»… und jede Kaldaune soll mir einzeln aus dem Bauche gezogen werden, wenn ich eines dieser Versprechen …«
Das ist nur eine der Eidesformeln, welche da zu lesen waren. Es war eben Karlemann, der das aufgesetzt hatte.
»Niemals etwas verraten, hm. Sich niemals besaufen, hm. Mich niemals bemausen, hm … Da fehlt aber doch gerade die Hauptsache!!«
»Welche?«
»Na, daß keiner von den Kerlen heiraten tut!!«
Wir schließen hiermit diese Episode aus Karlemanns Leben, wie dieser deutsche Zigeunerknabe auch einmal in Deutschland eine Gastrolle gegeben hat, es dem Leser überlassend, sich selbst auszumalen, wie die erwachenden Lehrer das ganze Gottesasyl leer finden. Wir wenden uns wieder unserem Haupthelden zu.
IN DEN ARMEN DES GRÜNEN TODES.
Der Weg nach dem unbekannten, geheimnisvollen Lande stand mir offen – der Weg dazu, noch nicht dieses Land selbst! – nur noch ein Hindernis war zu bedenken, und darüber konnte ich nur mit Blodwen sprechen.
Ich tat es. Zuerst verstand sie mich nicht, obgleich ich doch schon deutlich genug geworden zu sein glaubte, deswegen schon ganz rot geworden war. Ich war in so etwas ein kurioser Kauz. Ich konnte fluchen und schwören, mit jedem Mädel machte ich kurzen Prozeß, aber … gerade bei so etwas haperte es immer mit den Worten, da wurde ich rot, und ich glaube, das gereichte mir nur zur Ehre. Wer in meiner Gegenwart mit so etwas Unsinn machte oder gar darüber spottete, dem verbot ich es, und ließ er nicht ab davon, dann fuhr ich mit ihm längs.
»Was willst du nur?« fragte sie erstaunt, nachdem ich schon einige Zeit herumgestottert hatte.
»Na, du weißt doch.«
»Was denn nur?«
»Na ja – siehst du – das ist doch eben so – das ist doch nun einmal nicht zu ändern – und – wir sind doch alle einmal geboren worden – ich auch – du auch …« sie blickte mich etwas ängstlich von der Seite an.
»Richard, du bist doch nicht etwa – etwa – schon voll des süßen Weines, sintemal es erst die zehnte stunde ist?«
Da endlich war für mich das erlösende Wort gesprochen.
»Nee, das bin ich nicht – aber weil du gerade selber davon anfängst – von wegen des süßen Weines – oder des süßen Geheimnisses – na, du weißt doch …«
Herrgott, kann so ein Frauenzimmer manchmal schwer von Begriffen sein! Aber jetzt hatte sie doch endlich kapiert, was ich eigentlich meinte. Und da fing sie auch noch zu lachen an!
»Na, da gibt’s doch gar nischt zu lachen dabei,« versuchte ich mich jetzt ärgerlich zu stellen, »das ist doch eine furchtbar ernste Geschichte – und – und – ich selber hab’s zwar noch nicht durchgemacht, aber – aber …«
Jetzt kam auch ich wieder in den Unsinn hinein!
»Also kurz und gut,« raffte ich mich dann wieder zusammen, »ich verstehe von so etwas nischt – ich bin Seemann – und – und – ich habe zwar Pastor werden sollen – aber – aber – ich weiß nicht, wie lange so eine Geschichte noch dauert – und – und – mir steht es ja ganz frei, erst noch einen anderen Hafen anzulaufen, ich bringe dich hin, wohin du willst, meinetwegen nach Peking, wo du die Geschichte ruhig abwarten kannst …«
Nun war es völlig heraus, ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Und dieses Frauenzimmer lachte noch immer.
Dann aber wurde sie ernst.
»Du meinst, ich soll dich verlassen? Du willst mich irgendwo an Land bringen? Du willst die abenteuerliche Fahrt allein machen?«
»Ja – das heißt nicht allein, sondern mit meinen Jungen. Aber dich bringe ich irgendwohin, wo – wo du – Herrgott, du weißt doch, was ich meine!«
»Ja, ich weiß es. Wie lange wird diese Fahrt dauern?«
»Ich bin Karlemann noch auf elf Monate verpflichtet, und im schlimmsten Falle muß ich auch so lange aushalten.«
»Ich komme mit dir.«
Sie hatte diese vier Worte in einem Tone gesprochen, die mehr sagten als hundert andere, da gab es keinen Widerspruch mehr.
