Eine Gemsjagd in Tyrol. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066113476
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sich darauf zurückbiegt, fast in voller Flucht hinunter. Er dient ihm so als Hemmschuh, mit dessen Hülfe er jeden Augenblick seinen Lauf einzügeln kann.

      Noch darf ich den Bergsack nicht unerwähnt lassen, dann sind wir, sobald wir die Büchse auf die Schulter werfen, zum Marsch gerüstet, und wenn die Sonne morgen früh über die Berge schaut, findet sie uns hoch über dem Nebel droben.

      Der Bergsack ist, wie Alles was der Alpenjäger braucht und mit sich trägt, so einfach, leicht und praktisch wie nur irgend möglich eingerichtet. Er besteht aus einem grünleinenen Sack, der hinten mit einem starken Seil auf und zu geschnürt werden kann, und auf dem Rücken, wo er keine Bewegung hindert, mit zwei Achselbändern getragen wird. Er ist dabei so zusammengefaltet daß er, wenn der Jäger nur sein Bischen Proviant, seine Steigeisen, seine Munition und etwas Wäsche oder seine Regenjoppe darin hat, ganz klein aussieht, soweit läßt er sich aber ausbreiten, mit Leichtigkeit den größten Gemsbock noch obendrein mit aufzunehmen. Die »Gams« wird dann so zusammengelegt, daß Kopf und Läufe ineinandergeschoben oben auf kommen, und nur die äußersten Spitzen der Läufe mit den Krickeln (Hörner der Gemse) zum Schlitz herausschauen.

      Das Jagdschloss.

       Hinauf!

       Inhaltsverzeichnis

      Wir sind gerüstet! – Drüben im Westen neigt sich schon die Sonne den hohen Jochen zu, und nach dem rasch eingenommenen Mahl geht es hinauf in die Berge, zur fröhlichen Jagd.

      Wie sich das so wunderbar leicht mit den nackten Knieen steigt – denn alle Schützen, ohne Ausnahme haben jetzt schon die Tracht der Gebirgsbewohner angelegt. – Wie sich das Bein so frei da biegt, und Arme und Bergstock mit eifriger Gefälligkeit nachhelfen, den hochaufathmenden Jäger bergan zu bringen – und wie die Lungenflügel sich so weit bewegen! Man fragt sich selber oft erstaunt: »wirst Du denn nur gar nicht müde?« – denn höher immer höher hinauf zieht sich der zickzacklaufende Reitsteg dem wir jetzt folgen. Müde? – das Wort kennt man kaum in den Bergen, und wenn man wirklich einmal nach einer gar zu steilen anstrengenden Tour zum Tode erschöpft glaubt niedersinken zu müssen, und dann den Gliedern nur wenige Minuten Ruhe gönnt, ist alles Ueberstandene im Handumdrehen vergessen.

      Das Jagdschloß liegt schon etwa 3000 Fuß über der Meeresfläche und steil auf führt der Weg uns nun empor; erst durch prächtige Buchen- und Ahornwälder, in die hinein die dunkle schlanke Tanne ihre dichten Zweige reckt, dann kommt die Birke mit dem weißen Stamm, die Espe, Eller, Eberesche und hie und da ein Krummholzkiefer- oder Laatschendickicht, mit dem der Jäger wohl bald weit mehr und näher bekannt werden soll, als ihm manchmal lieb ist. Jetzt wird das jedoch nicht sonderlich beachtet. Der ausgehauene Weg führt hindurch und man bemerkt entweder die weitausreichenden zähen Zweige nicht, oder kann sie auch nicht gleich ordentlich übersehn. Zuviel des Neuen bietet sich überhaupt nach allen Seiten hin dem Blick, das Einzelne zugleich mit zu erfassen.

      Noch aber sind wir fortwährend in diesem Wald bergauf gestiegen, und die überhängenden Zweige der Tannen, wie das dichte Unterholz mit den Laatschen zusammen, hindert die Aussicht in's Freie. Höher und höher steigen wir so, und lauter und lauter rauscht unten im Thal die Riß, die am Fuß des Bergs nur eben mit leisem Plätschern vorüberquoll, hier aber den Ton, durch die Wände zusammengedrängt in vollen Accorden nach oben sendet. Reiner wird hier der Himmel, leichter die Luft und unwillkürlich packt man, im Gefühl der eigenen Kraft, den Bergstock fester.

      Wild giebt es hier freilich noch nicht; der Pfad ist schon an dem Morgen von den Trägern begangen worden, das Nöthigste an Provisionen, Betten und Geschirr hinaufzuschaffen, und der Wald ist auch zu dicht, weit darin auf oder ab sehn zu können – aber Rothwild spürt sich im Pfad. Hier ist ein starker Hirsch hinaufgewechselt; dort sind ein paar Stück Wild – wahrscheinlich ein Alt- und Schmalthier demselben eine Strecke gefolgt und haben sich dann links hinein in die Klamm oder Schlucht gezogen. Das Rothwild liebt überhaupt mehr als die Gemse einen bequemen Pfad, und benutzt die Pirschwege außerordentlich gern.

