»Aber desto mehr mit schlechten Menschen«, fiel ihr die Dame ein. »Er hat selbst einen Staatsgefangenen aus seiner Haft befreit.«
»Aber, Madame«, versetzte die Französin ein wenig scheu. »Aber, Madame! das ist« –
»Was wollen Sie sagen? liebe Madame Madiedo?«
»Es ist dieses eine Angelegenheit,« sprach die Französin leise und mit stockender Stimme, »welche die hohe Obrigkeit allein angeht, und mit der wir uns eigentlich, ich bitte um Vergebung, nicht befassen sollten.«
»Das glauben Sie, meine Gute«, fiel ihr die Frau des Obersten ein. »Und als Ausländerin geht Sie wirklich diese Angelegenheit nur insofern an, als Ihr Mann darin verwickelt ist; aber als Amerikanerin habe ich mit der Obrigkeit etwas mehr zu tun, und es sollte mir leid sein, wenn durch meine Schuld der Gang der öffentlichen Gerechtigkeitspflege gehindert würde. Einem Verbrecher, der sich an der öffentlichen Sicherheit so schwer versündigt, Vorschub zu leisten, dazu werde ich nimmer einwilligen.«
Die Französin erblaßte bei Anhörung dieser Worte, die in einem zwar sehr gelassenen, aber auch sehr kalten Tone ausgesprochen worden waren.
»Seien Sie doch nicht so kalt, so grausam. Seien Sie gütig! Geben Sie mir eine sanftere Antwort. Senden Sie mich nicht so trostlos zurück!« bat sie.
Rosa hatte sich unterdessen schon einige Male aus dem zweiten Zimmer herangeschlichen, war aber immer wieder von Gabrielen zurückgehalten worden.
»Was will die arme Frau?« fragte sie.
»Ihr Mann hat den wegen Spionierens und Umtriebe mit den Indianern verdächtigen Briten aus seiner Haft befreit und wurde deshalb ins Gefängnis geworfen.«
»Aber das hat ja Rosa auch getan.«
»Nein, Miß!« belehrte sie die Oberstin. »Was Sie getan haben, war edle Selbstaufopferung gegenüber einer wilden, rohen Willkür. Sie haben ein Menschenleben gerettet oder zu retten geglaubt; Ihre Handlung war edel, obwohl nicht ganz gesetzlich; aber es ist immer verdienstlich, gegen Willkür aufzustehen, wo und in welcher Gestalt sie sich zeige; aber der Mann dieser Frau hat aus schlimmen Absichten weisen Gesetzen, die unsere Mitbürger sich zu ihrer Sicherheit gegeben haben, um seines eigenen Vorteils willen allein, in die Hände gegriffen.«
Diese etwas lange Erklärung ward wieder in dem gelassenen, aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen etwas rücksichtslosen Tone gegeben, der mehr Schein – als wirkliche Tugend zu verraten schien; auch war die bedrängte Französin beinahe ungeduldig geworden. »Mein Gott,« murmelte sie halblaut zu sich selbst: »sie spricht wie ein Richter, der auf dem Stuhle sitzt, während mir das Herz im Leibe springen möchte. Was doch diese Menschen für kalte Naturen haben!«
Die Dame mochte die Worte vernommen haben; ohne sie jedoch zu beachten, fuhr sie in demselben belehrenden Tone fort: »Unser Land hat Ihrem Manne, ohne nach seinem frühern Betragen zu fragen, ein Asyl unter der Bedingung angeboten, daß er denselben Gesetzen gehorche, unter denen auch wir stehen, daß er besonders nie etwas gegen die Sicherheit des Landes unternehme, das ihn duldete«, – sie betonte dieses Wort. »Oberst Parker hat Monsieur Madiedo verhaften lassen; warum, wissen Sie. Es geziemt nicht mir, dem, was er getan, entgegenzuhandeln.«
»Er ist nur, weil er keine Bürgschaft stellen konnte, gefangen gesetzt worden«, schluchzte die Französin. »Ein Wort von Ihnen, und er ist frei. Erbarmen Sie sich unser. Seit seiner Verhaftung haben wir keine zehn Pinten verkauft. Alles scheut uns, alles hat sich vor uns zurückgezogen. Es ist ein grausames Land dieses. Statt uns in unserem Unglücke beizuspringen und aufzuhelfen, drücken sie immer nur tiefer hinab.«
»Es ist kein Frankreich, noch ein Spanien«, versetzte die Dame ernst.
»Leider, nein!« jammerte die Französin.
