Der Deutsche aber schrie laut auf, und seine Hände fielen kraftlos an den beiden Seiten Zbyszkos nieder, hierauf begann er zu ächzen, nicht nur wegen der Stichwunde, sondern auch weil er plötzlich einen entsetzlichen, unaussprechlichen Schmerz im Rücken verspürte, an dem er durch einen Keulenschlag während der Schlacht mit Skirwoillo verletzt worden war.
Da faßte ihn Macko mit beiden Händen und zog ihn von Zbyszko weg. Zbyszko erhob sich vom Boden, nahm eine sitzende Stellung an, dann wollte er aufstehen, konnte aber nicht. Er ließ sich wieder nieder und verharrte eine Weile regungslos. Mit bleichem, schweißbedecktem Antlitz, blutig unterlaufenen Augen, bläulichen Lippen blickte er vor sich hin, wie wenn er nicht völlig bei Bewußtsein gewesen wäre.
»Was ist Dir?« fragte Macko besorgt.
»Nichts, ich bin nur furchtbar ermattet. Helft mir auf die Füße.«
Macko faßte ihn unter den Armen und richtete ihn sofort empor.
»Kannst Du aufrecht stehen?«
»Ja!«
»Bist Du verletzt?«
»Nein. Aber der Atem stockt mir in der Brust.«
Unterdessen trat der Böhme, welcher offenbar sah, daß es nichts mehr für ihn zu thun gab, zur Hütte heran und packte die Alte sofort am Genicke. Bei diesem Anblick vergaß Zbyszko all seiner Beschwerden, er ermunterte sich sofort, und wie wenn der Kampf mit dem furchtbaren Arnold spurlos an ihm vorübergegangen wäre, lief er eilig der Hütte zu.
»Danuska! Danuska!« rief er.
Aber keine Stimme antwortete auf diesen Ruf.
»Danuska! Danuska!« wiederholte Zbyszko. Dann verstummte er. In der Hütte war es so dunkel, daß er im ersten Augenblick nichts zu unterscheiden vermochte. Doch hinter den Steinen hervor, welche rings um den Feuerherd aufgeschichtet lagen, drangen laute, rasche Atemzüge, wie die eines in die Enge getriebenen jungen Tieres.
»Danuska! Bei Gott dem Allmächtigen! Ich bin es! Ich bin Zbyszko!«
Und dann erblickte er in dem Halbdunkel auch ihre Augen, die weit aufgerissen, wie erschreckt und geistesabwesend dareinschauten.
Da eilte er auf sie zu und nahm sie in seine Arme, sie aber erkannte ihn nicht und sich von ihm losreißend, sagte sie atemlos und im Flüstertone: »Ich fürchte mich! Ich fürchte mich! Ich fürchte mich!« …
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Achter Teil.
Erstes Kapitel.
Nichts half, weder Bitten, noch Klagen, noch Liebkosungen – Danusia erkannte niemand, erlangte ihre Sinne nicht wieder. Nur von einem Gefühle schien ihr ganzes Wesen durchdrungen zu sein, von dem Gefühle entsetzlicher Angst, wie sie der zitternde Vogel empfindet, der in Gefangenschaft gerät. Welche Nahrung ihr auch vorgesetzt ward, in Anwesenheit eines andern rührte sie keinen Bissen an, trotzdem ihr gieriger Blick es nur zu deutlich verriet, daß sie hungerte, ja, daß sie vielleicht schon seit lange Hunger litt. Ließ man sie allein, so warf sie sich gleich einem wilden Tiere auf die Speisen, trat indessen Zbyszko in die Hütte, dann rannte sie in einen Winkel, um sich hinter einem Bündel trockenen Hopfens zu verbergen. Und nichts brachte sie wieder daraus hervor. Wohl hätte sie bei dem Scheine des aufflammenden Feuers ihren Ehegemahl zu erkennen vermögen, allein umsonst öffnete er ihr seine Arme, umsonst streckte er ihr, die Thränen unterdrückend, bittend die Hände entgegen. Mit dem klaren Verstande schien ihr auch jede Erinnerung entschwunden zu sein. Immer wieder schaute Zbyszko auf ihre hageren, starren, angsterfüllten Gesichtszüge, auf ihre eingesunkenen Augen, auf das zerrissene, zerfetzte Gewand, in das sie gekleidet war, und sein Herz krampfte sich vor Wut und Schmerz zusammen bei dem Gedanken, in wessen Hände sie gewesen war, was man ihr angethan haben mochte. Schließlich übermannte ihn einmal dermaßen der Zorn, daß er sein Schwert ergriff, auf Zygfryd losstürzte und diesen erschlagen hätte, wenn nicht Macko ihm entgegengetreten wäre.
