Lida Winiewicz
Katzentisch
Lida Winiewicz
Katzentisch
Kulinarische Abenteuer
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© 2009 by Amalthea Signum Verlag, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Illustrationen Schutzumschlag und Inhalt: Markus Szyszkowitz
Herstellung und Satz: studio e, Josef Embacher
Gesetzt aus der 12/14,5 Goudy Oldstyle
Gedruckt in der EU
ISBN 978-3-85002-693-2
eISBN 978-3-902862-59-4
Vorwort
Frauen ohne Begleitung landen in Restaurants nicht selten am Katzentisch.
Der Katzentisch steht beim Klo, neben der Küchenschwingtüre, die bei jedem Kellnerdurchmarsch, Luftzug entfachend, erzittert. Oder an der Kleiderablage, dicht vor fremden Jacken und Mänteln, deren Besitzer die Essende unter viel »Pardon!« behindern.
Oder bei der Service-Anrichte, mit Teller- und Besteck-Geklirr, wo man sich beim tüt-tüt-tüt der elektronischen Kasse in Donaueschingen wähnt, dem Mekka der Gegenwartsmusik.
Darüber wollte ich schreiben. Aber schon bald erwies sich das Thema als verblüffend monoton: man kommt, wird gering geschätzt, hadert mit Gott und dem Kellner und schwört, nie mehr wieder zu kommen.
Keine nennenswerten Varianten.
Daher suchte (und fand) ich andernorts kulinarische Abenteuer: auf offener Straße, daheim, im Hochgeschwindigkeitszug oder im Pausenfoyer der Oper.
Der Titel KATZENTISCH blieb.
Und mit ihm, auf samtenen Pfoten, das Präsentatorenteam. Artig schnurrend, empfiehlt es nicht nur die Geschichten der Gunst des Publikums, sondern nebenbei auch die Autorin
Empfehlung
Es regnet in Strömen. Ich flüchte ins erstbeste Restaurant.
Ein koreanisches, zeigt sich.
Die Speisekarte, bemalt mit schwarzen Schriftzeichen, erinnert – ich bitte um Verzeihung – an Briefe in Kindergeheimschrift:
Strichmännchen, eckige Zeichen, dazwischen kreisrunde Schnörkel, die aussehen wie winzige Schnecken.
Auf der vorletzten Seite findet sich das Angebot auf Deutsch:
Gemüs, Hun, Reis, Nudel. Es folgt ein längerer Absatz auf Koreanisch, mit Übersetzung:
»Liebe Gast!
Danke Sie gekommen hier.
Unser koreanisch speisen sehr, sehr gesund.
Sie bei uns essen jeder Tag und sie werden haben Haut wie Pfirsich und Verdau wie Uhr, immer pünktlich. Sie essen bei uns zwei Wochen und wenn dann nicht jünger aussehen Sie bekommen Geld zurück.
Bei uns viel Gemüs, wenig Fleisch.
Fleisch nicht gesund wie Gemüs. Viel wenig gesund als Gemüs, und viel mehr teuer, denn bevor wir Tier essen Tier essen selber und was Tier essen, wir können auch essen, und sparen Umweg über Tier.«
Das hat was für sich, denke ich. Und bestelle Wok-Gemüse.
Der Kellner, in weißem Leinen, bringt das Gericht sehr schnell. Es duftet.
Und diese Farben! So hellgrüne Erbsenschoten sind mir noch nie gelungen. Vom Gelb des Mais ganz zu schweigen. Und dem Milchweiß des Karfiols. Der Reis im Schüsselchen klumpt nicht. Jedes einzelne Korn liegt frei!
Ich nehme mir vor, zwei Wochen täglich hierher zu kommen und recht viel Gemüs zu essen. Wer wünscht sich nicht Haut wie Pfirsich und Verdau wie Uhr, immer pünktlich.
Ich zahle und gehe zum Ausgang, vorbei an der Küche, deren Tür einen Spalt offen steht.
Der Koch, weißbeschürzt und -bemützt, sitzt an einem Tisch und isst Würstel.
Arbeitsgeist
BILLA-Kasse.
Warteschlange.
Mein Wagerl ist prall gefüllt. Feiertage stehen bevor, inklusive Fenstertag, man deckt sich ein, als drohe eine Belagerung.
Hinter mir ein Werktätiger: rotes Gesicht, blonder Schnauzbart, blaue Latzhose, Werkzeuggürtel. Er hat zwei Bierflaschen dabei.
Ich habe einen gütigen Tag: »O. k., gehen Sie vor!« »Nein, danke.«
Er rührt sich nicht. Und da ich staune: »Ich bin nämlich in der Dienstzeit!«
Fehleinschätzung
Es gibt Orte, da kommt man ins Reden. Flughäfen, zum Beispiel, bei Nebel. Man wartet. Man hat Zeit. So kam ich eines Tages mit einem Koch ins Gespräch, genauer, dem Küchenchef eines Berliner Hotels.
Nachdem er sich vorgestellt hatte, bemerkte er: »Scheißberuf«.
Das überraschte mich. Ich hatte in Kategorien Bocuse, Witzigmann, Puck gedacht und mir unter »Küchenchef« etwas Glanzvolles vorgestellt.
Er sagte: »Sie haben keine Ahnung. Die Küche ist die Hölle.«
Ich wollte Näheres wissen.
»Es fängt mit der Ausbildung an. Der Kochlehrling steht ganz unten. Auf ihm trampeln alle herum. Er muss die Drecksarbeit machen, schälen, putzen, spülen, schleppen, er ist schuld, wenn etwas schiefgeht, keiner gibt ihm ein gutes Wort, keiner verteidigt ihn.«
»Und in Ihrer Küche?«, frage ich. »Jetzt, wo Sie Küchenchef sind? Sorgen Sie für die jungen Leute?«
»Nein!«, sagt der Mann. »Keine Zeit. Küchenarbeit ist Knochenarbeit. Wir stehen unter unmenschlichem Zeitdruck. Wer fünfhundert Essensportionen verschiedenster Art Punkt zwölf fixfertig haben muss, dem bleibt keine Zehntelsekunde, um an den Lehrling zu denken. Man rettet die eigene Haut. Außerdem: jeder Küchenchef war vor Jahren selber Lehrling. Er musste da auch durch.
Warum sollen es andere besser haben?«
»Weil’s keinen Fortschritt gibt, wenn alles sich nur wiederholt.«
»Den gibt’s auch nicht!«, sagt der Mann. »Menschlich gesehen. Technisch, sehr wohl. Wir haben heute Küchenmaschinen, von denen konnte ich in meiner Lehrlingszeit nur träumen: hygienischer, effizienter, leichter zu reinigen, toll. Die Technik verbessert sich dauernd. Der Mensch verbessert sich nicht. Und wer Gelegenheit hat, einen Mitmenschen zu tyrannisieren, der nützt sie.«
»Sie auch?«
»Ich auch.«
»Und das ist das Wichtigste?«
»Was?«
»Dass