Opfer der Gefühle. Barbara Cartland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9781788670791
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      Opfer der Gefühle

      Barbara Cartland

      Barbara Cartland E-Books Ltd.

      Vorliegende Ausgabe ©2018

      Copyright Cartland Promotions 1985

      Gestaltung M-Y Books

       www.m-ybooks.co.uk

      1 ~ 1851

      Der Herzog von Nuneaton raschelte ungehalten mit der Morning Post.

      »Wie ich sehe, hat Winsford den Hosenbandorden bekommen. Weiß Gott, was er getan haben mag, um diese Auszeichnung zu verdienen!«

      Er legte die Zeitung in den Silberhalter, der vor ihm auf dem Frühstückstisch stand, und begann sein Kalbsbries zu essen. Die beiden Frauen, die links und rechts von ihm saßen, merkten ihm seinen Ärger deutlich an.

      »Jedenfalls besitzt der Graf ein Bein, das den Orden höchst vorteilhaft zur Geltung bringen wird«, bemerkte die Herzogin.

      Sie sprach in besänftigendem Ton, aber ihr Mann sah erbost von seinem Teller auf.

      »Du verteidigst diesen Kerl auch noch! Letzte Woche beim Staatsball war es wohl offensichtlich, was du von ihm hältst.«

      Sie hob die Brauen und erwiderte mit ihrer »Kleinmädchenstimme«, wie ihre Stiefnichte dazu sagte: »Was meinst du denn bloß, lieber Edmund? Ich dachte, es sei ganz in deinem Sinn, wenn ich unseren Nachbarn höflich behandle.«

      Der Herzog murmelte etwas Unverständliches und befaßte sich wieder mit seinem Frühstück.

      Sorilda kannte die Eifersucht ihres Onkels und fand sie keineswegs erstaunlich. Für sie war es ebenso wie für alle anderen Schloßbewohner ein Schock gewesen, als der Herzog vor drei Monaten - eine Woche nach seinem sechzigsten Geburtstag - eine um fünfunddreißig Jahre jüngere Witwe geheiratet hatte. Zunächst hatte Sorilda geglaubt, daß es vielleicht sehr angenehm sein könne, eine gleichaltrige Hausgenossin zu haben, und daß sie und ihre Stieftante Freunde würden. Doch sie war schon bald eines Besseren belehrt worden.

      Iris wußte nichts mit Frauen anzufangen, schon gar nicht mit solchen, die ihr auf irgendeine Weise Konkurrenz machen könnten. Niemals wäre Sorilda auf den Gedanken gekommen, daß ihre Tante sie als Rivalin betrachten könnte. Neidlos bewunderte sie die Schönheit der neuen Herzogin, bis sie herausfand, daß der äußere Schein trog.

      Sechs Monate nach der Hochzeit ihres Onkels mußte Sorilda der Tatsache ins Auge blicken, daß aus dem Zuhause, das sie nach dem Tod ihrer Eltern gefunden hatte - wenigstens, was sie selbst betraf -, ein trostloses, düsteres Gemäuer geworden war, in dem sie jeden neuen Tag fürchtete.

      Der Herzog, wie so viele alte Ehemänner junger Frauen völlig verblendet, sah nichts weiter als Iris’ verführerischen Charme und hatte keine Ahnung, daß sie den anderen Schloßbewohnern wie ein feuerspeiender Drache erschien. Seltsam, hatte Sorilda schon oft überlegt, daß Iris äußerlich wie ein Engel wirkte, aber in ihrem Herzen eine Teufelin war.

      Sorilda war ein bemerkenswert intelligentes, gebildetes junges Mädchen, da sie viel Zeit mit ihrem außergewöhnlich geistreichen Vater verbracht hatte. Nach seinem Studium in Eton und Oxford war er Parlamentsmitglied und der herausragendste junge Politiker seiner Generation geworden. Die ganze Nation empfand es als Tragödie, als Lord Lionel Eaton und seine Frau auf der Fahrt zu einer politischen Konferenz in Frankreich bei einem Zugunglück ums Leben kamen. Für Sorilda brach eine ganze Welt zusammen. Obwohl ihr Onkel sie zu trösten versuchte und nach Northamptonshire in sein Schloß holte, war sie für lange Zeit unfähig gewesen, etwas anderes zu tun, als den Verlust der geliebten Eltern zu betrauern. Wehmütig blickte sie auf ihre Kindheit in einem Haus voller Glück und Fröhlichkeit zurück. Daheim hatte sie sich vor allem deshalb so wohl gefühlt, weil sie von einer liebevollen Atmosphäre umgeben worden war, die sie im herzoglichen Schloß nicht fand.

      Der Onkel war seit zehn Jahren Witwer, seine Söhne hatten längst geheiratet, und der älteste, der Marquis, machte bereits diplomatische Karriere als Vizekönig von Indien.

