Jetzt aber begann Pater Kaleb laut zu klagen: »Wir haben nicht richtig gehandelt,« sagte er, »und niemand von uns ist vernünftig gewesen. Tolima habe ich auch mehr Klugheit zugetraut. Weshalb begab er sich nicht nach Plock, anstatt sich ohne Geleitsbrief mitten unter diese Räuber zu wagen?«
Herr de Lorche zuckte die Achseln.
»Was sind ihnen Geleitsbriefe? Und ward dem Fürsten von Plock, sowohl wie auch Eurem Fürsten nicht genug Schaden durch die Kreuzritter zugefügt? An der Grenze hören ja die Ueberfälle und Kämpfe niemals auf. Denn auch Eure Leute geben keinen Frieden. Jeder Komtur, wahrlich, sogar jeder Vogt thut, was er will, und an Raubsucht übertrifft immer einer den andern.«
»Um so eher hätte Tolima nach Plock gehen sollen.«
»Dies wollte er auch thun, aber unterwegs, an der Grenze, nahmen sie ihn bei Nacht fest. Er wäre von ihnen erschlagen worden, hätte er nicht erklärt, daß er für den Komtur Geld nach Lubowa bringe. Dadurch rettete er sich, und der Komtur ruft jetzt Zeugen dafür auf, daß Tolima dies selbst gesagt hat.«
»Und wie geht es meinem Oheim? Ist er gesund? Trachtet man ihm nach dem Leben?« fragte Zbyszko.
»Er ist gesund!« antwortete de Lorche. »Aber der Haß gegen ›König‹ Witold und gegen die, welche den Samogitiern beistanden, ist dort groß, und sicherlich hätten sie den alten Ritter getötet, wenn ihnen nicht so viel am Lösegeld gelegen wäre. Wolfgang und Arnold von Baden schützen ihn aus der nämlichen Ursache, und schließlich handelt es sich auch um mein Haupt, denn wollte das Kapitel mich opfern, so würde die Ritterschaft von Geldern, Berg und Flandern sich dagegen auflehnen. Ihr wißt doch, daß ich ein Blutsverwandter des Grafen von Geldern bin.«
»Und wieso handelt es sich auch um Dein Haupt?« unterbrach ihn Zbyszko voll Verwunderung.
»Weil ich durch Dich gefangen genommen wurde. Ich sprach folgendermaßen in Marienburg: ›Wenn Ihr den alten Ritter von Bogdaniec töten laßt, wird sein Bruderssohn mein Haupt fordern‹.«
»Ich fordere es nicht, so wahr mir Gott helfe!«
»Wohl weiß ich, daß Du es nicht forderst, aber sie befürchten es, und dadurch droht Macko keine Gefahr bei ihnen. Sie sagten mir, auch Du seiest in Gefangenschaft geraten, Wolfgang und Arnold von Baden hätten Dich auf Dein Ritterwort freigelassen, daher sei es nicht nötig, daß ich mich Dir stelle. Doch entgegnete ich ihnen, daß Du noch frei gewesen, als Du mich gefangen nahmst. Und so bin ich zu Dir gekommen! Während ich mich in Deiner Gewalt befinde, werden sie weder Dir noch Macko etwas anhaben. Zahle jenen Brüdern Dein Lösegeld, für mich aber verlange zwei-oder dreimal so viel. Bezahlen müssen sie. Nicht darum spreche ich so, weil ich glaube, ich sei mehr wert als Du, sondern weil ich die Kreuzritter wegen ihrer Geldgier, welche ich verachte, strafen möchte. Einstmals hatte ich eine ganz andere Meinung von ihnen, aber jetzt habe ich einen wahren Abscheu gegen sie und das Leben unter ihnen gefaßt. In das heilige Land nach Abenteuern will ich ausziehen, denn jenen vermag ich nicht länger zu dienen.«
»Bleibt bei uns, Herr,« sagte Pater Kaleb. »Ich glaube, Ihr werdet wohl bleiben, denn daß sie Lösegeld für Euch bezahlen werden, scheint mir nicht wahrscheinlich.«
»Wenn sie es nicht bezahlen, so bezahle ich es selbst,« antwortete de Lorche. »Ich führe ein ansehnliches Gefolge mit mir, sowie reich beladene Wagen, und das, was sich darin befindet, wird genügen.«
Pater Kaleb wiederholte Zbyszko diese Worte, die auf Macko sicherlich Eindruck gemacht hätten, allein Zbyszko, der sich weniger um Hab und Gut kümmerte, erwiderte: »Bei meiner Ehre! Es darf nicht sein, wie Du sagst. Ein Bruder und ein Freund bist Du mir gewesen, von Dir nehme ich kein Lösegeld.«
Und von dem Gefühl durchdrungen, daß neue Bande sie nun verknüpften, umarmten sie sich. Aber de Lorche sagte lächelnd: »Die Deutschen dürfen jedoch nichts davon wissen, denn in betreff Mackos werden sie wohl Schwierigkeiten erheben. Und seht Ihr, zahlen müssen sie, da sie fürchten, ich könne sonst an den Höfen und unter der Ritterschaft verkünden, daß sie zwar gerne ritterliche Gäste zu sich bitten, daß sie jedoch, wenn diese Fremden in Gefangenschaft geraten, ihrer nicht mehr gedenken. Und der Orden hat jetzt Leute nötig, denn Witold, noch mehr aber die Polen und deren König flößen ihm Angst ein.«