»Da dürfte vom Volke allerdings die Befreiung eines Staatsverbrechers als verdienstlich angesehen werden, weil sie niemanden gefährdet als den Gewalthaber; hier ist es Verrat an der Menschheit, an allen Bürgern – und es freut mich, daß diese so viele öffentliche Tugend besitzen, um ihren Abscheu auf alle Weise zu erkennen zu geben.«
Die Oberstin erhob sich nun von ihrem Sitze, und ein leichtes Kopfnicken gab der Frau zu verstehen, daß sie entlassen sei.
Rosa hatte sich zum Fenster geschlichen und der sich entfernenden Französin nachgesehen.
»Ach, Mutter! lasse doch das trostlose Weib nicht so von dir« – bat sie, ihre Hände bekümmert faltend.
»Miß Rosa!« erwiderte die Dame etwas vornehm: »Wollen Sie gefälligst« – sie deutete auf Gabrielen, zu der das Mädchen verschüchtert schlich.
»Es sind fürchterlich gräßliche, in Grund und Boden verdorbene Menschen, diese Ausländer«, seufzte die Frau, indem sie sich wieder setzte. »Wann wird doch einmal diese so schrecklich mißbrauchte Gnadentüre sich schließen, dieses Asyl, das unsere bluterkaufte Freiheit« –
Sie hielt inne und sah den jungen Copeland forschend an – von dem als Aufseher der Pflanzung und Sohne des alten Squire Copeland unsere Leser gehört haben.
»Das wollte ich auch wieder nicht«, fiel ihr dieser rasch ein. »Diese Menschen da schaden unsern Bürgern nicht, sie geben kein böses Beispiel, weil sich niemand nach ihnen kehrt; aber ihnen unsere Türe zutun, würde heißen, auch die Guten ausschließen, in andern Worten, die Alien bill mit all ihrem Triebwerke wieder in Gang bringen. Das wäre unsern Tories just recht.«
Er sah die Dame scharf an. –
»Laßt uns weiter in unserm Rechnungsabschlusse«, bemerkte sie mit einiger Verlegenheit.
Diese Verlegenheit, in welche sie der kleine Verrat gesetzt, den ihr die Zunge gespielt, indem sie sich einen der heißesten Torywünsche in Gegenwart des jungen Copeland entschlüpfen ließ, verließ sie erst beim Eintritte des Kapitäns, der ungefähr nach zehn Minuten erfolgte.
»Mein Bruder«, kam ihm Rosa, noch immer über die jammernde Französin sinnend, entgegen. »Dein Gesicht ist heiter. Du bringst fröhliche Botschaft. Und ist der Brite nun wirklich frei, und zürnt er nicht mehr, und ist« –
»Miß Rosa!« fiel ihr die Oberstin ein, »Sie fragen für eine junge Dame zu viel. Auch haben Sie wieder vergessen«–
»Leider!« versetzte diese, »kann Rosa sich nicht angewöhnen, zu ihrem Bruder zu reden, als wenn ihrer zwei wären.«
»Ich glaube wirklich,« versicherte sie der Kapitän, »Miß Rosa verkünden zu dürfen, daß er, an dem sie so unverdiente Teilnahme nimmt, gänzlich frei ist.«
»Ihr Schützling scheint Sie sehr in Anspruch genommen zu haben«, bemerkte Virginie etwas spöttisch. »Das liebe Altengland wird es Ihnen Dank wissen.«
»Ich hoffe, auch das neue,« sprach der Kapitän etwas ernst, »und selbst Miß Virginie dürfte mir Gerechtigkeit und vielleicht auch einigen Dank widerfahren lassen.«
»Ich bin ganz Amerikanerin,« versetzte diese etwas spröde, »und was ich von England gesehen habe, ist wahrlich nicht geeignet, mich weniger stolz auf mein Land zu machen. Ich behalte meinen Dank ganz meinen Landsleuten vor.«
»In diesem Punkte«, fiel der junge Copeland ein, »dürfte Kapitän Percy wirklich auf Ihren Dank, Miß Virginie, sowie auf den unsrigen Anspruch zu machen berechtigt sein; denn er hat uns eine Schamröte erspart.«
»Ich habe bloß meine Schuldigkeit getan, Mister Copeland«, bedeutete er dem jungen Manne etwas vornehm. »Es scheint jedoch, daß noch jemand anders mehr als seine Schuldigkeit getan habe.«
»Die Ehre seines Landes zu wahren, sollte ich glauben, ist Schuldigkeit für jeden; da brauchen wir nicht Männer dafür zu bezahlen. Wir können es selbst tun«, sprach der junge Mann trocken.
»Wie soll ich das verstehen?« fragte die Dame den Kapitän.
»Sie wissen, teure Mutter,« versetzte dieser, »die Order des Generals