Gleich Feinden rangen die Zwei miteinander. Der junge Ritter war jedoch durch den vorhergegangenen Kampf mit dem riesenhaften Arnold in solcher Weise geschwächt, daß der alte Ritter ihn bezwang. Wie zwischen eisernen Klammern preßte er Zbyszkos Hände in den seinen zusammen, während er rief: »Was soll das sein, bist Du toll geworden?«
»Gebt mich frei!« antwortete Zbyszko zähneknirschend, »oder der Lebensfunken in mir wird erlöschen.«
»Was auch geschehen mag, ich gebe Dich nicht frei! Weit besser ist es, Du zerschmetterst Dir Deinen Schädel an einem Baumstamm, als daß Du Dir und Deinem Geschlechte Unehre machst.«
Und mit neuer Kraft Zbyszkos Hände umklammernd, fügte er drohend hinzu: »Suche Dich zu beherrschen! Die Rache wird Dir nicht entgehen, doch bedenke, daß Du ein gegürteter Ritter bist. Was willst Du beginnen? Einen gefesselten Gefangenen willst Du erschlagen? Kannst Du damit Danusia helfen, und was gewinnst Du dabei? Nichts, nur Schimpf und Schande. Wohl wirst Du mir einwenden, Könige und Fürsten hätten mehr als einmal Gefangene ermordet. Freilich ist dies der Fall, doch traun, nie und nimmer ist es in unsern Landen geschehen. Und zudem, was die Welt jenen vergeben hat, das wird sie Dir nicht vergeben. Jene sind die Besitzer von Königreichen, Städten und Burgen, was aber besitzest Du? Nichts wie Deine Ehre als Ritter. Wenn auch jenen alles vergeben worden ist, Dir speit man in das Gesicht. Bezwinge Dich! Bei Gott!«
Diesen Worten folgte ein minutenlanges Schweigen.
»Gebt mich frei!« wiederholte dann Zbyszko finster. »Ich werde ihn nicht erschlagen.«
»Komm mit zum Feuer, dort wollen wir uns beraten.«
Macko geleitete seinen Bruderssohn zu einem Feuer, welches von den Kriegsleuten in der Nähe von den Teerhaufen angezündet worden war. Nachdem sich jene beiden dort niedergelassen hatten, bedachte sich der Ohm eine Weile und hub dann also an: »Vergiß auch nicht, daß Du Jurand versprochen hast, ihm diesen alten Hund auszuliefern. Jurand wird sich an ihm für all das rächen, was Danusia erlitten hat. Fürchte nichts, Jurand wird ihm alles heimzahlen! Ihm gehört der Gefangene an! Und zudem, was Dir nicht erlaubt ist, das steht Jurand frei. Er hat Zygfryd nicht zum Gefangenen gemacht, aus Deiner Hand wird er ihn empfangen. Ohne sich mit Unehre zu bedecken, darf er ihm bei lebendigem Leibe sogar die Haut abziehen – verstehst Du mich nun?«
»Ich verstehe Euch!« entgegnete Zbyszko. »Ihr redet vernünftig.«
»Augenscheinlich kehrt Dir Dein Verstand zurück. Sollte Dich aber der Teufel ein zweites Mal in Versuchung führen, dann denke an das, was ich Dir jetzt sage. Du hast gelobt, mit Lichtenstein und mit andern Rittern zu kämpfen. Erschlägst Du jedoch einen schutzlosen Gefangenen und die That wird durch die Kriegsleute ruchbar, dann wird sich Dir kein Ritter mehr stellen. Und mit vollem Rechte thut er dies nicht. Gott beschütze Dich davor. An Unglück gebricht es uns wahrlich nicht, laß nicht auch noch Schande über uns kommen. Am besten ist’s, wir beraten jetzt, was uns zu thun gebührt, wie wir uns zu verhalten haben.«
»Sprecht Euch aus!« warf Zbyszko ein.
»Mein Rat ist folgender: Wohl müßte jene Natter, welche Danusias wartet, vom Erdboden vertilgt werden. Allein es ist eines Ritters nicht würdig, sich mit dem Blute eines Weibes zu beflecken, deshalb wollen wir das schändliche Weib dem Fürsten Janusz ausliefern. Unter den Augen des Fürstenpaares hat sie auf dem Jagdhofe ihre listigen Ränke gesponnen. In Masovien möge sie daher gerichtet werden, und wird sie nicht aufs Rad geflochten, dann sündigen die Ritter gegen Gottes Gerechtigkeit. Bis wir indessen ein anderes Weib zur Wartung Danusias gefunden haben, ist uns diese Schlange vonnöten. Späterhin mag man sie an den Schwanz eines Rosses binden. Uns liegt es aber nun vor allem ob, aufs schnellste in die masovischen Wälder zurückzukehren.«
»Doch nicht in diesem Augenblicke, doch nicht zur Nachtzeit. Vielleicht wird Danusias Geist morgen klarer