Der Wehrwolf: Eine Bauernchronik. Löns Hermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Löns Hermann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066118211
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ich weiß nicht, was das mit mir ist. Vielleicht, daß ich mich habe allzuviel ärgern müssen.«

      Sie fuhren also los. Vor dem Tore war es still, bloß daß da noch allerlei Zigeunervolk lag. Als sie in die Haide einbiegen wollten, rief es hinter ihnen; drei Bauern aus Engensen kamen angeritten. »Tag!« rief der älteste, »nehmt uns mit! Wie es heutzutage hergeht, reist man zu fünfen besser, als zu dreien und zweien. Vorhin sind hier drei Männer vorbeigeritten, die sahen aus, als wenn sie der Deubel aus dem Holster verloren hat. Es ist Zeit, daß Herzog Georg mal mit dem engen Kamm über das Land geht; es hat sich allerlei Ungeziefer angesammelt.« Er drehte sich um und winkte einem jungen Bauern zu, der die Heerstraße entlang ritt: »Hinnerk, komm lieber hier, dennso hast du keine Langeweile unterwegs!« So waren sie selbst sechse, und da jeder eine Pistole und das große Messer bei sich hatte, brauchten sie sich nicht zu sorgen.

      »Wulfsbauer,« sagte der Engenser, »wir können jetzt die Ohren steifhalten, wir gemeinen Bauern. Bei uns haben wir das schon abgemacht: Tatern und anderes fremdes Volk, das sich bei uns sehen läßt, das wird ohne weiteres mit der Peitsche begrüßt, denn die Bande zeigt den Räubern, denn was anderes sind doch diese Kriegsknechte nicht, bloß den Weg, wo es was zu holen gibt. In Ehlershausen haben sie vorige Woche zwei von diesen Kerlen, die ein Pferd von der Weide geholt hatten, in aller Heimlichkeit aufgehängt und beigerodet. Und das ist ganz recht so: denn erstens sind es keine richtigen Menschen, und außerdem, warum bleiben sie nicht, wo sie hingehören?«

      Die anderen Bauern nickten, bloß Ulenvater nicht; denn der saß da, sah mit großen Augen über die Haide, machte einen Mund, wie ein Untier, murmelte ab und zu etwas vor sich hin, und als Harm ebenfalls über die Haide sah, denn er dachte, da wäre etwas, da war ihm, als spränge ein Mann hinter die Krüppelfuhren. Er sagte es Drewes, und der Engenser achtete auf den Weg und rief mit einem Male: »Kann schon stimmen: hier sind eins, zwei, drei Reiter hergekommen. Es soll mich wundern, wenn das nicht die verdächtigen Kerle von vorhin sind. Na, laß sie man kommen! Wir sind unsrer sechse und dreschen eine gute Nummer.«

      Sie taten nun, als ob die Haide ein Garten Gottes war, prahlten und lachten, hatten aber die Hände an den Pistolen und hielten scharf Umschau. Sie sahen aber nichts Verdächtiges, bloß, daß mit einem Male aus den Fuhren drei Hirsche herauspolterten, als wenn die Wölfe dahinter waren, und als sie an der Stelle vorbeikamen, hörten sie im Busche einen Hengst wiehern, denn die Ödringer hatten eine Stute als Handpferd, und die schien rossig werden zu wollen. Sie sahen sich an, prahlten dann aber bloß noch lauter los und lachten wie unklug, bis auf den Papenbur, denn der saß ganz still, biß an seinen Lippen herum und sah dahin, wo Ödringen liegen mußte.

      Als sie eine Viertelstunde weiter waren, hörten sie den Hengst wieder wiehern, und mit eins winkte Drewes die anderen zurück, jagte in die Haide hinein und es war ihnen, als wenn da etwas lief; ob das nun aber ein Mensch oder ein Tier war, das konnten sie nicht sehen. Mit einem Male hörten sie etwas, wie einen Schrei, und dann kam Drewes wieder angeritten und sagte: »Ich dachte, es wäre ein Wolf.«

      Harm, neben dem er ritt, sah ihn sich genau an und da fand er, daß an dem dicken Krückstock, den der Engenser am Sattel hängen hatte, denn er hatte rechts ein kurzes Bein, frisches Blut war. Drewes fing den Blick auf: »Ein Zigeuner, der schon seit einer Stunde neben uns hergestunken ist. Er hat wohl den Spion für die drei Buschklepper machen sollen, aber ich habe ihm ordentlich eins ausgewischt. Einer weniger! Anders geht das nun einmal nicht!«

      Wulf gefiel der Engenser nicht mehr so gut. Gewiß, die Tatern waren man ja halbe Menschen, und Christen waren sie erst recht nicht, wenn sie ihre Kinder auch in einem weg taufen ließen der Patengulden halber, aber gleich darauf loszuschlagen, wie auf ein wildes Tier, das wollte Harm denn doch nicht in den Kopf. Aber er mußte Drewes recht geben, als der leise zu ihm sagte: »Wenn in jedem Dorfe ein tüchtiger Kerl ist, und der holt alles zusammen, was sich wehren kann, und ein Dorf hilft dem anderen, dennso würde das schon gehen. Den Donner auch, wir sind doch nicht dazu da, daß Hans Hungerdarm und Jans Schmachtlapp mit uns Schindluder spielt! Das sage ich dir, und so sollte es ein jeder halten: ehe daß ich mir und meinen Leuten einen Finger ritzen lasse, lieber will ich bis über die Enkel im Blute gehen! Na, denn adjüs auch!« Er ritt mit den drei andern nach links ab.

