VERRÄTER (Extreme 2). Chris Ryan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Chris Ryan
Издательство: Bookwire
Серия: Extreme
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352704
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Schüsse in den Bauch einen Menschen nicht um, und Hauser hatte strikte Weisung, niemanden umzubringen. Nur verletzen. In schneller Folge feuerte er die Schüsse ab. Zwei Sekunden zwischen jedem Schuss. Jedes Mal gab die Mündung ein pfeifendes Geräusch von sich, und der Lauf zuckte nach oben.

      Leute fielen zu Boden.

      Die Menge war nach den ersten beiden Schüssen verunsichert. Der eingebaute Schalldämpfer verhinderte, dass sich die Schüsse wie das donnernde Ka-Rack einer Kugel anhörten. Aber als das dritte Ziel zusammenbrach, wusste jeder, dass etwas Furchtbares vor sich ging. Panik brach los, alle versuchten, sich in Sicherheit zu bringen.

      Vierundzwanzig Sekunden. So lange hatte Hauser gebraucht, um acht Zivilisten auf dem Gehsteig niederzustrecken, wo sie in ihrem eigenen Blut lagen und Wunden umklammerten. Die Opfer waren auf seltsame Weise stumm. Niemand wagte es, sich ihnen zu nähern. Jeder klar denkende Mensch würde erst ein sicheres Anzeichen abwarten, dass die Schüsse aufgehört hatten.

      Hauser trat von dem Fenster zurück. Er war zuversichtlich, dass ihn niemand gesehen hatte. Der Schalldämpfer hatte neunzig Prozent des Geräuschs geschluckt, was es schwierig machte, überhaupt genau zu sagen, ob es sich um Gewehrschüsse gehandelt hatte, geschweige denn ihren Ursprungsort ausfindig zu machen. Ein Windstoß wehte herein. Die Plane flatterte. Hauser klappte schnell die Waffe zusammen und verstaute sie wieder in der Werkzeugkiste. Den Overall würde er rasch entsorgen, in einer nahegelegenen öffentlichen Toilette, zusammen mit einem angezündeten Streichholz und etwas feuchtem Toilettenpapier, um den Rauchmelder zu täuschen. Er verließ den Raum.

      In der Ferne waren Polizeisirenen zu hören. Und nun auch Schreie aus der Menge, als hätten die Sirenen ihnen die Erlaubnis dafür erteilt.

      Kapitel 2

       Hereford, Großbritannien, am nächsten Tag, 22:33 Uhr

      Er kippte es mit drei großen Schlucken hinunter, was die Bardame den Kopf schütteln ließ und die drei kauzigen Alkoholiker am anderen Ende der Bar dazu veranlasste, mit einem Nicken das neueste Mitglied ihres Klubs willkommen zu heißen. Joe Gardner leerte sein London Pride und schob der Bardame das schaumige Glas entgegen.

      »Noch eins«, sagte er.

      Die Barfrau schnappte sich sein leeres Glas und stellte es unter die Zapfanlage. Goldfarbenes Bier floss aus dem Hahn und setzte sich zu einem dunklen Bronzestrich ab. Sie stellte das Glas mit einer dicken Schaumkrone vor ihm ab.

      »Cheers, Kate.« Gardner hob sein Glas für einen Toast, aber sie drehte ihm bereits wieder den Rücken zu. »Du hast was vergessen.«

      Kate seufzte. »Und das wäre?«

      »Deine Telefonnummer.«

      »Eine Schelle ist das Einzige, was du von mir kriegst.« Ein angewiderter Gesichtsausdruck zog sich über die rechte Seite ihres Gesichts. Gardner bezweifelte, dass ihre linke Seite sehr viel freundlicher aussah. »Das ist das letzte Glas, bis du deine Rechnung bezahlst.«

      »Jetzt mach mal halblang«, grunzte Gardner und wühlte in den Taschen seiner Jeans nach Kleingeld.

      Dann sagte eine Stimme zu seiner Linken: »Das geht auf mich.«

      Aus dem Augenwinkel erhaschte Gardner einen Blick auf eine Hand mit geröteten Knöcheln, die der Bardame zwei taufrische Zwanzig-Pfund-Noten zuschoben. Sie musterte argwöhnisch den Kopf der Queen, bevor sie die Scheine akzeptierte.

      »Danke. Das sollte reichen.«

      »Gern geschehen«, sagte die Stimme. »Schließlich müssen wir für unsere Leute da sein.«

      Die Stimme war heiser, und der Atem des Mannes wehte über Gardners Gesicht und stieg ihm übel in die Nase. Es war der rauchige, medizinische Geruch nach billigem Whisky.

      »Hab ich dich nicht mal in der Glotze gesehen?«

      Gardner drehte sich nicht um.

