Der Pilger Kamanita: Ein Legendenroman. Karl Gjellerup. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Gjellerup
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066118839
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geschehen, so würde ihr ganzes Verdienst dahin gewesen sein, und die von ihr ungeschickt verehrte Göttin hätte ihr gezürnt oder ihr wenigstens kein Glück geschenkt. Darauf antwortete ich, sie habe mir nicht zu danken, da ich höchstens das wieder gut gemacht hätte, was ich selber verfehlt; und als sie nicht verstand, wie ich das meinte, wagte ich sie daran zu erinnern, wie unsere Blicke sich begegnet hatten und sie darob verwirrt den Ball schief traf, so daß er ihr davonflog. Sie aber errötete heftig und wollte das durchaus nicht zugeben--was hätte sie denn auch dabei verwirren können?

      "Ich denke," antwortete ich, "daß meine weit aufgeblühten Augen gleichsam einen solchen Duft von Bewunderung haben entströmen lassen, daß du dadurch einen Augenblick betäubt wurdest und mit der Hand daneben schlugst."

      "Ei, was sprichst du mir da von Bewunderung," antwortete sie, "du bist ja gewohnt, in deiner Heimat noch viel geschicktere Spielerinnen zu sehen."

      Aus dieser Äußerung entnahm ich mit Genugtuung, daß man sich über mich unterhalten hatte, und daß meine an Somadatta gerichteten Worte ihr getreulich mitgeteilt worden waren. Doch wurde mir auch heiß und kalt bei dem Gedanken, daß ich ja fast geringschätzig über sie gesprochen hatte, und ich beeilte mich, ihr zu versichern, daß daran kein wahres Wort gewesen wäre, und daß ich nur so gesprochen hätte, um nicht mein süßes Geheimnis dem Freunde preiszugeben. Das wollte sie aber nicht glauben, oder tat wenigstens so; und darüber vergaß ich dann glücklich meine ganze Schüchternheit, geriet in großen Eifer, um sie zu überzeugen, und erzählte ihr, wie bei ihrem Anblick der Liebesgott seine Blumenpfeile auf mich hatte regnen lassen. Ich sei überzeugt, daß sie in einem früheren Leben meine Frau gewesen sei, denn woher käme wohl sonst eine so plötzliche und unwiderstehliche Liebe? Wenn dem aber so sei, dann müsse doch auch sie in mir ihren ehemaligen Gemahl erkannt haben, und es müsse auch bei ihr eine solche Liebe entstanden sein.

      Mit solchen dreisten Worten drang ich ungestüm auf sie ein, bis sie endlich ihre glühende, tränenperlende Wange an meiner Brust verbarg und mir in kaum hörbaren Worten gestand, daß es ihr ebenso gegangen sei wie mir, und daß sie gewiß gestorben wäre, wenn ihre Milchschwester ihr nicht noch rechtzeitig das Bild gebracht hätte.

      Dann küßten und herzten wir uns unzählige Male und meinten vor Wonne vergehen zu müssen, bis plötzlich der Gedanke an meine unmittelbar bevorstehende Abreise wie ein schwarzer Schatten über meine Fröhlichkeit fiel und mir einen tiefen Seufzer erpreßte.

      Erschrocken fragte Vasitthi, warum ich also seufzte. Als ich ihr aber dann den Grund nannte, sank sie wie ohnmächtig auf die Bank zurück, und brach in einen unerschöpflichen Tränenstrom und in herzzerreißendes Schluchzen aus. Vergeblich waren meine Versuche, die innig Geliebte zu trösten. Umsonst versicherte ich ihr, daß ich, sobald die Regenzeit vorüber sei, zurückkehren und sie dann nimmermehr verlassen wolle, wenn ich mich auch als Tagelöhner in Kosambi verdingen müsse.--In den Wind gesprochen waren alle Beteuerungen, daß meine Verzweiflung bei der Trennung nicht geringer sei als die ihre, und daß nur die harte, unerbittliche Notwendigkeit mich so bald von ihr wegrisse. Kaum daß sie unter Schluchzen ein paar Worte hervorbringen konnte, um zu fragen, warum es denn so notwendig sei, schon morgen, nachdem wir uns eben erst gefunden hätten, abzureisen--und als ich ihr dies dann sehr genau und umständlich erklärte, schien sie keine Silbe davon zu hören oder zu verstehen. O, sie sähe schon, daß ich mich danach sehne, nach meiner Vaterstadt zurückzukommen, wo es noch viel schönere Mädchen als sie gäbe, die auch viel besser Ball spielen könnten, wie ich es ja selber gesagt hätte!

      Ich mochte sagen, beteuern und beschwören was ich wollte--sie blieb dabei, und immer reichlicher flossen ihre Tränen. Kann man sich wundern, daß ich bald darauf zu ihren Füßen lag, ihre schlaff herabhängende Hand mit Küssen und Tränen bedeckte und ihr versprach, nicht abzureisen? Und wer war dann seliger als ich, als Vasitthi mich nun mit ihren weichen Armen umschlang und mich wieder und wieder küßte und vor Freude lachte und weinte. Freilich sagte sie nun gleich: "Da siehst du, es ist gar nicht so notwendig, daß du schon wegreisest, denn dann müßtest du es ja unbedingt tun."--Als ich mich aber anschickte, ihr Alles noch einmal auseinanderzusetzen, schloß sie mir den Mund mit einem Kusse und sagte, sie wisse, daß ich sie liebe, und sie meine nicht wirklich, was sie von den Mädchen meiner Vaterstadt gesagt hätte. Unter zärtlichen Liebkosungen und traulichem Plaudern flogen die Stunden wie im Traume dahin, und es wäre kein Ende all der Seligkeit gewesen, wenn nicht plötzlich Somadatta mit Medini gekommen wäre, um uns zu sagen, daß es die höchste Zeit sei, an die Heimkehr zu denken.