      Der Herzog hatte viele Pflichten zu erfüllen. Fast unentwegt mußte er der Königin im Buckingham-Palast zu Diensten stehen. Außerdem fungierte er in Northamptonshire als Vertreter Ihrer Majestät und bekleidete mehrere offizielle Posten in der Grafschaft.

      Weder Sorilda noch andere Leute hätten vermutet, daß er sich im Grunde seines Herzens einsam fühlte. Und wie so viele andere Männer in seiner Situation wollte er die Freuden der Jugend festhalten, ehe er zu alt wurde. Deshalb stellte er genau den richtigen Kandidaten für eine Frau wie Mrs. Iris Handley dar, die nach einer gesellschaftlichen Position suchte, die ihrer Schönheit würdig war.

      Natürlich war sie von etlichen Bewunderern umgeben, doch die meisten waren verheiratet. Den Herzog hatte sie bei einer großen Dinnerparty kennengelernt, bei der sie neben ihm gesessen hatte. Die distinguierte ältere Dame, die als seine Tischgefährtin vorgesehen war, erkrankte in letzter Minute, und um nicht die ganze Tischordnung umzustoßen, hatte die Gastgeberin kurzerhand Iris an seiner Seite platziert.

      Oft genug hatte der Herzog geklagt, er müsse stets die »Gattin des Bürgermeisters« zur Tafel führen. Und so betrachtete er es als angenehme Überraschung, neben der schönsten Frau zu sitzen, die er je gesehen hatte.

      Iris’ Anblick pflegte die meisten Männer zu betören. Ihre hellblauen Augen, das blonde Haar und der zarte rosige Teint entsprachen dem gängigen Frauenideal, besonders seit die Königin alles, was klein, süß und betont feminin war, zum modischen Vorbild erkoren hatte. Dies kam dem Herzog an jenem Abend nicht zu Bewußtsein, aber als Iris’ blaue Augen in die seinen schauten, war er verloren.

      Sorilda hingegen hatte als erste erkannt, daß der Charakter der neuen Stieftante ihre äußere Erscheinung Lügen strafte.

      Die Hochzeit wurde schon nach so kurzer Zeit gefeiert, daß Iris keine Gelegenheit fand, Schloß Nuneaton zu besuchen, ehe sie Herzogin wurde. Deshalb kam sie erst zum traditionellen Fest für die Pächter im Zehntschuppen. Blumengeschmückte Triumphbögen wurden im Dorf und auf der Zufahrt zum Schloß errichtet, und sobald es dunkel wurde, ließ man ein farbenprächtiges Feuerwerk abbrennen.

      Als Iris aus der Kutsche stieg - in der breitesten Krinoline, die Sorilda je gesehen hatte, in einem Taftmantel, der farblich zu ihren Augen paßte, mit kleinen Straußenfedern auf einem Hut in derselben Farbe -, hielt das junge Mädchen entzückt den Atem an.

      Spontan lief sie auf ihren Onkel zu, knickste und umarmte ihn.

      »Alles Gute, Onkel Edmund! Ich hoffe, du wirst sehr, sehr glücklich. Wir alle konnten es kaum erwarten, deine Braut kennenzulernen!«

      »Dann sollst du nicht länger auf die Folter gespannt werden«, erwiderte er gutgelaunt und wandte sich zu seiner Frau. »Das ist meine Nichte Sorilda, die bei mir lebt. Sicher werdet ihr gute Freundinnen.«

      »Sie lebt bei dir?«

      In dieser Frage lag ein Unterton, der Sorilda bestürzte. Der Herzog mußte seiner Frau doch erzählt haben, daß seine Nichte im Schloß wohnte.

      »Ja, ja«, bestätigte er. »Ihre Eltern sind unter tragischen Umständen gestorben. Ich hatte noch keine Zeit, dir das mitzuteilen, Liebste.«

      Sorilda hatte einen Knicks vor der jungen Frau gemacht. Nun wartete sie, und als sie dem Blick der Herzogin begegnete, kam es ihr so vor, als wehte plötzlich ein kalter Wind um ihre Schultern.

      Der Herzog merkte nichts davon. Er führte Iris die Eingangstreppe hinauf und in die Schloßhalle, wo die Dienstboten in Reih und Glied standen, um die neue Herrin willkommen zu heißen. Höflich nahm sie die Glückwünsche entgegen, mit einem Lächeln, das jeden täuschen mußte, der sie nicht kannte. Doch das sollte Sorilda erst später herausfinden.

      Es war kaum zu glauben, daß eine einzige Person die Atmosphäre des Schlosses Nuneaton innerhalb weniger Wochen völlig verändern konnte. Und doch hatte Iris genau das geschafft.

      Es lag nicht nur an ihrer Ausdrucksweise, sondern auch an der Art, wie sie die Macht ergriff: