Robert Blum: Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk. Blum Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Blum Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066114466
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Sonderung der Stände im conventionellen Leben jenseits seines Kreises liegt, wenn der Mensch im Menschen nur den Bruder sieht und sich nur freiwillig neigt vor der höheren Tugend desselben. Lieblich vereinen sich dann die Wohlthaten und Vorzüge unserer gesteigerten Bildung und Intelligenz mit den süßen kindlich-reinen Freuden der patriarchalisch-brüderlichen Vereinigung, die nur in der Kindheit der Gesellschaft dem Menschengeschlecht gelächelt haben. Es wohnt dann im Bunde die wahre reine Freiheit und Gleichheit, an welcher der Lichtblick des Denkers hängt, als an dem Ideale menschlicher Glückseligkeit; nicht jene Freiheit, die auf den Trümmern der vernichteten socialen Zustände ein blutiges Banner schwingt und der unglücklichen Menschheit Gleichheit gibt, indem sie Allen gleiches Elend bereitet; sondern jene Freiheit, die ein Kind ist des Lichtes und des Rechts, der Ruhe und des Friedens, und die nur dann allen Menschen gleiche Glückseligkeit geben kann und wird, wenn Alle aus allen Kräften an ihrer sittlichen Vervollkommnung arbeiten und festhalten an der Tugend, ohne welche keine Freiheit möglich ist.“ Am Schlusse heißt es: „Mit frohem Herzen darf ich mir sagen, daß ich bis jetzt keinem Menschen Veranlassung gegeben habe, mich zu hassen und kann die Versicherung hinzufügen, daß ich frei von jedem Hasse bin. Religion und Moral machen uns die Duldung zur Pflicht und das Leben — besonders in der jetzigen vielbewegten Zeit — macht sie zur unbedingten Nothwendigkeit eines friedlichen Daseins. Ich habe nach Kräften gestrebt mir diese Tugend, wenn ich sie so nennen darf, anzueignen, und traue mir den Muth zu, sie in allen Verhältnissen auszuüben.... So fest ich überzeugt bin, daß die Religion — im weiteren Sinne — das höchste Gut des edlen Menschen ist, so klar liegt es vor mir, daß dieselbe rein und vollkommen gefunden werden muß in einem Bunde, der die Tugend als Cultus übt und nur für die höheren Interessen des menschlichen Daseins wirksam ist.“

      So hoch Robert Blum die Erwartungen spannte, welche die Aufnahme in den Freimaurerbund ihm befriedigen sollten und so sehr ihn in den ersten Jahren der geheimnißvolle Kreis der Brüder anzog, so gering hat er später über den Orden geurtheilt. Der überaus harte Artikel „Freimaurer“ in seinem „Volksthümlichen Handbuch der Staatswissenschaften und Politik“[18] ist aus seiner Feder, wenn auch dabei aus naheliegenden Gründen sein Signum fehlt.

      Wenn am Schlusse dieses Artikels gesagt ist: „die Freimaurervereine sind jetzt nichts weiter als Wohlthätigkeitsanstalten“ und dann weiter „die Formen, Gebräuche und Symbole des Ordens eines denkenden Menschen geradezu für unwürdig“ erklärt werden, so liegt das Ungerechte des Urtheils auf der Hand. Aber deutlich und treffend ist in dem Artikel ausgesprochen, was Blum allmählich den Bund entfremdete: „Die Aufhebung jedes Unterschiedes in den Logen ist nicht wahr. Man nennt sich zwar Bruder, aber Stand, Rang und Geld haben in den Logen dieselbe Bedeutung wie außerhalb derselben. Auch die Bekenntnißverschiedenheit macht sich in den Logen geltend und steigt bei vielen bis zur völligen Unduldsamkeit; so sind z. B. in vielen Logen die Juden ausgeschlossen.“ Der eigentliche Grund aber, der Blum mehr und mehr die Loge gleichgültig, ja widerwärtig machen mußte, ist in diesem Artikel nicht ausgesprochen: je mehr die politische Agitation in den Vordergrund seiner Strebungen trat, um so ferner rückte ihm der Wirkungskreis der Loge, in der jede politische Discussion grundsätzlich verpönt ist.

      7. Erstes politisches Wirken. Eigene Häuslichkeit.

       (1837. 1838).

