Die Äbtissin von Castro. Стендаль. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Стендаль
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066118853
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der Herzogin war Diana Brancaccio, eine nahe Verwandte ihrer Schwägerin, der Marchesa von Montebello, die damals dreißig Jahre zählte. Man erzählte sich in Rom, daß sie dieser Favoritin nicht ihren sonstigen Stolz zeige, ja ihr alle ihre Geheimnisse anvertraue. Aber diese Geheimnisse bezogen sich nur auf die Politik; denn die Herzogin erweckte wohl Leidenschaften, doch sie teilte keine.

      34Auf den Rat des Kardinals Carafa führte der Papst gegen den König von Spanien Krieg und der König von Frankreich schickte dem Papst eine Armee unter dem Befehl des Herzogs von Guise zur Unterstützung.

      Aber wir müssen uns an die Ereignisse am Hof des Herzogs von Palliano halten.

      Capecce war seit einer Zeit wie toll; man sah ihn die seltsamsten Dinge tun. Tatsache ist, daß sich der arme junge Mensch leidenschaftlich in seine Herrin, die Herzogin, verliebt hatte; doch wagte er kein Geständnis seiner Liebe. Aber er zweifelte nicht, an sein Ziel zu gelangen, denn er bemerkte, daß die Herzogin gegen ihren Gemahl, der sie vernachlässigte, aufs äußerste gereizt war. Der Herzog von Palliano war allmächtig in Rom, und die Herzogin wußte für sicher, daß ihn fast jeden Tag die wegen ihrer Schönheit berühmten römischen Damen in ihrem eignen Palast aufsuchten — ein Schimpf, an den sie sich nicht gewöhnen mochte.

      Unter den Kaplänen des Papstes Paul befand sich ein ehrwürdiger Mönch, mit dem er das Brevier zu beten pflegte. Dieser wagte es eines Tags, trotz der Gefahr seines eignen Verderbens, vielleicht auf Veranlassung des spanischen Gesandten, dem Papst alle Schurkereien seiner Neffen zu enthüllen. Der fromme Papst wurde vor Kummer krank; er wollte die Wahrheit des Berichtes bezweifeln; aber von allen Seiten kamen die erdrückendsten Bestätigungen. Es war am ersten Tag des Jahres 1559, als das Ereignis eintrat, das dem Papst die Gewißheit gab und vielleicht die Entscheidung Seiner Heilichkeit bestimmte. Es war gerade am Tag der Beschneidung des Herrn, ein Umstand, der das Vergehen in den Augen eines so frommen Papstes noch erschwerte, daß Andrea Lanfranchi, der Sekretär des Herzogs von 35Palliano, dem Kardinal Carafa ein prächtiges Abendessen gab. Und damit den Reizungen der Völlerei die der Unzucht nicht fehlten, zu diesem Fest die Martuccia kommen ließ, eine der schönsten, berühmtesten und reichsten Kurtisanen Roms. Das Verhängnis wollte, daß Capecce, der Günstling des Herzogs — eben jener, der im geheimen die Herzogin liebte und für den schönsten Mann der Hauptstadt der Welt galt —, seit einiger Zeit mit dieser Martuccia eine galante Beziehung pflog. An eben diesem Abend suchte er sie überall, wo er hoffen konnte, sie zu treffen. Als er sie nirgends fand und gehört hatte, daß im Hause Lanfranchi ein Fest stattfand, faßte er Argwohn und erschien bei Lanfranchi um Mitternacht, begleitet von vielen Bewaffneten. Man ließ ihn ein, forderte ihn auf, sich zu setzen und am Fest teilzunehmen; aber nach einigen recht gezwungenen Worten gab er Martuccia ein Zeichen, sich zu erheben und ihm zu folgen. Während sie ganz verwirrt und in Vorahnung dessen, was geschehen würde, zögerte, erhob sich Capecce, ging auf das junge Mädchen zu, faßte es bei der Hand und versuchte, es mit sich zu ziehn. Der Kardinal, zu dessen Ehren Martuccia gekommen war, widersetzte sich lebhaft ihrem Fortgehn. Capecce aber bestand darauf und versuchte, sie mit Gewalt aus dem Saal zu ziehen.

      Der Kardinal, der an diesem Abend gar nicht in Amtstracht gekleidet war, zog den Degen und verhinderte mit all der Kraft und Kühnheit, die ganz Rom an ihm kannte, das Fortgehen des jungen Mädchens. Marcello rief, trunken vor Zorn, seine Leute herein; aber es waren in der Mehrzahl Neapolitaner, und als sie zuerst den Sekretär des Herzogs und dann auch noch den Kardinal erkannten, den seine ungewohnte Kleidung zuerst unkenntlich 36gemacht hatte, steckten sie ihre Schwerter ein; sie wollten sich nicht mehr schlagen und legten sich ins Mittel, den Streit zu schlichten.

      Während dieses Streites war Martuccia, obgleich umringt und von Marcello an der linken Hand gehalten, geschickt genug gewesen, zu entschlüpfen. Sobald Marcello ihre Abwesenheit merkte, lief er ihr nach und seine ganze Bande folgte ihm.