      Wulf und Ul waren kaum ein Ende allein weitergefahren, da hörten sie wieder den Hengst wiehern, und als sie haltmachten, kamen die drei fremden Reiter langsam hinter ihnen her. »Was die Kerls wohl von uns wollen?« meinte Ulenvater; »wollen so tun, als wenn an den Strängen was vertoddert ist, denn wenn sie uns an den Balg wollen, so können wir uns hinter dem Wagen bergen und sie mit einem guten Schusse begrüßen.« Sie stiegen also ab und machten sich an dem Geschirr zu tun, während die Reiter langsam näher kamen.

      Als sie meist bei ihnen waren, rief der eine, von dem der Wirt in Celle gesagt hatte, daß er Hanebut hieß: »Na, willst du das Pferd jetzt verkaufen?« und dabei hatte er das Gewehr vor sich auf dem Sattel. Wulf schüttelte den Kopf und sagte: »Es ist mir nicht feil,« und währenddem stellte er sich hinter das Gespann und hatte die Pistole zur Hand, und Ul machte es ebenso. »Ich muß das Pferd aber haben, zum Donner noch einmal!« schrie der Kerl; »also wie ist es damit?« Er machte runde Augen und hielt das Gewehr mehr nach Wulf hin.

      In demselben Augenblicke hörte Wulf, daß die Engenser wieder angeritten kamen, denn Drewes Sattel piepte auf ganz absonderliche Weise, und da wollten die Buschklepper fort, aber nun krachte es schon; der eine, der hinter Hanebut hielt, fiel mit dem Kopfe vornüber, hielt sich aber noch und jagte hinter den beiden anderen, die die Hasen machten, in die Haide, stürzte aber bald aus dem Sattel, wurde jedoch von Hanebut aufgegriffen und hinter sich gezogen, während sein Pferd wie wild hin und her lief. Hinter ihnen her jagten die Engenser und schossen noch zweimal.

      »Da sind wir ja noch gerade rechtzeitig gekommen, Kinder!« lachte Drewes, als er zurückkam; »ich drehe mich noch einmal um und sehe die Lümmel hinter euch herreiten! Na, der eine soll wohl ein schönes Brägenschülpen haben! Ein Schade, daß sich mir gerade so eine vermuckte Fliege auf das Korn setzen mußte, als ich losdrückte; dadurch bin ich ein bißchen zu hoch abgekommen! Aber ein Hauptspaß war es doch, und eine schöne Hose voll Angst wird das Gesindel wohl mitgenommen haben. Und den Braunen sind sie auch los!«

      Er klappte mit der Zunge und ritt auf das Pferd los: »Na, Hans, komm doch mal her! So schön!« Er hielt es am Halfter fest und besah es von allen Seiten. »Das dachte ich mir doch gleich,« meinte er dann; »seht mal her: ist das nicht Tidke Rundes Marke?« Damit wies er auf das Zeichen, das der Hengst auf der Schulter hatte. »Na, gekauft ist das bestimmt nicht, denn als ich vorige Woche von ihm einen Vierjährigen haben wollte, sagte er, er hätte selbst keinen über, da ihm einer an der Kolik gefallen ist. Da haben wir uns eine Runde Bier verdient, und die wollen wir gleich in Ehlershausen im voraus trinken. Hasenjagen macht eine trockene Leber.«

      Im Kruge gab es einen großen Aufstand, als die sechs Bauern mit dem Hengste ankamen, denn Runde aus Wettmar war schon dagewesen und hatte erzählt, daß ihm in der Nacht der Braune aus dem Grasgarten gestohlen war. Es waren eine ganze Menge Bauern aus dem Orte und aus der Umgegend da, die über die Braunschweiger sprachen. Wo sie hingekommen waren, hatten sie sich unnütz gemacht, aber da sie bloß hundert Mann stark waren und die Bauern keine freundlichen Gesichter machten, war es noch halbwege gut abgegangen, zudem viele davon angetrunken waren und kaum auf den Beinen stehen konnten. Die letzten waren eben erst abgezogen und man konnte, da der Wind nach dem Dorfe stand, noch hören, wie sie brüllten. »Lustige Braunschweiger seind wir«, sangen sie.

      Aus der einen Runde sollten zwei werden, aber die Ödringer hatten keine Ruhe. Ul bekam immer gläunigere Augen, und auch Harm war nicht gut zumute; je näher er bei seinem Hofe war, um so unheimlicher wurde es ihm. Als er den Hof meist sehen konnte, kam ihm der Knecht entgegengelaufen. »Na, was ist los?« rief er ihm zu; denn daß nicht alles in der Reihe war, merkte er gleich.

      »Ach, Bauer,« stotterte der Knecht, »die Frau, es waren von den Biestern welche auf dem Hofe und die haben die Hühner, die haben sie greifen wollen, und da kam die Frau und wollte ihnen das wehren. Und da hat sie der eine Kerl mit dem Gewehr vor den Leib geschlagen, und da liegt sie nun und ist von sich. Und das Kind, es war ein Mädchen, das ist tot.«

      »Junge,« brüllte der Bauer,