Det wär in det janze Vierteljahr det erstema, det der Direkter kommt, wenn Sonntag is.
Bruno
Wenn der Theatafritze kommt, kann a mir meinswejen jleich angaschieren.
Frau John
heftig.
Quatsch nich!
Bruno
grinsend zur Piperkarcka.
Jlobens et, Freilein, ick ha bei Zirkus Schumann ’n dummen Aujust sein Esel dreimal rum die Manesche jebracht. Det mach ick allens! Ick wer’ mir woll furchten.
Die Piperkarcka
scheint die phantastische Sonderbarkeit der Umgebung erst jetzt zu bemerken, erschrocken, stark beunruhigt.
Josef Maria, wo bin ick denn?
Frau John
Wer kann denn det sind?
Bruno
Da Direkta nich, Jette. Det is eha ’ne Tülle, wo elejante Trittlinge hat.
Frau John
Freilein, jehn Se man zwee Minuten, sein so jut, hier uf ’n Oberboden. ’S kommt eener, kann sind, der bloß wat wissen will.
In ihrer zunehmenden Angst tut die Piperkarcka das Verlangte. Sie klettert über die Treppe auf den Oberboden, dessen Klappe geöffnet ist. Frau John hat sich so gestellt, daß im Notfalle die Piperkarcka gegen die Entreetür gedeckt ist. Die Piperkarcka verschwindet. Frau John und Bruno bleiben allein.
Bruno
Wat wiste denn mit die barmherzige Schwester?
Frau John
Det jeht dir nischt an, verstehste mich.
Bruno
Ick frage ja man, weil det de vor det Mächen so ängstlich ’ne Wand machen dust. Sonst is et mich doch wahaftig Pomade.
Frau John
Det soll dir och immer Pomade sind.
Bruno
Danke Komma, denn kann ick woll abtippeln.
Frau John
Lump, weest du woll, wat du mir schuldig bist?
Bruno
pomadig.
Wat regste dir denn uf? Wo stoß ick dir denn? Wat wiste? Ick muß jetzt zu meine Braut. Mir schläfert. Vorichte Nacht hab ick unter Sträucher in Tierjarten platt jemacht. Und juterletzt is Kohlmarcht bei mich. — (Er kehrt seine Hosentaschen um.) — Foljedessen muß ick jehn ’n Stück Brod verdienen.
Frau John
Hier jeblieben! — und nich von de Stelle! — oder du krist und wenn det de jaulst wie ’n kleener Hund, kriste nimmermehr wenn’t bloß ’n Pfennich is, krist de von mich! Bruno, du jehst uf schlechte Weche.
Bruno
Ick wer’ woll immer jejen de janze Welt ... noch wat! ... wer’ ick der Potsdammer sind. Soll ick etwa nich jehn, wo ick scheen bei Hulda’n zu leben kriege? — (Er zieht eine schmutzige Brieftasche.) — Nich ma ’n dreckigen Pfandschein ha ick mehr in de Plattmullje drin. Wat wiste von mich, un denn laß mir abschrenken.
Frau John
Von dir? Wat ick will? For wat wärst du woll nitze? Du bist zu nischt weiter nitze, als det eene Schwester, wo nich richtig in Koppe is, mit so’n Lump un Tagedieb Mitleid hat.
Bruno
Kann sind, det de in Koppe manchmal nich richtig bist.
Frau John
Unser Vater hat oft zu mich jesacht, wo du schonn mit fünf, sechs Jahre alt schlechte Dinge jetrieben hast, det mit dir in Leben keen Staat weiter nich zu machen is un det ick dir sollte lofen lassen. Un mein Mann, wo richtig un orntlich is ... vor so’n juten Mann: du darfst dir nich blicken lassen.
Bruno
Jewiß doch, det weeß ick ja allens, Jette! Aber so eenfach schiebt sich det nu eemal nu eben nich. Wat wiste? Ick weeß, ick bin mit ’n Ast uf’n Puckel, wenn det’n och det’n keener sieht, un nich in Zangzuzih uf de Welt jekomm. Ick muß sehn un mir mit mein Ast mang mang helfen. Na jut so! wat wiste? von wechen de Ratten brauchst du mir nich. Du wist bloß wat mit die Dohle vertussen.
Frau John
die Faust drohend unter Brunos Nase.
Verrat du een eenziget kleenet Sterbenswort: denn mach ick dir kalt. Denn bist du ’ne Leiche!
Bruno
Na weeßte, vastehste, ick mache mir dinne. — (Er steigt die Treppe hinauf.) — Womeglich komm ick, mir nischt dir nischt, noch ma in Schokoladenkasten rin. —
Er verschwindet durch die Bodenklappe. Frau John löscht eilig die Lampe und tappt sich zur Bibliothekstür. Sie geht in die Bibliothek, schließt aber die Tür hinter sich nicht ganz.
Die Geräusche eines verrosteten Schlosses und Schlüssels, der darin umgedreht wurde, sind vernehmlich gewesen. Ein leichter Schritt kommt nun den Gang herauf. Vorübergehend war der Berliner Straßenlärm, auch Kindergeschrei aus den Hausfluren vernehmlich geworben. Leierkastenmusik vom Hof herauf.
Mit scheuen Bewegungen erscheint Walburga Hassenreuter. Das Mädchen ist noch nicht sechzehn Jahre alt und sieht hübsch und unschuldig aus. Sonnenschirm, fußfreies helles Sommerkleidchen.
Walburga
stutzt, horcht, sagt dann ängstlich.
Papa! — Ist schon jemand hier oben? — Papa! Papa! — (Sie horcht lange gespannt und sagt dann): — Es riecht ja hier so nach Petroleum! — (Sie findet Streichhölzer, entzündet eines davon, will die Lampe anstecken und verbrennt sich an dem noch heißen Zylinder.) — Au! — Donnerwetter, wer ist denn hier? —
Sie hat aufgeschrien und will fortlaufen.
Frau John erscheint wieder.
Frau John
I, Freilein Walburga, wer wird denn jleich Lärm machen! Sein Se man friedlich! Det bin ja bloß ick.
Walburga
Gott, hab ich aber einen ganz entsetzlichen Schreck bekommen, Frau John.
Frau John
Weshalb denn, Freilein? Wat suchen Se denn heit an Sonntag hier?
Walburga
Hand auf dem Herzen.
Mir steht noch immer das Herz ganz still, Frau John.
Frau John
Wat hat’s denn, Freilein Walburga? Wer ängstigt Se denn? Sie missen det doch von Ihren Herrn Vater wissen, det ick Sonntag und Wochentag hier oben mang die Kisten und Kasten zu tun habe, mit Staub abbürsten und Motten auskloppen. In drei, vier Wochen, wenn ick jlicklich mit die zwölf- oder achtzehnhundert Theaterlumpen eemal ’rum bin und fertig bin, fängt et doch immer wieder von frischen an.
Walburga
Ich hab’ mich erschrocken, weil sich der Lampenzylinder noch ganz heiß anfaßte, Frau John.
Frau John
Nu ja, de Lampe hat ebent jebrannt un ick hab se vor eene halbe Minute ausjepustet. — (Sie hebt den Zylinder ab.) — Mir brennt et nich! Ick hab harte Hände! — (Sie zündet das Docht auf.) — Na, nu wird Licht! Nu hab ick se wieder anjestochen. Wat is nu Jefährliches los? Ick sehe nischt.
Walburga
Hu, Sie sehen ja aus wie ein Geist, Frau John.
Frau John
Wie soll ick aussehn?