Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman. Kathrin Singer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kathrin Singer
Издательство: Bookwire
Серия: Heimatkinder Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740912932
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Folge gehabt hatte, daß sie, Maria Gesswein, schließlich das Zepter in die Hand genommen hatte. Sie konnte zufrieden sein, denn ihr Töchterl tat es ihr nach und wurde so zu einer geschäftstüchtigen jungen Frau.

      »Ach, Mutterl, wennst doch nur net immer auf dem Vater herumreiten würdest!« Marianne winkte unwirsch ab. Sie liebte ihren Vater, konnte es aber nicht verwinden, daß er es der Mutter überlassen hatte, das große Hotel allein zu führen!

      »Ist schon recht. Schau, der Trubel geht gleich los!« Maria Gesswein schob ihren mächtigen Leib in die Höhe und ging verbindlich lächelnd auf die eintretenden, vor Kälte bibbernden Gäste zu.

      Entschlossen strich sich Marianne ihr langes, rotbraunes Haar zurück, erhob sich behende und ging mit wiegenden Schritten zur Rezeption.

      Die Zeit verging wie im Fluge. Es war bereits spät, als Martin Achner, in seinen dicken braunen Fellmantel gehüllt, in die Gaststube stapfte. Schneereste klebten noch an seinen Stiefeln, die nun auf dem kostbaren Teppichboden dunkle Flecken hinterließen. Es war ihm gleichgültig, daß ihm die Mutter seiner Liebsten einen mißbilligenden Blick zuwarf, ohne ihn zu begrüßen.

      »Oh, Martl, du kommst aber spät heut!« tadelte Marianne ihn. Sie legte den Kopf schief und stemmte die Hände in die Hüften.

      Umständlich hängte der Bursch den Mantel an den Garderobenhaken, ehe er sich verlegen grinsend zu dem Madl umwandte. »Tut mir leid, Mariandl, aber ’s ist grad viel los. Bis vor einer Stund war ich noch bei den Holzknechten im Berg.«

      Marianne verdrehte die Augen. Auch das noch! Nicht genug, daß er auf dem Hof fest zupacken mußte, nun ging er auch noch in den Berg! Sie hatte nichts gegen den Besitz des riesigen Waldstücks einzuwenden, das der Familie Achner seit drei Generationen gehörte, aber nach ihrer Meinung sparte der Bauer die Kosten für gescheites Personal auf Kosten seines Sohnes! So durfte das auf keinen Fall weitergehen. »Geh schon hinauf in mein Zimmer, Martl, ich hab was mit dir zu reden!« forderte sie ihn nun lächelnd auf, schob ihn zum Treppenaufgang und tätschelte ihm versöhnlich den Rücken.

      Verdattert folgte Martin ihrer Aufforderung. Was hatte das zu bedeuten? Das letzte Mal durfte er vor knapp drei Monaten ihr Zimmer betreten – das war, als sie…

      Ein seltsam süßes Gefühl erfaßte den Burschen, als er an jene Nacht dachte, in der Alois und Maria Gesswein in der Stadt weilten! Erst in jener Nacht war ihm bewußt geworden, wieviel ihm Marianne bedeutete.

      Doch die letzten Monate hatte sie ihm zur Qual gemacht. So oft er sich ihr auch nähern wollte, hatte sie stets irgendeinen Vorwand gehabt, um ihn fernzuhalten. Martin flüchtete sich in Arbeit, aber es wollte ihm nicht gelingen, das Dirndl aus seinen Gedanken zu verbannen. Etwas war mit ihnen geschehen, hatte sich zwischen sie geschoben.

      Nachdenklich ließ er sich auf das bequeme Sofa fallen und wartete geduldig auf Marianne. Er knipste die Stehlampe an, deren sanftes Licht dem kleinen Zimmer gemütliche Wärme gab.

      Kaum, daß er die langen Beine ausgestreckt hatte, öffnete sich leise die Tür. »So, mein Lieber, nun hab ich es endlich geschafft!« stöhnte Marianne, ließ sich auf Martins Knie gleiten, nahm sein schmales Gesicht in beide Hände und küßte ihn so leidenschaftlich, daß ihm die Luft wegblieb.

      Der Bursch zog ihren aufregend duftenden Körper an sich, ließ sich zurücksinken in die weichen Polster, gab sich völlig ihren weichen, fordernden Lippen hin.

      Nach einer Weile löste sich das Dirndl behutsam aus seinen Armen, setzte sich auf, als wäre nichts geschehen.

      Martin konnte sein Beben nicht unterdrücken, starrte Marianne fassungslos an, die sich jetzt mit ernster Miene auf den Sessel setzte und lässig die langen, schlanken Beine übereinanderschlug.

