Castellano atmete tief ein. »Sie haben etwas zu verbergen, Mr. McIver, und ich werde herausfinden, was es ist.«
Bevor Declan antworten konnte, ging die Zimmertür auf. Constance trat ein, gefolgt von Okan Osman und Altair Nazari, den beiden verbliebenen Leibwächtern des Israelis. Der Agent knöpfte sein Anzughemd zu und rückte die Krawatte zurecht, während sein kritischer Gesichtsausdruck dahinschmolz und nur jugendlicher Charme zurückblieb. Dann schlug er einen gänzlich anderen Ton an: »Danke für Ihr Entgegenkommen, Mr. McIver. Ich werde mich wieder melden, falls ich weitere Fragen habe.«
»Da bin ich mir sicher«, erwiderte Declan und sah zu, wie Castellano den Raum mit großen Schritten und der Mappe unterm Arm verließ.
Da Constance die Spannung im Zimmer spürte, richtete sie sich besorgt an ihren Mann: »Ist alles in Ordnung?«
Declan lächelte. »Natürlich, Schatz. Mir geht's prima.«
Als die Tür ins Schloss fiel, wusste er, dass er den Agenten nicht zum letzten Mal gesehen hatte und ihre zweite Begegnung noch unangenehmer werden würde als diese. Ob der Hauptermittler des FBI von bürokratischem Eifer oder finstereren Motiven getrieben wurde, konnte Declan nicht sagen, doch aus unerfindlichem Grund kam es ihm vor, als sei er von ihm zum Staatsfeind Nummer Eins ernannt worden.
Kapitel 13
»Hast du einen neuen Freund gefunden?«, frage Okan Osman, während er und Altair Nazari zum Bett kamen. Sie hatten mit kalten Blicken beobachtet, wie Castellano hinausgegangen war.
»Ja, schätze schon.« Declan grinste.
»Er ist ganz bezaubernd, nicht wahr?«, fragte Nazari und nahm dort Platz, wo der Agent gesessen hatte. »Wir hatten bereits heute Morgen das Vergnügen mit ihm.«
»Er scheint große Stücke auf mich zu halten«, bemerkte Declan trocken.
»Was ist denn los?«, wollte Constance wissen, die angespannt aussah. »Wovon sprichst du? Die glauben doch nicht etwa, du hättest irgendetwas mit der ganzen Sache zu tun, oder?«
Sie schaute von ihm zu den beiden Bodyguards, ehe sie sich wieder an ihn wandte.
»Agent Castellano will das zweifellos glauben«, antwortete Declan endlich. Während er genauso wie Osman und Nazari daran gewöhnt war, Schreibtischhengste wie Castellano abzufertigen, was ihnen zuweilen ein wenig kindische Genugtuung verschaffte, lag der Fall bei Constance anders. Jetzt stand sie mit ernster Miene am Bett und hielt dessen Handlauf fest.
»Hey, alles in Butter«, beteuerte Declan, indem er sie anstrahlte und seine Hände auf ihre legte. »Ich werde heute Nachmittag entlassen, dann klären wir die Angelegenheit. Würdest du mir einen Gefallen tun?«
»Was denn?«, erwiderte sie, ohne den besorgten Ausdruck abzulegen.
»Ich könnte jetzt wirklich einen Kaffee gebrauchen.«
Osman und Nazari stimmten dem hörbar zu.
»Gut.« Sie wusste, dass die drei miteinander besprechen wollten, was vor sich ging, und sie es nicht mitbekommen durfte. Sie zog ihre Hände fort heraus und steuerte die Tür an.
Als sie die Tür geschlossen hatte, wandte sich Declan wieder an die beiden Leibwächter. »Sie müssen verhindern, dass Lieferanten zu …«
Osman hob seine Hände, um ihn zu unterbrechen. »Wir haben das Paket schon abgefangen, Declan. Das FBI soll den Kerl verhören, der versuchte, es zu überbringen, aber so wie es aussieht, weiß er nichts und ist nur ein bezahlter Bote, der keine Ahnung hatte, was er beförderte.«
Zum ersten Mal, seit die beiden hereingekommen waren, betrachtete er sie genauer. Beide sahen abgespannt und müde aus, und dass der Schein in diesem Fall nicht trog, wusste er. Ohne das starke Betäubungsmittel, das ihm verabreicht worden war, hätte er selbst auch kein Auge zugetan. Nicht, dass er noch nie Gewalthandlungen miterlebt hätte, ganz im Gegenteil: So einige Male in der Vergangenheit war er geneigt gewesen zu glauben, sie würden fest zu seinem Leben gehören. Nach unzähligen Beerdigungen von Freunden im Lauf der Jahre kannte er den Tod wie kein zweiter. Weil er während der »Troubles«, jenes knapp 30-jährigen Konflikts in Nordirland aufgewachsen war, hatte er viele Menschen sterben sehen – einige durch die Hand der britischen Armee, andere getötet von Paramilitärs der Unionisten und noch mehr im Zuge von Operationen der Republikaner, die einmal wie Brüder für ihn gewesen waren. Das hatte ihn stets auf die gleiche Weise berührt: Mit der Erkenntnis, dass eine Person, mit der er täglichen Umgang gepflegt hatte, nicht mehr da war und nie wieder zurückkommen würde.
