Der Ingenieur erschien wieder im Raum.
»Herr Kapitän, der Fehler sitzt in den Zündanlagen. Die Maschinen bekommen keinen Zündstrom.«
Der Kommandant wurde blaurot im Gesicht.
»In Satans Namen, Herr, Sie sollen die Maschinen in Gang bringen. Sie werden erschossen, wenn wir notlanden müssen.«
Mit der unangenehmen Aussicht auf den Tod durch eine Kugel verließ Wimblington den Raum. Die Dinge erfuhren dadurch keine Änderung. Die Maschinenkraft blieb aus. Der Gleitflug in die Tiefe dauerte an. Schon befand sich R. F. c. 2 in einer dichten Atmosphäre, nur noch 3000 Meter über dem Boden. Noch vor kurzem waren die Sonnenstrahlen vom Westen her klar und kräftig in den Raum gefallen. Jetzt nicht mehr dreißig, sondern nur noch drei Kilometer hoch, war das Schiff bereits im Dämmerschatten der Erde. Kommandant Boolton durchspähte zähneknirschend die Gegend und suchte einen passenden Landungsplatz für das Schiff. Er bemerkte, daß es ihm gerade noch möglich sein würde, über einen Hochwald hinwegzukommen und auf einer mäßig großen grasbestandenen Lichtung niederzugehen.
Die Aufregung des Kommandanten hatte sich auch Glossin mitgeteilt. Unruhig lief er mit kurzen Schritten in der Kabine hin und her. Sein Blick fiel auf Silvester Bursfeld. Der Gefangene hatte sich herumgeworfen, so daß er Jane sehen konnte, die immer noch in leichtem Schlummer lag. Die Blicke Glossins und Logg Sars trafen sich, und Schrecken kroch dem Doktor an das Herz.
In diesem Augenblick fühlte er, daß der Motordefekt keine zufällige Panne war. Er fühlte es, daß die unheimliche, unbekannte Macht wieder hinter ihm her war. Er hätte einen Eid darauf geschworen, daß dieselbe Kraft, die damals die Maschine in Sing-Sing lähmte, jetzt auch die Turbinen des Rapid Flyers in ihrer Arbeit anhielt. Mechanisch faßte er nach der Tasche, welche die kleine wirksame Schußwaffe barg.
R. F. c. 2 setzte auf die Grasnarbe auf. Mit vollendeter Steuerkunst hatte Kommodore Boolton das Schiff noch über die letzten Hochstämme des Waldes gebracht. Unmittelbar am Waldrande kam es zur Ruhe und wurde von den Schatten der schnell wachsenden Dämmerung umfangen. Boolton ließ das Steuer los und drehte sich um, als ein Geräusch seine Aufmerksamkeit fesselte. Wie zur Salzsäule erstarrt blieb er stehen und stierte durch die Seitenscheiben.
Ein zweites Flugschiff schoß aus der Höhe hinab, gewann Gestalt und legte sich kaum hundert Meter von R. F. c. 2 entfernt auf den Rasen. Das von Minute zu Minute unsicherer werdende Licht der Dämmerung genügte noch, um die Formen erkennen zu lassen.
Kommodore Boolton fand zuerst die Sprache wieder.
»Ich will des Teufels Großmutter heiraten, wenn es nicht R. F. c. 1 ist. Es fliegt kein anderer Bau von der Sorte in der Welt. R. F. c. 3 ist noch in der Montage.«
Der Kommandant hatte seinen Ärger vergessen. Die Neugier, wie R F. c. 1 hier plötzlich auftauchen könne, überwog alle anderen Gefühle. Dr. Glossin stand da, die Hand an der Schußwaffe, und blickte auf das fremde Schiff.
Dort drüben regte sich nichts. Unheimliche Ruhe herrschte. Kommodore Boolton brach das Schweigen.
»Was brennt hier! Habt ihr Feuer an den Maschinen?«
Er schrie es nach dem Turbinenraum hin.
Auf die Antwort brauchte er nicht zu warten. Dicht neben ihm öffnete sich die massive Metallwand von R. F. c. 2. Das Metall glühte eine Sekunde hellrot, die nächste grellweiß und versprühte dann als Dampf. Noch bevor es Zeit hatte, zu schmelzen und wegzufließen. Die innere Holzbekleidung flammte einen kurzen Moment, aber auch sie versprühte und verschwand, bevor es zu einem richtigen Feuer kommen konnte. Nur ein letzter Brandgeruch machte sich bemerkbar.
Schon war die dem neuen Flugschiff zugekehrte Seitenwand von R. F. c. 2 in der Größe mehrerer Quadratmeter verschwunden.
Kommodore Boolton sah, wie sein gutes Schiff sich vor seinen Augen in Dampf und Nichts auflöste. Mit geballten Fäusten stürzte er erbittert auf die entstandene Öffnung zu.