      »Mach net so ein deppertes Gsicht, Martl! Ich hab dir doch gsagt, daß ich mit dir zu reden hätt. Nun, ’s ist wahrlich net leicht, aber ich glaub, du hast ein Recht drauf, daß ich’s dir sag.« Belustigt beobachtete das Madl, wie Martin um seine Fassung rang. So ist’s recht, dachte sie triumphierend, jetzt gehst mir nimmer naus!

      »Mach’s net so spannend, sag schon, was es gibt.« Der Bursch war tief enttäuscht. Er setzte sich auf die Sofakante, beugte sich leicht vor und bemühte sich um einen gleichmütigen Gesichtsausdruck.

      Marianne sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Willst mich noch immer heiraten, Martl?«

      »Das weißt doch eh! Warum fragst denn?« Der Bursch war überrascht. Bislang hatte Marianne nichts davon wissen wollen.

      »Martin…« Das Dirndl machte eine wirkungsvolle Pause. »Martin, ich krieg ein Kind!«

      »Waaas?« Martin Achner sprang auf, griff erschüttert nach den schmalen Händen seiner Liebsten. »Seit wann weißt denn das?«

      »Seit zwei Monaten. Aber ganz sicher bin ich erst seit vier Wochen.«

      »Dirndl!« Martin kniete vor Marianne, legte sein heißes Gesicht in ihre Handflächen und murmelte: »Du machst mich zum glücklichsten Menschen auf der ganzen Welt!«

      »Geh, Martl! ’s wär ganz gschickt, wenn wir so bald wie möglich heiraten könnten, weißt, dann sieht man’s noch net so arg!« Das Mädchen entzog dem Überglücklichen die Hände. »Aber da ist noch was.«

      »Ja?« Mariannes Tonfall ließ den Burschen aufhorchen. Er stand langsam auf, sah aufmerksam auf sie hinunter.

      »Hm. Ich – ich kann dir nur mein Jawort geben, wennst deinen Vater überredest, dir den Hof zu überschreiben!« Nun war es drau­ßen!

      Martin stieg die Zornesröte in die Stirn. »Du – das kannst doch net verlangen! Net jetzt!«

      Marianne warf den Kopf in den Nacken. »Warum net? Glaubst, ich will einen Knecht heiraten? Was sollen denn die Leut von dir denken? Die reden doch gleich, daß du dich in ein warmes Nest setzen willst, wennst die reiche Hotelierstochter zur Frau nimmst! Überleg dir’s, Martl. Entweder du kriegst den Hof oder ’s gibt keine Hochzeit!«

      Ihre Stimme hatte einen metallenen Klang angenommen. Martin war wie vor den Kopf geschlagen. Was sie verlangte, war so ungeheuerlich, daß er im ersten Augenblick am liebsten davongelaufen wäre. Aber da war das Kind, sein Kind! Es sollte nicht ohne den Vater aufwachsen!

      Der Bursch verschränkte die Hände auf dem Rücken und ging bedrückt in dem kleinen Zimmer auf und ab. Kopfschüttelnd preßte er hinaus: »Mariandl, dein Preis ist arg hoch! Wie soll ich’s dem Vater beibringen? Er hat sein Leben lang nur für den Hof gerackert, wie es auch sein Vater getan hat.«

      »Dann wird’s allmählich Zeit, daß er den Hof abgibt. Martin, dein Vater ist alt, kann längst nimmer die Arbeit schaffen. Im Grund bist doch längst der eigentliche Bauer! Ohne dich tät doch gar nix laufen!« schmeichelte Marianne.

      Martin baute sich breitbeinig vor dem Dirndl auf. »Ich werd’s versuchen. Aber glaub mir, Mariandl, ich tu’s net wegen dir, sondern einzig für meinen Sohn!«

      Ohne einen Kuß, ohne Abschied verließ Martin Achner das Mädchen. In sein Herz war eine nie gekannte Leere eingezogen. Er hatte tatsächlich geglaubt, daß ihn Marianne um seiner selbst willen zum Manne nehmen wollte!

      *

      Gramerfüllt machte sich Martin Achner auf den beschwerlichen Heimweg.

      Der Achnerhof lag auf einem Gletscherschliff, umgeben von weitem Wiesen- und Waldland, weit abseits vom Dorf und vom Touristentrubel am Fuße des Watzmanns. Hier hatte einst sein Großvater aus dem kargen Land in mühevoller Arbeit fruchtbaren Boden erschaffen, der noch immer seinen Preis forderte.

      Der harsche Schnee knirschte unter Martins Stiefeln, als er den breiten Weg zum Hof hinaufstieg. Sternenklarer Himmel begleitete den einsamen Burschen, der seinen schweren Gedanken nachhing.

      Immer wieder murmelte er vor sich hin: »Mariandl, du verlangst zuviel von mir!«

      Nach einer Stunde hatte er die verschneiten Wiesen erreicht, die sich sanft gewölbt bis zum Haus hin erstreckten. Hinter den Fenstern der Wohnstube brannte Licht, also war der Vater