leicht, Verschiedenes zu erfahren. Wollten Sie mir dies mitteilen, so würde ich Ihnen dankbar sein.« – »Ich will es mir überlegen«, sagte Kurt nach einigem Nachdenken. – »Das genügt mir. Ich sehe, daß Sie vorsichtig sind, und das bestärkt mein Vertrauen zu Ihnen. Es ist möglich, daß ich Ihnen nützlich sein kann!« Und indem sein Blick den Anzug Kurts überflog, fügte er hinzu: »Wenn Sie wollen, können Sie sich bei mir ein Sümmchen verdienen, das Ihnen von Nutzen sein wird. Und dann, nachdem Sie mich als einen Mann kennengelernt haben, der nicht zu knausern pflegt, werden Sie auch mitteilsamer werden. Ich bin hier fremd und brauche einen Mann, auf den ich mich verlassen kann.« – »Was hat dieser Mann zu tun?« fragte Kurt, indem er sich den Anschein gab, als ob er sich über die versteckte Offerte seines Gegenübers freue.

      Dieser warf abermals einen stechenden Blick auf ihn. Kurt war einfach gekleidet und gab sich Mühe, ein unbefangenes, alltägliches Gesicht zu zeigen. Dies beruhigte den Kapitän. Er gewann die Ansicht, daß dieser junge, jedenfalls noch unerfahrene Mensch, dessen Züge übrigens von Klugheit zeugten, sich recht gut und ohne Gefahr benutzen lassen werde, und darum sagte er:

      »Sie verschweigen, wer Sie sind. Darf ich wenigstens wissen, wer Ihr Vater ist?« – »Mein Vater ist ein Schiffer.« – »Ah, also gehören Sie nicht zu den vornehmen Leuten. Sie suchen vielleicht eine Stellung?« – »Ich habe sie zugesagt erhalten, aber man macht mir Schwierigkeiten.«

      Das war dem Kapitän willkommen. Er sagte mit der Miene eines Protektors:

      »Lassen Sie sie fahren. Ich kann Ihnen ein jedenfalls besseres Unterkommen verschaffen, wenn ich sehe, daß Sie sich nützlich zu machen verstehen. Sie müßten allerdings eine kleine Portion Schlauheit besitzen.«

      Kurt zwinkerte höchst unternehmend mit den Augen und antwortete:

      »Daran fehlt es wahrscheinlich nicht, wie Sie bald erkennen sollen.« – »Aber ich müßte erfahren, wer Sie sind und wie Sie heißen.« – »Gut. Sie sollen es erfahren, sobald ich Ihnen bewiesen habe, daß ich zu gebrauchen bin. Ich will Ihnen nämlich sagen, daß ich hier an gewissen Orten nicht gut angeschrieben stehe; das veranlaßt mich, vorsichtig zu sein.«

      Der Kapitän nickte erfreut. Er gewann die Ansicht, es hier mit einem Menschen zu tun zu haben, der in irgendeiner Beziehung mit der bestehenden Ordnung zerfallen sei und sich also zu einem fügsamen Werkzeug ausbilden lassen werde. Er antwortete:

      »Das genügt einstweilen. Ich engagiere Sie und geben Ihnen einen kleinen Vorschuß auf das Honorar für die Dienste, die Sie mir leisten werden. Hier haben Sie fünf Taler.«

      Er zog die Börse und legte die erwähnte Summe auf den Tisch. Kurt jedoch schob das Geld zurück und entgegnete:

      »Ich bin nicht so sehr abgebrannt, daß ich eines Vorschusses bedarf, mein Herr. Erst die Arbeit und dann der Lohn; das ist das richtige. Was habe ich zu tun?«

      Das Gesicht des Kapitäns zeigte, daß er sehr zufriedengestellt sei.

      »Ganz wie Sie wollen«, sagte er. »Auch ich bin ein Anhänger Ihres Grundsatzes, den wir also befolgen wollen. Ihr Schaden wird es nicht sein. Was Sie zu tun haben, fragen Sie? Zunächst haben Sie sich zu erkundigen nach dem Herzog von Olsunna, nach seinen häuslichen Verhältnissen, nach den Gliedern seiner Familie, nach allem, was er treibt und tut. Vor allem möchte ich erfahren, welche Personen seines Haushaltes den Namen Sternau führen und ob sich bei ihm jemand befindet, der Helmers heißt.« – »Das wird nicht schwer zu erfahren sein.« – »Gewiß. Sodann werde ich Sie vielleicht nach Mainz schicken, um eine sehr leichte Aufgabe zu lösen, die sich auf einen Oberförster bezieht, den ich beobachten lassen möchte. Sie scheinen mir ganz dazu geeignet zu sein.« – »Ah, Sie gehören wohl zur Polizei?« – »Vielleicht«, antwortete der Gefragte mit wichtiger, geheimnisvoller Miene. »Doch habe ich auch ein wenig mit der hohen Politik zu tun. Ich will aufrichtig sein und Ihnen einiges anvertrauen. Ich hoffe, daß ich es ohne Gefahr tun kann.« – »Richten Sie Ihre Mitteilungen so ein, daß Sie nicht Gefahr laufen können«, lachte Kurt. – »Hm, ich bemerke, daß Sie ein kleiner Schlaukopf sind, und das spricht zu Ihren Gunsten. Sie wissen, daß wir im Jahre 1866 stehen und daß Österreich von Preußen besiegt worden ist?« – »Wer wüßte dies nicht!« sagte Kurt mit ernster Miene. – »Nun, diese Frage war dumm, aber sie sollte als Einleitung dienen.