Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama. Gerhart Hauptmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerhart Hauptmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066112813
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in Form einer grünen Schnur auf das Sopha herunter hängt; man hört das Läuten einer elektrischen Klingel.

      Loth. Nun, wenn Du mich hier behalten willst — dann sei so gut .... ich möchte mich eben ’n bischen säubern.

      Hoffmann. Gleich sollst Du alles Nöthige .... Eduard tritt ein, Diener in Livree. Eduard! führen Sie den Herrn in’s Gastzimmer.

      Eduard. Sehr wohl, gnädiger Herr.

      Hoffmann Loth die Hand drückend. In spätestens fünfzehn Minuten möchte ich Dich bitten, zum Essen herunter zu kommen.

      Loth. Uebrig Zeit. Also Wiedersehen!

      Hoffmann. Wiedersehen!

      Eduard öffnet die Thür und läßt Loth vorangehen. Beide ab. Hoffmann kratzt sich den Hinterkopf, blickt nachdenklich auf den Fußboden, geht dann auf die Thür rechts zu, deren Klinke er bereits gefaßt hat, als Helene, welche hastig durch die Glasthür eingetreten ist, ihn anruft.

      Helene. Schwager! Wer war das?

      Hoffmann. Das war einer von meinen Gymnasialfreunden, der älteste sogar, Alfred Loth.

      Helene schnell. Ist er schon wieder fort?

      Hoffmann. Nein! Er wird mit uns zu Abend essen. — Womöglich .... ja, womöglich auch hier übernachten.

      Helene. Oh Jeses! Da komme ich nicht zum Abendessen.

      Hoffmann. Aber Helene!

      Helene. Was brauche ich auch unter gebildete Menschen zu kommen! Ich will nur ruhig weiter verbauern.

      Hoffmann. Ach, immer diese Schrullen! Du wirst mir sogar den großen Dienst erweisen und die Anordnungen für den Abendtisch treffen. Sei so gut! — Wir machen’s ’n bischen feierlich. Ich vermuthe nämlich, er führt irgend was im Schilde.

      Helene. Was meinst Du, im Schilde führen?

      Hoffmann. Maulwurfsarbeit — wühlen, wühlen. — Davon verstehst Du nun freilich nichts. — Kann mich übrigens täuschen, denn ich habe bis jetzt vermieden auf diesen Gegenstand zu kommen. Jedenfalls mach alles recht einladend. Auf diese Weise ist den Leuten noch am leichtesten ... Champagner natürlich! Die Hummern von Hamburg sind angekommen?

       Helene. Ich glaube, sie sind heut früh angekommen.

      Hoffmann. Also, Hummern! Es klopft sehr stark. Herein!

      Postpacketträger. Eine Kiste unter’m Arm, eintretend, spricht er in singendem Tone. Eine Kis—te.

      Helene. Von wo?

      Packetträger. Ber—lin.

      Hoffmann. Richtig. Es werden die Kindersachen von Hertzog sein. Er besieht das Packet und nimmt den Abschnitt. Ja, ja, es sind die Sachen von Hertzog.

      Helene. Die—se Kiste voll? Du übertreibst.

      Hoffmann lohnt den Packetträger ab.

      Packetträger ebenso halb singend. Schö’n gn’n A—bend. Ab.

      Hoffmann. Wieso übertreiben?

      Helene. Nun, hiermit kann man doch wenigstens drei Kinder ausstatten.

      Hoffmann. Bist Du mit meiner Frau spazieren gegangen?

      Helene. Was soll ich machen, wenn sie immer gleich müde wird?

      Hoffmann. Ach was, immer gleich müde — sie macht mich unglücklich! Ein und eine halbe Stunde ... sie soll doch um Gottes Willen thun, was der Arzt sagt. Zu was hat man denn den Arzt, wenn ...

      Helene. Dann greife Du ein, schaff’ die Spillern fort! Was soll ich gegen so ’n altes Weib machen, die ihr immer nach dem Munde geht!

      Hoffmann. Was denn? ... ich als Mann ... was soll ich als Mann? ... und außerdem, Du kennst doch die Schwiegermama.

       Helene bitter. Allerdings.

      Hoffmann. Wo ist sie denn jetzt?

      Helene. Die Spillern stutzt sie heraus, seit Herr Loth hier ist; sie wird wahrscheinlich zum Abendbrod wieder ihr Rad schlagen.

