Ueberhaupt aber, wie sollte der, welcher für sich, nebst Weib und Kind, ein redliches Auskommen sucht, zugleich sich der Wahrheit weihen? der Wahrheit, die zu allen Zeiten ein gefährlicher Begleiter, ein überall unwillkommener Gast gewesen ist, – die vermuthlich auch deshalb nackt dargestellt wird, weil sie nichts mitbringt, nichts auszuteilen hat, sondern nur ihrer selbst wegen gesucht seyn will. Zwei so verschiedenen Herren, wie der Welt und der Wahrheit, die nichts, als den Anfangsbuchstaben, gemein haben, lässt sich zugleich nicht dienen: das Unternehmen führt zur Heuchelei, zur Augendienerei, zur Achselträgerei. Da kann es geschehn, daß aus einem Priester der Wahrheit ein Verfechter des Truges wird, der eifrig lehrt was er selbst nicht glaubt, dabei der vertrauensvollen Jugend die Zeit und den Kopf verdirbt, auch wohl gar, mit Verleugnung alles litterarischen Gewissens, zum Präkonen einflußreicher Pfuscher, z. B. frömmelnder Strohköpfe, sich hergiebt; oder auch, daß er, weil vom Staat und zu Staatszwecken besoldet, nun den Staat zu apotheosiren, ihn zum Gipfelpunkt alles menschlichen Strebens und aller Dinge zu machen, sich angelegen seyn läßt, und dadurch nicht nur den philosophischen Hörsaal in eine Schule der plattesten Philisterei umschafft, sondern am Ende, wie z. B. Hegel, zu der empörenden Lehre gelangt, daß die Bestimmung des Menschen im Staat aufgehe, – etwan wie die der Biene im Bienenstock; wodurch das hohe Ziel unsers Daseyns den Augen ganz entrückt wird.
Daß die Philosophie sich nicht zum Brodgewerbe eigne, hat schon Platon in seinen Schilderungen der Sophisten, die er dem Sokrates gegenüberstellt, dargethan, am allerergötzlichsten aber im Eingang des Protagoras das Treiben und den Succeß dieser Leute mit unübertrefficher Komik geschildert. Das Geldverdienen mit der Philosophie war und blieb, bei den Alten, das Merkmal, welches den Sophisten vom Philosophen unterschied. Das Verhältniß der Sophisten zu den Philosophen war demnach ganz analog dem zwischen den Mädchen, die sich aus Liebe hingegeben haben und den bezahlten Freudenmädchen. So sagt z. B. Sokrates (Xenoph. Memorab. L. I, c. 6, §. 13): ΄Ω ΄Αντιφων, παρ ημιν νομιζεται την ωραν και την σοφιαν ομοιως μεν καλον, όμοιως δε αίσχρον διατιθεσθαι έιναι. την τε γαρ ώραν, έαν μεν τις άργυριου πωλη τω βουλομενω, πορνον αύτον άποκαλουσιν, έαν δε τις, όν άν γνω καλον τε καλαθον εραστην όντα, τουτον φιλον έαυτω ποιηται, σωφρονα νομιζομεν. και την σοφιαν ωσαυτως τους μεν άργυριου τω βουλομενω πωλουντας σοφιστας ώσπερ πορνους άποκαλουσιν, όστις δε όν άν γνω εύφυα οντα διδασκων ό, τι άν έχη αγαθον φιλον ποιειται, τουτον νομιζομεν, ά τω καλω καγαθω πογιτη προσηκει, ταυτα ποιειν. – Daß aus diesem Grunde Sokrates den Aristipp unter die Sophisten verwies und auch Aristoteles ihn dahin zählt, habe ich bereits in meinem Hauptwerk, Bd. 2, K. 17, S. 162 (3. Aufl. S. 179) nachgewiesen. Daß auch die Stoiker es so ansahen, berichtet Stobäos (Ecl. eth. L. II, c. 7). – των μεν αύτο τουτο λεγοντων σοφιστευειν, το έπι μισθω μεταδιδοναι των της φιλοσοφιας δογματων. των δ΄ ύποτοπησαντων έν τω σοφιστευειν περιεχεσθαι τι φαυλον, οίονει λογους καπηλευειν, όυ φαμενων δειν άπο παιδειας παρα των έπιτυχοντων χρηματιζεσθαι, καταδεεστερον γαρ έιναι τον τροπον τουτον του χρηματισμου του της φιλοσοφιας άξιωματος. (S. Stob. ecl. phys. et eth., ed. Heeren, part. sec. tom. pr. p. 226.) Auch der Jurist Ulpian zeigt eine hohe Meinung von den Philosophen; denn er nimmt sie von Denen aus, die für liberale (d. h. einem Freigeborenen anstehende) Dienstleistungen eine Entschädigung beanspruchen dürfen. Er sagt (Lex. I, §. 4, Dig. de extraord. cognit., L. 13): An et philosophi professorum numero sint? Et non putem, non quia non religiosa res est, sed quia hoc primum profiteri eos oportet, mercanariam operam spernere. Die Meinung war in diesem Punkt so unerschütterlich, daß wir sie selbst noch unter den spätern Kaisern in voller Geltung finden; indem sogar noch beim Philostratus (Lib. I, c. 13) Apollonius von Thana seinem Gegner Euphrates das την σοφιαν καπηλευειν (sapientiam cauponari) zum Hauptvorwurf macht, auch in seiner 51sten Epistel eben diesem schreibt: επιτιμωσι σοι τινες, ώς ειληφοτι χρηματα παρα του βασιλεως. όπερ ουκ ατοπον, ει μη φαινοιο φιλοσοφιας ειληφεναι μισθον, και τοσαυτακις, και επι τοσουτον, και παρα του πεπιστευκοτος ειναι σε φιλοσοφον. (Reprehendunt te quidam, quod pecuniam ab imperatore acceperis: quod absonum non esset, nisi videreris philosophiae mercedem accepisse, et toties, et tam magnam, et ab illo, qui te philosophum esse putabat.) In Uebereinstimmung hiemit sagt er, in der 42sten Epistel, von sich selbst, daß er nöthigenfalls ein Almosen, aber nie, selbst nicht im Fall der Bedürftigkeit, einen Lohn für seine Philosophie annehmen würde. Εαν τις Απολλωνιω χρηματα διδω, και ό διδους αξιος νομιζηται, ληφεται δεομενος. φιλοσοφιας δε μισθον ου ληφεται, κ΄ αν δεηται. (Si quis Apollonio pecunias dederit et qui dat dignus judicatus fuerit ab eo; si opus habuerit, accipiet. Philosophiae vero mercedem, ne si indigeat quidem accipiet.) Diese uralte Ansicht hat ihren guten Grund und beruht darauf, daß die Philosophie gar viele Berührungspunkte mit dem menschlichen Leben, dem öffentlichen, wie dem der Einzelnen, hat; weshalb, wenn Erwerb damit getrieben wird, alsbald die Absicht das Uebergewicht über die Einsicht erhält und aus angeblichen Philosophen bloße Parasiten der Philosophie werden: solche aber werden dem Wirken der ächten Philosophen hemmend und feindlich entgegentreten, ja, sich gegen sie verschwören, um nur was ihre Sache fördert zur Geltung zu bringen. Denn sobald es Erwerb gilt, kann es leicht dahin kommen, daß, wo der Vortheil es heischt, allerlei