„Wer das tut, ist nicht richtig im Kopf. Ich erfreue mich schließlich bester Gesundheit und bin durchaus in der Lage, eine Familie zu gründen. Eine sehr große sogar.“
„Richtig - allerdings unter der Voraussetzung, daß dir nichts zustößt.“
Gerald hatte gezögert, ehe er mit der Sprache herausgerückt war.
„Nach Richards Tod bei Waterloo soll Jason um eine beachtliche Summe gewettet haben, daß du den Krieg nicht überlebst.“
„Die Wette hat er verloren“, hatte der Herzog trocken bemerkt.
„Es ist kaum anzunehmen, daß du beim momentanen Stand der Dinge durch eine französische Kugel stirbst, aber Unfälle gibt es allemal.“
Der Herzog hatte den Kopf zurückgeworfen und gelacht.
„Alles was recht ist, Gerald, jetzt erfindest du Gruselgeschichten. Jason ist viel zu feige für einen Mord. Außerdem gehört er nicht zu denen, die sich die Hände schmutzig machen.“
„Die eigenen natürlich nicht. Denk bloß an den Anschlag auf Wellington im Februar.“
„Meinetwegen, Gerald, aber Andre Cantillon war ein fanatischer Anhänger Bonapartes und deshalb bereit, einen Mord zu begehen.“
„Zugegeben“, hatte Gerald gesagt, „aber Jason Harling - und ich will dir weiß Gott keine Angst einjagen - Jason Harling ist ein fanatischer Anhänger der eigenen Person und ihrer Zukunft.“
„Ich lehne es ab, Gerald, mir über so absurde Spekulationen Gedanken zu machen.“
Als er jetzt jedoch nach einem wirklich köstlichen Dinner vom Speisezimmer in die Bibliothek ging, wurde er nachdenklich.
Er hatte harte Zeiten hinter sich, war von einem Tag zum anderen unverhofft zu Reichtum und Besitz gekommen und sah seine Zukunft gesichert. Er hätte sich wirklich glücklich schätzen können, wenn es nicht einen Jason Harling gegeben hätte, der ihm diese Zukunft neidete.
„Ich werde heiraten müssen“ murmelte er, und seine Gedanken wanderten zu Lady Isobel Dalton.
Als er Paris verlassen hatte, hatte sie keinen Zweifel daran gelassen, daß sie innerhalb einer Woche nachzukommen und ihn in London häufig zu sehen gedachte.
Die attraktive Tochter eines Herzogs und Witwe eines ältlichen Barons, der wegen Völlerei und zu viel Alkohol an einem Herzanfall gestorben war, führte ein mehr als fröhliches Leben.
Sie war eine der vielen Frauen gewesen - Französinnen, Engländerinnen, Russinnen - die darauf erpicht waren, die Kriegshelden nach den langen Jahren der Entbehrung zu trösten.
Bei jeder Gesellschaft waren sie wie Glühwürmchen herumgeschwirrt, und bei einer dieser Gesellschaften hatte Isobel die Hände um den Nacken des Herzogs gelegt und ihm die Lippen geboten, ehe er selbst noch den Wunsch verspürt hatte, sie zu küssen.
Er hatte ihrem aufreizenden Temperament nicht widerstehen können. Von Komplimenten überschüttet, hatte er das Gefühl gehabt, der einzige begehrenswerte Mann der Welt zu sein.
„Ich liebe dich und begehre dich“, hatte sie ihm tausendmal ins Ohr geflüstert. „Ich habe mich auf den ersten Blick in dich verliebt, und nun, Liebling, bist du in einer Position, die ich mir nie erträumt hätte. Ich liebe dich, weil du genauso bist, wie ein Herzog sein sollte - der geborene Ehrenmann.“
Er hatte sehr wohl gespürt, daß sie sich immer mehr in sein Leben drängte und ihn mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln umgarnte. Als er in der Nacht vor seiner Abreise bei ihr geblieben war, hatte sie ungeniert ausgesprochen, welches Ziel sie anstrebte.
„Sobald du alles geregelt hast“, hatte sie gesagt, „werde ich dir zur Seite stehen. Wir werden Gesellschaften geben, und ganz London wird sich darum reißen, bei uns eingeladen zu sein. Wir werden alles übertrumpfen, was es bisher gegeben hat.“
Sie hatte einen kleinen Seufzer ausgestoßen und ihm einen flüchtigen Kuß auf die Stirn gegeben.