»So mag es denn so sein!« entgegnete Zbyszko. »Du bleibst hier oder an irgend einem Platze in Masovien, ich aber gehe meines Oheims wegen nach Marienburg und gebe mir den Anschein, als ob ich von ingrimmigem Haß gegen Dich erfüllt wäre.«
»Beim heiligen Georg, thue dies!« antwortete de Lorche. »Doch zuerst höre, was ich Dir noch mitzuteilen habe. In Marienburg sagt man, daß der polnische König nach Plock komme und mit dem Meister daselbst oder an irgend einem Grenzorte zusammentreffen werde. Die Kreuzritter wünschen dies sehr, weil sie in Erfahrung bringen möchten, ob der König Witold beistehen würde, falls derselbe ihnen wegen Samogitien offen den Krieg erklärt. Ha! Sie sind so klug wie die Schlangen, aber in diesem Witold haben sie doch ihren Meister gefunden. Der Orden fürchtet ihn auch, weil man niemals weiß, was er im Sinne hat, und was er thut. ›Er überließ uns Samogitien,‹ sagen sie in dem Kapitel, ›aber dadurch ist’s, als ob fortwährend ein Schwert über unsern Häuptern hinge. Ein Wort von ihm‹, sagen sie, ›und die Empörung ist da!‹ Und in der That, so ist es auch. Ich muß mich an seinen Hof begeben, sobald es mir möglich ist. Vielleicht trifft es sich, daß ich innerhalb der Schranken bei ihm kämpfen kann, und außerdem habe ich auch gehört, daß die Frauen dort von wahrhaft engelhafter Schönheit sind.«
»Ihr sagt, Herr, daß der König von Polen nach Plock komme?« fragte Pater Kaleb.
»So ist es. Mag sich Zbyszko dem Gefolge des Königs anschließen. Der Großmeister wünscht es selbst, Jagiello für sich einzunehmen, und wird ihm nichts abschlagen. Ihr wißt ja, wenn die Not es erheischt, kann niemand demütiger sein, als die Kreuzritter. Mag sich also Zbyszko dem Gefolge anschließen, mag er seine eigene Sache geltend machen, mag er ein lautes Geschrei erheben über das ihm zugefügte Unrecht. Die Deutschen werden sich ganz anders als sonst verhalten in Gegenwart des Königs und in Gegenwart der Krakauer Ritter, welche weltberühmt sind und deren Aussprüche und Urteile sich stets unter der ganzen Ritterschaft verbreiten.«
»Ein vortrefflicher Rat! Beim Kreuze des Herrn, ein ganz vortrefflicher!« rief der Priester aus.
»Gewiß!« bestätigte de Lorche. »An Gelegenheit zur Auszeichnung wird es nicht fehlen. In Marienburg vernahm ich, daß man Feste und Turniere veranstalte, denn die fremden Gäste wollen sicherlich mit den polnischen Rittern kämpfen. Bei Gott! Auch Ritter Jan von Aragonien wird kommen, der hervorragendste Ritter in der ganzen Christenheit. Wißt Ihr denn nicht? Aus Aragonien sandte er ja Euerm Zawisza seinen Handschuh, auf daß man an fremdländischen Höfen nicht sage, es gebe einen zweiten Ritter, der ihm gleicht.«
Die Ankunft de Lorches und die Gespräche mit ihm hatten Zbyszko so vollständig aus der Erstarrung erweckt, die ihn zuvor gefangen gehalten, daß er jetzt voll Aufmerksamkeit den Berichten des Freundes lauschte. Von Jan von Aragonien wußte auch er zu erzählen, denn zu jener Zeit mußte jeder Ritter die Namen der berühmtesten Kämpen kennen und im Gedächtnis bewahren, und der Ruhm der Edeln Aragoniens, Jans vornehmlich, war durch alle Lande gedrungen. Kein Ritter that es ihm innerhalb der Schranken gleich, die Mauren flohen, sobald sie seine Rüstung von weitem erschauten und allgemein ward er für den gewaltigsten Ritter der ganzen Christenheit gehalten.
Die Kunde von ihm erweckte den kriegerischen, ritterlichen Sinn Zbyszkos aufs neue, und erfragte mit großem Eifer: »Er forderte also Zawisza Czarny zum Kampfe heraus?«
»Ein Jahr ist es wohl her, seitdem der Handschuh eintraf, und Zawisza den seinigen absandte.«
»Und wird Jan von Aragonien gewiß kommen?«
»Gewiß ist es noch nicht, aber Gerüchte über sein Kommen sind im Umlauf. Die Kreuzritter haben ihm längst eine Einladung zugehen lassen.«
»Gebe Gott, daß wir seine Kämpfe mitansehen dürfen.«
»Gebe es Gott!« antwortete de Lorche. »Und