Und ich war nur froh, diese Angelegenheit endlich erledigt zu haben – wenn die wollte, war es ja gut, da hat der Mann doch überhaupt gar nichts dreinzureden, da wird auch der größte Kriegsheld zum armseligen Duckmäuser, und an so etwas, wie aus irgendeinem Hafen erst so eine Frau zu holen, wenn’s auch eine Schwarze war, die dergleichen überhaupt ganz ausgezeichnet verstehen sollen, dachte ich in diesem Augenblick gar nicht. Was wußte ich ungeschlachter Seebär denn von so etwas – wenn ich auch hatte Pastor werden sollen.
»Wenn du denkst, dann ist es ja gut – und wir sind doch genug Mann – vierundsechzig Hände, die schaffen schon etwas – und da ist der Fritze, der kann alles, wenn er auch etwas dämlich ist – und überhaupt, an Bord gibt’s kein Unmöglich – und wenn auch alles bricht und reißt, da wird alles wieder geflickt…«
So stotterte ich noch, dann machte ich, daß ich schnellstens auf die Kommandobrücke kam, erst dort oben in meiner erhabenen Höhe wieder aufatmend, herzlich froh, diese delikate Geschichte endlich hinter mir zu haben.
Und nun nordwestwärts ahoi!! Der Südwind wurde nach besten Kräften ausgenutzt. Galt es doch auch, so viel wie möglich Kohlen zu sparen; sie bedeuteten für uns indirekt Trinkwasser, falls wir später destillieren mußten.
Am sechsten Tage, ziemlich auf dem 20. Breitengrade, kam die Fucusbank in Sicht, und nun gleich hinein mit voller Kraft in das grüne, zähe Gewinde, an einer Stelle, wo es freilich wohl noch kein Schiff gewagt hatte – mit Ausnahme jener einzelnen Menschen, die noch außer uns das Geheimnis kannten, von denen Karlemann es erst erfahren hatte.
Wegen des direkten Westwindes mußte jetzt unter Dampf gefahren werden, und zwar zunächst ohne Messervorrichtung. Ich wollte erst einmal prüfen, wie weit man so unter normalen Verhältnissen kommen könnte.
Weit wurde das nicht. Zuerst häufte sich der Seetang am Bug auf, doch er konnte zunächst noch mit einer Stange abgestoßen werden. Das war also nicht anders als auf jenen Strecken, wo jedes Schiff auf diesen Fahrten die Fucusbank durchkreuzen muß – doch das sind eben nur Ausläufer, und auch hier an der äußersten Grenze war es nur schwimmender Seetang, der sich losgerissen hatte.
Ich zog einige grüne Schlingpflanzen an Deck und maß sie in ihrer ganzen Länge. Zweihundertsiebzig – sogar etwas über dreihundert Meter lange Seile! Das will gewiß etwas heißen! Der Fucus ist eben die längste Pflanze, welche es auf der Erde gibt. Man will schon welche über tausend Meter Länge gemessen haben, was ich aber zu bezweifeln wage. Die Verhältnisse seines Wachstums, wie lange der Seetang braucht, um solche Länge zu erreichen, das ist noch völlig unbekannt. Man weiß noch nicht einmal, ob er sich vom Meeresgrunde aus entwickelt, oder ob er nach unten treibt, bis seine Wurzeln festen Boden finden.
So waren wir kaum eine Stunde gefahren, als der sich häufende Seetang sich nicht mehr entfernen ließ. Man mußte ihn mit der Stange immer hoch heben und zur Seite werfen, das ging jetzt nicht mehr, er leistete Widerstand – hier reichten die Wurzeln eben schon bis auf den Meeresgrund, wo sie festen Halt hatten. Das Gewinde auszureißen, war ganz unmöglich, es gelang mir nicht einmal mit einer einzigen Pflanze, und als ich sie um die Winde legte, riß die Schlingpflanze selbst. Die Elemente, Sturm und Strömung, vermögen eben mehr als schwache Menschenkräfte.
Daß wir hier in eine andere Region der Meerwiese kamen, war auch gleich äußerlich zu sehen. Bisher hatte das grüne Zeug wirklich nur auf dem Wasser geschwommen, sich