„Der Prinzregent“, hatte sie hinzugefügt, „wird alt und die Creme de la Creme braucht einen neuen Gott. Du siehst blendend aus, bist charmant wie sonst keiner und weißt dich durchzusetzen. Die Gesellschaft wird zu dir aufschauen.“
Sie hatte ihn erwartungsvoll angesehen, doch der Herzog hatte sich gehütet, ihr zu sagen, sie sei für ihn die schönste Frau der Welt.
Es war ihm nur zu klar gewesen, daß sie ihn hatte dazu bringen wollen, ihr einen Antrag zu machen, doch er dachte nicht daran, eine Ehe einzugehen, schon gar nicht mit Lady Isobel.
Seine vielen Verwandten, das wußte er, und auch die Gesellschaft würden eine solche Heirat begrüßen, aber das kümmerte ihn wenig.
Obwohl ihn Isobel zu reizen verstand wie bisher keine andere Frau, sagte ihm sein Gefühl, daß sie im Grunde nicht die Frau war, mit der er den Rest seines Lebens verbringen wollte.
Die Kriegsjahre hatten ihn gelehrt, die Stellung der Frau richtig einzuschätzen. Frauen dienten dem Vergnügen. In der eigentlichen Welt des Mannes, die aus Kampf und Tod für das Vaterland bestand, hatten sie nichts zu suchen.
Lady Isobel war anders als die hübschen Portugiesinnen, die sich um die müden Männer bemüht hatten, die nach den harten Gefechten auf der Halbinsel Erholung gebraucht hatten.
Sie war auch anders als die ausgelassenen, attraktiven Französinnen, die einen Mann, mochte er noch so erschöpft sein, zum Lachen brachten und ihn darüber hinwegsehen ließen, daß sie ihm vor seinem Weggehen heimlich die Taschen geleert hatten.
Aber Frauen waren Frauen und ein Mann mußte sich ab und zu von der harten Wirklichkeit des Soldatenlebens ablenken lassen. Doch eine Ehe war etwas völlig anderes.
Während der Reise durch den Norden Frankreichs und der stürmischen Überfahrt über den Ärmelkanal hatte der Herzog wiederholt an Isobel gedacht.
Sie war atemberaubend schön und hatte ihm ihre Liebe immer wieder in den überzeugendsten Worten gestanden.
Dennoch hatte ihn eine eigene Stimme jedes Mal davon abgehalten, ihr die erhoffte Frage zu stellen.
„Ich muß bei dir sein, Ivar“, hatte sie tausendmal gesagt. „Ich kann ohne dich nicht leben und weiß, daß du ohne mich genauso verloren und einsam wärst.“
Er hatte ihr nie widersprochen. Es war einfacher gewesen und auch bequemer, ihre Lippen mit Küssen zu versiegeln.
Als der Herzog Paris verlassen hatte, war Lady Isobel bereits damit beschäftigt gewesen, das Haus aufzulösen, in dem sie gewohnt hatte. Ihr weicher verführerischer Körper beherbergte einen stählernen Willen. Sie war fest entschlossen, Herzogin von Harlington zu werden.
Die Gedanken an sie machten ihn nervös.
Er ging zum Kamin und zog ungeduldig an dem elegant mit Perlen bestickten Glockenstrang.
Er brauchte nicht lange zu warten, bis die Tür aufging und ein ziemlich atemloser Bateson auftauchte.
„Ich habe es mir anders überlegt“, teilte ihm der Herzog mit. „Ich werde noch heute aufs Schloß fahren. Man ist ja nur knapp zwei Stunden unterwegs.“
Bateson runzelte die Stirn.
„Haben Euer Gnaden Lady Alvina wissen lassen, daß Euer Gnaden das Schloß zu besuchen beabsichtigen?“ fragte er.
„Nein, denn ich wollte ja ursprünglich bis Ende der Woche hier bleiben“, antwortete der Herzog. „Mir kam nur eben die Idee. Ich bin morgen, spätestens übermorgen wieder zurück.“
„Es wäre klug, Lady Alvina zu benachrichtigen, Euer Gnaden.“
Der Herzog lächelte.
„Aber wo!“ sagte er. „Es sollen