… Und geriet in den sengenden Strahl der telenergetischen Konzentration. Im Augenblick flammten die Kleider an seinem Leibe auf. Er wollte zurück und war doch schon tot, verbrannt, in rotglühende Kohle und stäubende Asche verwandelt, bevor noch der Gedanke, daß er bedroht sei, in seinem Gehirn Wurzel fassen konnte.
Die Flamme des Strahlers fraß weiter. Schon lag die Kabine bloß. Jetzt versprühte die dem Angreifer zugekehrte Wand des Motorenraumes.
Ingenieur Wimblington war nicht gewillt, seine Maschinen ruinieren zu lassen. Seine Rechte fuhr nach der Tasche. Schon lag die Präzisionsschußwaffe in seiner Faust. Prasselnd schlugen die Geschosse gegen die Flanken von R. F. c. 1.
Das erste … das zweite … das dritte … das vierte ging darüber hinweg, denn der feurige Strahl faßte den Ingenieur, fraß die Waffe in seiner Hand, fraß die Hand und fraß ihn selbst, bevor er ein fünftes Mal abdrücken konnte.
Mit aufgehobenen Händen sprangen die Monteure durch die Öffnung ins Freie.
Der eine zersprühte und verglühte im Augenblick des Absprunges. Den zweiten traf der Strahl in der Zehntelsekunde, die er in der Luft schwebte. Etwas weiße Asche fiel auf den Rasen.
Dr. Glossin hatte die Katastrophe im Motorenraum nicht gesehen. Mit Aufbietung aller Kräfte hatte er in diesen Sekunden die Verschlußschrauben gelöst, die die Tür auf der Backbordseite des Flugschiffes verschlossen hielten.
Mit einem Sprunge riß er Jane an sich. Mit einem Ruck hatte er auch die Schußwaffe wieder zur Hand.
Der Schuß blitzte auf. Aus nächster Nähe war die Waffe auf Silvester gerichtet.
Schmerzlich zuckte der Getroffene zusammen. Eine kräftige Abwehrbewegung mit den eng gefesselten Händen brachte den Doktor ins Wanken. Er wäre gestürzt, hätte er nicht im letzten Moment die Waffe fallen lassen und sich an den Türpfosten geklammert.
Jetzt zeigte sich die Kraft, die in diesem mißgestalteten Körper vorhanden war.
Die bewußtlose Jane noch immer auf dem Arm, glitt Glossin von der Plattform der Kabine auf der Backbordseite zum Flugschiff hinaus und lief auf den Wald zu.
Im gleichen Augenblick, in dem Atma R. F. c. 1 verließ und in langgestreckten Sätzen auf R. F. c. 2 zustürmte. Als Glossin auf der Backbordseite den Boden berührte, sprang Atma auf der Steuerbordseite in das Schiff.
Er sah Silvester gefesselt und durchschnitt die bindenden Stricke gedankenschnell. Er ließ den Strahler in Silvesters Hände fallen, glitt im selben Moment schon zur anderen Seite des Flugschiffs hinab und stürmte dem Walde zu.
Es war hohe Zeit. Nur noch undeutlich schimmerte Janes weißes Kleid durch die Stämme. Dr. Glossin hatte einen bedeutenden Vorsprung, und die Schatten der Dämmerung wuchsen von Sekunde zu Sekunde. Aber Dr. Glossin war alt, und Atma war jung, Dr. Glossin trug eine schwere Last auf seiner Schulter, und Atma war ungehindert.
Der Vorsprung Glossins nahm von Minute zu Minute ab. Durch das Stoßen und Schütteln des Laufes war Jane wieder zum Bewußtsein gekommen und sträubte sich mit allen Kräften. Sie schlug auf den Arzt ein, warf sich wild zurück und hinderte ihn schwer.
Schon hörte er den keuchenden Atem des Inders hinter sich. Da packte ihn die Todesfurcht. Das Verhängnis kam hinter ihm. Nur noch einmal entrinnen!
Eine kleine Schlucht öffnete sich vor ihm. Er ließ Jane zu Boden gleiten, sprang in die Tiefe und lief die Bodenfalte entlang. Hier herrschte schon Dunkelheit. In seiner dunklen Kleidung war er in dem dichten Unterholz nicht mehr zu sehen. Vorsichtig schlich er von Baum zu Baum weiter, bemüht, jedes Geräusch zu vermeiden.
Atma war bei Jane stehengeblieben. Vorsichtig hob er sie auf, trug und führte sie aus dem Walde auf das freie Feld zurück, brachte sie sicher in die Kabine von R. F. c. 1 und sah dann nach Silvester.
Der lag ohnmächtig in sich zusammengesunken. Der Strahler war seinen