      Hoffmann schon wieder in eigenen Gedanken, macht einen Gang durch’s Zimmer; heftig. Es ist das letzte Mal, auf Ehre!, daß ich so etwas hier in diesem Hause abwarte. Auf Ehre!

      Helene. Ja, Du hast es eben gut, Du kannst gehen, wohin Du willst.

      Hoffmann. Bei mir zu Hause wäre der unglückliche Rückfall in dies schauderhafte Laster auch sicher nicht vorgekommen.

      Helene. Mich mache dafür nicht verantwortlich! Von mir hat sie den Branntwein nicht bekommen. Schaff’ Du nur die Spillern fort. Ich sollte bloß ’n Mann sein.

      Hoffmann seufzend. Ach, wenn es nur erst wieder vorüber wär’! — In der Thür rechts. Also Schwägerin, Du thust mir den Gefallen: einen recht appetitlichen Abendtisch! Ich erledige schnell noch eine Kleinigkeit.

      Helene drückt auf den Klingelknopf, Miele kommt. Miele, decken Sie den Tisch! Eduard soll Sekt kalt stellen und vier Dutzend Austern öffnen.

      Miele unterdrückt, batzig. Sie kinn’n ’s ’m salber sagen, a nimmt nischt oa vu mir, a meent immer: a wär ok beim Inschinnär gemit’t.

      Helene. Dann schick ihn wenigstens rein.

       Miele ab. Helene tritt vor den Spiegel, ordnet dies und das an ihrer Toilette; währenddeß tritt Eduard ein.

      Helene immer noch vor dem Spiegel. Eduard, stellen Sie Sekt kalt und öffnen Sie Austern! Herr Hoffmann hat es befohlen.

      Eduard. Sehr wohl, Fräulein. Eduard ab. Gleich darauf klopft es an die Mittelthür.

      Helene fährt zusammen. Großer Gott! — Zaghaft. Herein! — lauter und fester — herein!

      Loth tritt ein ohne Verbeugung. Ach, um Verzeihung! — ich wollte nicht stören, — mein Name ist Loth.

      Helene verbeugt sich tanzstundenmäßig.

      Stimme Hoffmann’s durch die geschlossene Zimmerthür: Kinder! keine Umstände! — Ich komme gleich heraus. Loth! es ist meine Schwägerin Helene Krause! Und Schwägerin! es ist mein Freund Alfred Loth! Betrachtet Euch als vorgestellt.

      Helene. Nein, über Dich aber auch!

      Loth. Ich nehme es ihm nicht übel, Fräulein! Bin selbst, wie man mir sehr oft gesagt hat, in Sachen des guten Tons ein halber Barbar. — Aber wenn ich Sie gestört habe, so ...

      Helene. Bitte, — Sie haben mich gar nicht gestört, — durchaus nicht. Befangenheitspause, hierauf: Es ist ... es ist schön von Ihnen, daß — Sie meinen Schwager aufgesucht haben. Er beklagt sich immer von ... er bedauert immer, von seinen Jugendfreunden so ganz vergessen zu sein.

      Loth. Ja, es hat sich zufällig so getroffen. — Ich war immer in Berlin und daherum — wußte eigentlich nicht, wo Hoffmann steckte. Seit meiner Breslauer Studienzeit war ich nicht mehr in Schlesien.

      Helene. Also nur so zufällig sind Sie auf ihn gestoßen?

      Loth. Nur ganz zufällig — und zwar gerade an dem Ort, wo ich meine Studien zu machen habe.

      Helene. Ach, Spaß! — Witzdorf und Studien machen, nicht möglich! in diesem armseligen Neste?!

      Loth. Armselig nennen Sie es? — Aber es liegt doch hier ein ganz außergewöhnlicher Reichthum.

      Helene. Ja doch! in der Hinsicht ...

      Loth. Ich habe nur immer gestaunt. Ich kann Sie versichern, solche Bauernhöfe giebt es nirgendwo anders; da guckt ja der Ueberfluß wirklich aus Thüren und Fenstern.

      Helene. Da haben Sie recht. In mehr als einem Stalle hier fressen Kühe und Pferde aus marmornen Krippen und neusilbernen Raufen! Das hat die Kohle gemacht, die unter unseren Feldern gemuthet worden ist, die hat die armen Bauern im Handumdrehen