      Höher, immer höher kommen wir hinauf; die Kiefern und Tannen werden immer niedriger und stehn dünner, die Buchenregion haben wir schon längst verlassen, wo das fatal raschelnde gelbe Laub den Boden bedeckt, den pirschenden Jäger zu doppelter Vorsicht nöthigt, und geräuschloses Anschleichen oft ganz unmöglich macht. Hier beginnt die »Laatsche« ihr Regiment und eine offene Stelle erreichend, von der aus der Blick frei nach dem gegenüber liegenden Gebirgshang, über das Thal weg schweifen kann, hebt ein plötzliches, überraschtes »Ach!« die Brust. Vergessen ist das Steigen, vergessen Alles um uns her in dem einen, wundervollen Schauspiel, das sich dem erstaunten, jubelnden Blick da bietet.

      Dort drüben vor uns, dem Blick scheinbar so nah, daß man glauben könnte mit einer Büchsenkugel die Wände zu erreichen, während sie in der That in gerader Richtung wohl eine Stunde und weiter entfernt liegen, steigt die riesige Gruppe des Falken empor, und wie gewaltig ist der Fels gewachsen, seit wir ihn von unten zum letzten Male sahen. Dort schien er nur ein breitgedrängter, mit Nadelholz dicht bewachsener Berg, aus dem sich eine graue Felsenkuppe, nicht eben übermäßig hoch erhob. – Jetzt, nachdem wir fast eine Stunde gestiegen, und uns die Umrisse des ganzen Gebirgs scharf und klar in's Auge fallen, sehen wir daß wir noch nicht einmal die Höhe des gegenüberliegenden höchsten Fichtenwaldes erreicht, und weit weit darüber hinaus, wie ein Gebirg von Fels und Schlucht, während der blaue Aether ihn durchsichtig und leicht umfließt, thürmt sich ein riesiger Block von Felsenmassen auf, in dem sich wieder Berg und Thäler bilden. Die mächtigen Tannen die an ihm mehre tausend Fuß emporsteigen, sehn kaum Zoll hoch aus; die stattlichen Krummholzkiefern deren Büsche von zehn bis funfzehn Fuß Höhe halten, gleichen grünem Moos, das auf den nackten Flächen liegt, und schroff und steil, zerspalten und eingerissen mit furchtbaren Schluchten, für die der Blick noch nicht einmal den Maßstab hat, hebt sich die colossale Masse unfruchtbaren kahlen Kalkgesteins empor.

      Diese Kegel, Kuppen und Joche muß man aber selber erst einmal, wenigstens zum Theil, bestiegen haben, um einen Begriff ihrer Höhe und Entfernung zu erhalten. Ueberhaupt täuscht die feine, reine Luft oben auf der Höhe, selbst beim Schießen, ungemein, und Gegenstände die dem Anschein nach nur geringe Entfernung haben, weichen zurück, wenn man sich ihnen nähern will. Bis in's Unglaubliche hinein betrügt man sich ganz vorzüglich, wenn man irgend einen gegenüberliegenden Hang erreichen will. Ein Berg liegt vor uns, ein kleines, dem Anscheine nach nicht sehr tiefes Thal dazwischen; man denkt in einer halben Stunde wenigstens an der anderen Seite sein zu können, und hat in einer Stunde kaum den unten fließenden Bach erreicht. An den von Holz entblößten Almen sieht man oft weite offene Flächen, die so glatt und eben ausschauen, als ob man aus weiter Ferne jeden darüber springenden Hasen erkennen müßte, und hat man sich endlich über vorher gar nicht bemerkte Hindernisse mit Mühe und Noth zu ihnen durchgearbeitet, so findet man Hügel und Thäler in dem was man für glatten Boden gehalten, und Risse und Spalten in denen ein Reiter unbemerkt und vollkommen gedeckt, hinreiten könnte. So arg ist die Augentäuschung in den Bergen, und deshalb wird auch nie ein Gemälde, mag es noch so treu und gewissenhaft, und von der Hand des größten Künstlers aufgenommen sein, die ungeheuere Größe jener Berge, das Riesige der Umrisse wiedergeben können, denn dem Beschauer fehlt eben der Maßstab den er an solch ein Gemälde legen könnte – täuscht ihn doch selber die Natur.

      Aber wir müssen weiter. Im Gebüsch zwitschert das Goldhähnchen und piept die Meise und sucht sich ihr Ruheplätzchen für den dunkelnden Abend. Noch glühen zwar jene Kuppen im Licht der scheidenden Sonne; in den Thälern da unten, deren Uebersicht uns hier im dicken Unterholze abgeschnitten ist, lagert sich aber schon die Nacht, zieht sich die weiße Nebeldecke langsam an den Zipfeln aus Felsenspalte und Waldesschlucht heraus, und schmiegt sich tief hinein in's weiche Bett.

      Wir haben noch ein tüchtig Stück zu steigen; doch mit dem Abend wird die Luft so kühl und