      Aber aus dem Dunkel der Nacht erwuchsen die seltsamsten Gerüchte, und am Morgen des zweiten Januar war die Hauptstadt von Berichten über den gefährlichen Kampf überschwemmt, der, wie man sagte, zwischen dem Kardinal und Marcello Capecce stattgefunden habe. Der Herzog von Palliano, kommandierender General der päpstlichen Armee, hielt die Sache für weit schlimmer als sie wirklich war, und da er mit seinem Bruder, dem Kardinal-Kanzler, nicht sehr gut stand, ließ er noch in der Nacht Lanfranchi verhaften; früh am nächsten Morgen wurde auch Marcello gefangen gesetzt. Dann erst kam man darauf, daß niemand das Leben verloren habe und daß diese Festnahmen nur den Skandal vergrößerten, der ganz auf den Kardinal zurückfiel. Man beeilte sich, die Gefangenen wieder in Freiheit zu setzen und die drei Brüder vereinigten ihre unbegrenzte Macht, um die Angelegenheit niederzuschlagen. Erst hofften sie, es würde ihnen glücken; aber am dritten Tag kam die ganze Geschichte dem Papst zu Ohren. Er ließ seine beiden Neffen zu sich rufen und sprach zu ihnen wie nur ein so frommer und in seiner Frömmigkeit so tief verletzter Fürst der Kirche sprechen konnte.

      Als am fünften Tage des Januar eine große Anzahl von Kardinälen zur Congregatio Sancti Officii vereinigt war, sprach der Papst als erster von dieser abscheulichen 37Sache; er fragte die anwesenden Kardinäle, wie sie wagen konnten, ihn nicht davon in Kenntnis zu setzen.

      „Ihr schweigt! Und doch rührt der Skandal an der erhabenen Würde, die Ihr bekleidet. Kardinal Carafa hat es gewagt, sich in der Öffentlichkeit in einem weltlichen Gewand und den nackten Degen in der Hand zu zeigen. Und zu welchem Zweck? Um sich an einer ehrlosen Kurtisane zu erfreuen!“

      Man kann sich die Totenstille denken, die diesen Worten gegen den Kardinal-Minister unter allen Anwesenden folgte. Vor ihnen stand ein Greis von achtzig Jahren, voll Zorn gegen den so geliebten Neffen, dem er bisher alle Freiheit gelassen hatte. In seiner Entrüstung sprach der Papst weiter davon, seinem Neffen den Kardinalshut zu nehmen.

      Der Zorn des Papstes wurde noch durch den Gesandten des Großherzogs von Toskana genährt, der sich über eine neue Anmaßung des Kardinalkanzlers beklagte. Der unlängst noch so mächtige Kardinal meldete sich bei Seiner Heiligkeit für die gewohnte Arbeit. Der Papst ließ ihn volle vier Stunden vor aller Augen im Vorzimmer warten; dann schickte er ihn weg, ohne ihn zur Audienz zuzulassen. Man kann ahnen, wie der unbändige Stolz des Kardinals darunter litt. Er war gereizt, aber keineswegs niedergedrückt; er überlegte, daß der vom Alter geschwächte und wenig an die Geschäfte gewöhnte Greis, der sein ganzes Leben hindurch sich von der Liebe zu seiner Familie hatte leiten lassen, bald wieder genötigt sein würde, auf seine Tatkraft zurückzugreifen. Aber die fromme Tugend des heiligen Papstes trug den Sieg davon; er berief die Kardinäle, und nachdem er sie lange ohne zu sprechen angesehn hatte, brach 38er in Tränen aus und zögerte nicht, etwas zu tun, das wie eine Buße war.

      „Die Schwäche des Alters“, sagte er, „und die Sorgfalt, die wir für die Angelegenheiten unserer heiligen Kirche aufwenden, in der wir, wie Ihr wißt, alle Mißbräuche ausmerzen wollen, haben uns bewogen, unsere weltliche Autorität unsern drei Neffen anzuvertrauen; sie haben ihr Amt schwer mißbraucht und wir entlassen sie für immer.“

      Man verlas darauf ein Breve, durch welches die Neffen aller ihrer Würde entkleidet und in armselige Dörfer verwiesen wurden. Der Kardinalkanzler wurde nach Civita Lavinia verbannt; der Herzog von Palliano nach Soriano und der Marchese nach Montebello. Durch dieses Breve ging der Herzog auch seiner regelmäßigen Gehälter verlustig, die sich auf 62 000 Piaster beliefen, was im Jahre 1838 mehr als eine Million bedeutet.

      Es konnte nicht die Rede davon sein, diesen strengen Befehlen nicht zu gehorchen, zumal die Carafa das ganze Volk Roms, das sie verabscheute, zu Feinden und Aufpassern hatte.

      Der Herzog von Palliano schlug nun, in Begleitung seines Schwagers, des Grafen d'Aliffe und Leonardos del Cardine seinen Wohnsitz in dem kleinen Dorf Soriano auf, während die Herzogin und ihre Schwiegermutter nach Gallese zogen, einem ärmlichen Neste, zwei knappe Meilen von Soriano entfernt.

      Diese Gegend ist entzückend, aber es war doch eine Verbannung, und man war aus Rom vertrieben, wo man noch gestern mit aller Anmaßung geherrscht hatte.

      Marcello Capecce war mit den andern Höflingen seiner Herrin in das ärmliche Dorf in die Verbannung gefolgt. An Stelle der Huldigungen ganz Roms sah sich 39diese noch vor wenigen Tagen so mächtige Frau, die ihren Rang mit dem ganzen Ungestüm ihres Stolzes genoß, nur