      »Doch, klar«, fuhr die Stimme fort. »Du bist der Kerl vom Regiment. Der am Parliament Square war. Warst an dem Tag der große Held.«

      Die Stimme nippte an ihrem Whisky. Eis klapperte gegen das Glas.

      »Du siehst scheiße aus, Mann«, sagte die Stimme. »Was ist passiert?«

      Gardner nahm einen Schluck aus seinem Glas – und schwieg.

      »Nein, warte. Ich kann mir vorstellen, was passiert ist. Ich meine, sieh dich doch nur mal an, verdammt. Du bist ein Witz. Du bist ein richtig dämliches Arschloch.«

      Gardner stellte sein Bier auf der Bar ab. Kate war verschwunden. Er drehte sich langsam zu seinen neuen besten Freund um.

      »Stimmt genau. Ein komplett dämliches Arschloch.«

      Der Typ sah genauso hässlich aus, wie er sich anhörte. Rote Wangen hingen wie Sandsäcke unter zwei Knopfaugen, in einem Kopf, der von einer Meckifrisur eingerahmt wurde. Er wog irgendwas um die hundert Kilo, die Hälfte davon Muskeln, der Rest Fett, das in einem früheren Leben mal Muskelmasse gewesen war. Das Glas vor ihm war halb voll mit Whisky und Eis. Sein glasiger Blick verriet Gardner, dass es nicht der erste Drink des Typen an diesem Abend war, und auch nicht sein zehnter.

      »Ich will keinen Ärger«, sagte Gardner leise.

      »Aber trotzdem hast du welchen an der Backe. Es gibt echt nichts Tragischeres als einen abgefuckten alten Blade.« Der Mann starrte auf den prismenförmigen Boden seines Trinkglases. »Weißt du was? Jemand sollte dich am besten gleich hier von deinem miesen Schicksal erlösen.«

      Gardner versuchte, sich auf den Mann zu konzentrieren, und sah ihn doppelt. Das konnte einem Mann passieren, der sechzehn Gläser Pride und ein paar Kurze aus dem oberen Regal intus hatte. Leise klopfte der Regen gegen die Fenster des Pubs. Der Kerl beugte sich nah an Gardner heran und flüsterte ihm ins linke Ohr: »Ich hingegen bin ein 3 Para. Fallschirmjäger. Ein echter Soldat. Ein echter Mann.« Er winkte der Bardame zu. »Stimmt doch, Kate, oder?« Sie lächelte ihn kokett an. Dann drehte sich der Kerl wieder zu Gardner. »Und jetzt tu' mir einen Gefallen und zieh Leine.«

      Ein selbstgerechtes breites Grinsen gab es als Abschiedsgeschenk dazu.

      Gardner trank hastig aus und machte sich auf den Weg zum Ausgang.

      Draußen auf dem verlassenen Parkplatz peitschte der Regen als schräge Eispfeile hinab. Gardner zog seine Nylon-Windjacke zu, um sich vor Kälte und Feuchtigkeit zu schützen. Der Rose-in-June-Pub lag am Stadtrand von Hereford, und die niedrigen Mieten hier waren wohl der einzige Grund, warum er noch nicht schließen musste. Gardner machte sich auf den Weg durch die Seitenstraßen, die sich in Richtung des Hauptsitzes des Regiments schlängelten. Er umrundete das Wohngebiet, das früher einmal das alte Regiments-Camp auf der Sterling Lane war. Jetzt gehörte alles der Stadt. Der Regen wurde stärker und prasselte auf die leere Straße, die die Wohnanlage säumte. Gardner konnte nur zwei oder drei Yards weit sehen. Ein unbarmherziger Wind peitschte durch die Straße und in sein Gesicht. Gardner schloss die Augen. Vom rhythmischen Trommeln des Regens gedämpft hörte er Stimmen.

      Als er die Augen wieder öffnete, traf ihn eine Faust im Gesicht.

      Kapitel 3

       23:01 Uhr

      Die Faust traf Gardner hart und unvorbereitet, wie der Rückstoß eines Jets. Er fiel nach hinten um und schlug sich den Kopf an der Bordsteinkante. Ein stechender Schmerz bohrte sich in seinen Schädel, und er brauchte einen Moment, um sich wieder aufzurappeln. Du liegst auf dem Rücken. Deine Wange brennt, wegen eines verdammten Schlags. Und Para sieht auf dich hinunter.

      Paras Hände hingen zusammengeballt und wie Kugelhanteln an den Seiten hinab. Er zog die Nase hoch und spuckte Gardner an. Der Schleim flog wie ein Diskus in einem leichten Bogen durch den Regen und landete mit einem Ploppen auf seinem Hals.

      »Steh auf, Arschloch.« Durch den strömenden Regen war die Stimme des Paras kaum auszumachen.

      Gardner