An seine letzten gemeinsamen Augenblicke mit ihnen allen konnte er sich erinnern, und jene in Abidan Kafnis Gegenwart ließen ihn nicht los. War der Anführer der Gruppe, die er an der Briton-Adams-Villa gesehen hatte, wirklich Ruslan Baktayew? Falls ja, war Kafni berechtigterweise davon ausgegangen, dass neben diesem Mann noch andere beteiligt waren. Es war durchaus nicht auszuschließen, dass Terroristen in die Vereinigten Staaten eindringen konnten, doch stützte die Vorstellung, dass jemand mit einem Werdegang wie Baktayew dies lediglich 14 Tage nach seiner Flucht aus einem russischen Straflager schaffte und dann noch Zeit fand, einen derart verwegenen Mord zu planen, definitiv solche Theorien, die von der Verstrickung eines übergeordneten Netzwerkes – welcher Art auch immer – munkelten. Und wie Kafni gesagt hatte: Egal, wer es war, es mussten zahlreiche Kontakte und viel Macht dahinterstecken, sowohl politische als auch finanzielle.
»Wo wart ihr Jungs eigentlich?«, fragte Declan. »Was ist im Barton Center mit euch passiert?«
»Wir wurden in einem Lagerraum im Keller eingesperrt«, erklärte Osman. »Einer der Sicherheitsmänner meinte, etwas Verdächtiges entdeckt zu haben, und führte uns hinunter. Sobald wir drinnen waren, schlug er die Tür zu und schloss uns ein. Die Rettungsteams fanden uns erst nach mehreren Stunden.«
»Die Explosion ging von einem der Autos des Sicherheitsdienstes aus, die draußen geparkt waren«, sagte Declan.
Osman und Nazari nickten. »Da waren Insider am Werk«, schlussfolgerte Osman.
»Meine Rede, was hat es mit diesem Sicherheitsdienst auf sich?«
»Wissen wir nicht. Weder ihre Uniformen noch die Fahrzeuge waren mit einem Firmennamen oder Logo bedruckt, und die Ermittler halten sich sehr bedeckt, was Informationen angeht. Die städtische Polizei wurde vollständig ausgeschlossen; das FBI kümmert sich um alles, und unser Freund Castellano hat das Sagen.«
»Es war die gleiche Security, die auch die Villa bewachte. Habt ihr sie nicht gründlich überprüft?«
»Levi übernahm das alles. Die müssen ein Auge darauf gehabt haben, sonst wären sie nicht dort gewesen.«
Declan schüttelte den Kopf. »Das FBI hat zweifelsohne gewusst, dass es der Sicherheitsdienst war. Dem geht man jetzt bestimmt auf den Grund.«
»Das denken wir auch – davon abgesehen, dass es uns Knüppel zwischen die Beine wirft«, warf Nazari ein.
»Wir haben dir etwas mitgebracht«, fuhr Osman fort und gab Declan einen Pappordner, bevor er sich gegen die hüfthohe Kleiderkommode im Schrank lehnte.
Für einen Israeli war er groß gewachsen, was in erster Linie daran lag, dass seine Familie arabische Wurzeln hatte. Mit seinem rasierten Kopf und dem kurz geschnittenen Kinnbart, der breiten Brust und einem grimmigen Blick, gab er ein Ehrfurcht gebietendes Bild ab.
Declan nahm den Ordner und legte ihn auf seinen Schoß.
Darin steckte eine Akte auf Hebräisch mit einem angehefteten Foto. Obgleich er nicht lesen konnte, was darin geschrieben stand, war der Abzug aussagekräftig genug. Er zeigte einen hageren Mann mit fahler, rauer Haut, für die sein Schädel zu dick zu sein schien, und kohlrabenschwarzen Augen, deren bohrender Blick in die Kamera glauben machte, dass er das Objektiv zerspringen lassen wollte. Wegen seines ausgewachsenen, schwarzen Bartes, der am unteren Bildrand abgeschnitten war, blieb sein Gesicht von der Nase an abwärts unkenntlich.
»Das ist