      In unserem Hofe fanden wir Alles zum Aufbruch bereit. Ich rief den Führer der Ochsenkarren und schickte ihn eiligst zum Gesandten mit dem Bescheid, daß mein Geschäft leider noch nicht völlig erledigt sei, und ich infolgedessen darauf verzichten müsse, die Heimreise unter dem Schutze der Gesandtschaft zu machen. Ich bat ihn nur, meinen Eltern einen Gruß zu bringen und empfahl mich seiner Gewogenheit.

      Kaum hatte ich mich auf mein Lager gestreckt, um--wenn möglich--einiger Stunden Schlafes zu genießen, als der Gesandte selber hereintrat. Erschrocken sprang ich auf und verbeugte mich tief vor ihm, während er mit ziemlich barscher Stimme fragte, was dies unglaubliche Betragen bedeuten sollte--ich hätte ihm sofort zu folgen.

      Nun wollte ich anfangen, von meinem noch immer unbeendigten Geschäft zu reden, aber er unterbrach mich gebieterisch:

      "Ach was, Geschäft! Laß es mit der Lüge jetzt genug sein. Ich sollte wohl wissen, was für Geschäfte im Gange sind, wenn ein junger Fant plötzlich eine Stadt nicht verlassen kann, selbst wenn ich nicht gesehen hätte, daß deine Ochsenkarren vorgespannt und beladen im Hofe halten."

      Da stand ich nun blutrot und zitternd als ein vollkommen Ertappter. Als er mich aber ihm augenblicklich zu folgen hieß, da schon ohnehin zu viel der kostbaren kühlen Tageszeit verloren gegangen sei, stieß er bei mir auf einen Widerstand, mit dem er offenbar nicht gerechnet hatte. Vom befehlenden Ton ging er zum drohenden, von diesem zuletzt zum bittenden über. Er erinnerte mich daran, wie meine Eltern sich nur deshalb entschlossen hätten, mich auf eine so weite Reise zu schicken, weil sie gewußt, daß ich sie in seiner Begleitung und unter seinem Schutze hin und zurück machen könnte.

      Er hätte aber keinen für seinen Zweck weniger geeigneten Grund ins Feld führen können. Denn ich sagte mir sofort: dann würde ich ja auch wohl warten müssen, bis wieder einmal eine Gesandtschaft nach Kosambi ginge, bevor ich zu meiner Vasitthi zurückkehren könnte! Nein, ich wollte meinem Vater schon zeigen, daß ich wohl imstande sei, allein eine Karawane durch alle Beschwerlichkeiten und Gefahren des Weges zu leiten.

      Diese Gefahren schilderte mir der Gesandte nun zwar drohend genug, aber das alles war in den Wind gesprochen. Endlich verließ er mich in großem Zorn: ihn treffe keine Schuld, ich müsse jetzt selber meine Torheit ausbaden.

      Mir war es, als ob eine große Last von mir genommen wäre. Ich hatte mich ja jetzt so ganz meiner Liebe hingegeben. In diesem süßen Bewußtsein schlief ich fest ein und erwachte erst, als es Zeit war, sich nach der Terrasse zu begeben, wo unsere Geliebten unser harrten.

      Nacht um Nacht trafen wir uns nun dort, und bei jeder Begegnung entdeckten wir neue Schätze in unserer gegenseitigen Neigung und trugen eine noch größere Sehnsucht nach dem Wiedersehen von dannen. Das Mondlicht wollte mir silberner erscheinen, der Marmor kühler, der Duft der Doppeljasminen berauschender, der Ruf der Kokila liebestrunkener, das Rauschen der Palmen träumerischer und das unruhige Flüstern der Asokas noch verheißungsvoller, als diese Dinge sonstwo in der Welt sein mochten.

      O, wie deutlich besinne ich mich auf jene herrlichen Asokas, die längs der ganzen Terrasse standen, und unter denen wir so oft gewandelt sind, uns mit den Armen umschlungen haltend! "Die Terrasse der Sorgenlosen" wurde sie nach diesen Bäumen genannt, denn "den sorgenlosen Baum" und auch "Herzensfrieden" nennen ja die Dichter den Asoka, den ich nirgends so schön gewachsen gesehen habe wie gerade dort. Die speerförmigen, nimmer ruhigen Blätter glänzten in den Mondstrahlen und lispelten im leisen Nachtwinde, und zwischen ihnen glühten die goldigen, orangefarbenen und scharlachroten Blumen, obschon die Vasantazeit erst im Anzuge war. Aber wie sollten denn auch, o Bruder, diese Bäume dort nicht schon in voller Blütenpracht stehen, da der Asoka ja gleich seine Knospen öffnet, sobald der Fuß eines schönen Mädchens seine