       Inhaltsverzeichnis

      Selten hat ein Land in den ersten Jahren seiner constitutionellen Aera so wenig politische Regsamkeit gezeigt, als das Königreich Sachsen. Im Jahre 1831 war die Verfassung gegeben worden. In den andern deutschen Staaten, namentlich in Süddeutschland, waren die ersten Jahre des constitutionellen Lebens für die Betheiligung der Bürger an öffentlichen Dingen die lebendigsten und fruchtbringendsten gewesen. In Sachsen dagegen verhielt sich der Unterthan im ersten halben Jahrzehnt des Verfassungsstaates fast so ruhig und langweilig, wie in den vergangenen Tagen des absoluten Königthums. Mannigfache Gründe wirkten hierfür zusammen. Schon der erste Landtag des neuen Verfassungsstaates hatte eine lebhafte Reaction am Werk gefunden: die Bundesbeschlüsse von 1832 standen in frischer Wirksamkeit, die Presse war noch mehr gefesselt als zuvor, weit wurden die Rechte der Krone, eng diejenigen der Landtage überall ausgelegt. Zudem war den Mißständen, welche in Sachsen die Bewegungen von 1830 hervorgerufen hatten, schon durch die Verfassung im Wesentlichen abgeholfen und das erleuchtete humane Ministerium Lindenau arbeitete eifrigst daran, alle noch unerledigten gerechten Wünsche des Landes auf dem Wege der Gesetzgebung zu befriedigen. Dem Ackerbau wurden die drückenden Lasten abgenommen, eine neue Städte- und Landgemeindeordnung gab den städtischen und ländlichen Gemeinden die Anfänge der Selbstverwaltung. Die ungeheuren Vorrechte des Adels wurden überall zum gemeinen Nutzen beschnitten. Außerordentlich bedeutend und epochemachend sind die Reformen des Rechtslebens, die Sachsen dieser Zeit verdankt. Die Finanzen des Staates erfreuten sich einer blühenden Lage; durchaus loyal gestaltete die Regierung den Ständen die verfassungsmäßige Feststellung und Controle des Staatshaushaltes. Ueberall ergreift die Regierung in diesem Zeitraum die Führung zu Reformen, gestützt durch das bürgerliche, oft auch durch das bäuerliche Element der Kammern, häufig gehindert und fast immer befehdet durch den Adel der ersten und zweiten Kammer. Die Regierung selbst erkennt schon in den ersten Jahren die schweren Fehler des Wahlgesetzes. Streng nach Standes- und Klasseninteressen sind beide Kammern zusammengesetzt. In ungeheurer Mehrheit befindet sich das Element des ländlichen Grundbesitzes. Der schwere Fehler, an dem noch heute die Sächsische Gesetzgebung in allen Zweigen krankt, daß sie von Bauern für Bauern gemacht wird, trat damals besonders grell hervor. Die Intelligenz, der selbstlose patriotische Idealismus fanden kaum Zutritt zur Kammer nach diesem Wahlgesetz, nach dem der Stand den Standesgenossen, und zwar immer aus dem eigenen Wahlkreise (!), wählen mußte. Die Kammerverhandlungen der ersten Jahre nach 1831 zeigen daher fast überall nur Standeshader, höchst selten die Erörterung wichtiger politischer Princip- oder Freiheitsfragen.

      Das wurde schon in etwas anders, als das rührige Voigtland, das schon 1831 einen Preßverein nach dem Muster der süddeutschen gegründet hatte, im Jahre 1836 die Abgeordneten Carl Todt (Bürgermeister von Adorf) und von Dieskau (Advocat und Patrimonialrichter aus Plauen) in den Landtag sandte. Sie durchbrachen zum ersten Male die landesübliche Nüchternheit und Genügsamkeit und ließen zum ersten Male im „Landhaussaale“ zu Dresden jenen Ton des schwungvollen, kühnen und rücksichtslosen Liberalismus vernehmen, der bisher nur aus weiter südlicher Ferne nach Sachsen herübergedrungen war. Und wenn auch die beschränkte Bureaukratie und Aristokratie, welcher hauptsächlich die Gegnerschaft dieser jungen Opposition galt, sich über die Kleinheit dieser Fraction vorläufig nur lustig machte, so erweckte doch die Unverzagtheit und Ueberzeugungstreue, das unleugbare Geschick dieser Redner überall im Lande den freudigsten Wiederhall und regte an zur Bildung thätiger, die Opposition im Lande verstärkender politischer Kreise.

      Aus dem großen, mehr zufällig zusammengewürfelten Kreise der Leipziger Bekanntschaften hatte Robert Blum allmählich einen kleineren Ring wirklicher Freunde ausgesondert, mit denen er und die mit ihm immer inniger zusammenwuchsen. Harmlose gesellige Heiterkeit hatte die jungen Männer anfangs zusammengeführt. Bald aber wurden die allgemeinen Angelegenheiten der Stadt, des Landes, des großen deutschen Vaterlandes in den Bereich der Verhandlungen gezogen und ernsthaft durchgesprochen; gemeinsam wurde zu wichtigen Tagesfragen Stellung genommen und in bestimmtem Sinne Einwirkung auf die öffentliche Meinung beschlossen, durch die Presse, durch persönliche Agitation in der Bürgerschaft, durch Betheiligung der Freunde an öffentlichen Festen mit patriotischer Tendenz. In diesem engeren Kreise verkehrten die Schriftsteller Hermann Marggraff, Carl Herloßsohn, Th. Hell, der feurige Julius Mosen, so oft er Leipzig berührte, der kenntnißreiche, ruhig erwägende Karl Andree, der joviale gottbegnadete Componist Lortzing und Kapellmeister Stegmeyer, der blinde Dichter Dr. Theodor Apel, der eifrig zur Localgeschichte der großen Völkerschlacht sammelte; sie Alle patriotisch bewegt, wenn auch der practischen Politik ihrer Natur oder ihrer Berufsthätigkeit nach nicht unmittelbar zugewandt. Auf ein unmittelbares politisches Wirken dagegen drängten andere Genossen dieses Freundeskreises: der feurige Dr. Georg Günther, Mitredacteur der Leipziger Allgemeinen Zeitung, nicht minder der von allen Revolutionen hoch begeisterte junge Historiker Burkhardt, der eben an seiner Geschichte der