Reisen zur Entdeckung des Nils. James Bruce. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: James Bruce
Издательство: Bookwire
Серия: Edition Erdmann
Жанр произведения: Путеводители
Год издания: 0
isbn: 9783843803144
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Naybe besuchte ihn jeden Tag mehrere Male. Weil ich Achmet vor meiner Abreise aus Arkeeko wiederhergestellt sehen wollte, versteckte ich mich bei diesen Gelegenheiten, weil ich entschlossen war, bei der ersten Unterredung mit dem Naybe auf meiner sofortigen Abreise zu bestehen.

      Am 13. nachmittags besuchte ich den Naybe in seinem Haus. Er empfing mich höflicher als gewöhnlich, oder besser gesagt, nicht so grob und ungesittet, denn bis jetzt hatte ich noch nie auch nur einen Anflug von Höflichkeit in seinem Benehmen bemerkt. Es war ihm soeben die Nachricht gebracht worden, dass einer von seinen Leuten, der für ihn Geld eintreiben sollte, mit ebendiesem Geld davongelaufen sei. Weil ich ihn beschäftigt sah, empfahl ich mich wieder und fragte lediglich, ob er mir Aufträge für Abessinien zu geben habe, worauf er antwortete. »Wir haben noch Zeit genug, darüber zu reden; kommt nur morgen wieder her.«

      Als die Freunde, die ich mir in Massaua und Arkeeko gemacht hatte, sahen, wie eigensinnig sich der Naybe unserer Abreise widersetzte, rieten sie mir, weil sie sein grausames Naturell kannten, alle Gedanken auf Abessinien fahren zu lassen. Die Schwierigkeiten bei der Reise durch Samhar, unter den vielen Stämmen, über die er befehlen konnte, würden täglich größer werden, und wir würden, sei es durch Zufall oder im Auftrag des Naybe, sicher unser Leben verlieren. Ich war davon überzeugt, dass Schwierigkeiten auf mich warteten, wenn auch nicht so große, wie ich sie hier mit dem Naybe hatte. Mein Entschluss zur Fortsetzung der Reise war gefasst, und nichts konnte mich zurückhalten. Der Vorrat von Einwendungen des Naybe schien erschöpft, und morgen würden wir uns im freien Feld befinden, befreit von aller Tyrannei und allem Zwang. In dieser Mutmaßung bestärkte mich der Eindruck, den der Diener des Königs von Abessinien auf den Naybe gemacht hatte.

      Am 15. frühmorgens brach ich mein Zelt abermals ab und bereitete mein Gepäck für den Marsch vor, um zu zeigen, dass wir entschlossen waren, nicht länger zu warten. Um 8 Uhr ging ich zum Naybe, traf ihn fast allein an, und er empfing mich auf eine Art, die man beinahe höflich nennen konnte. Mit ziemlicher Beredsamkeit und einem Schwall von Worten begann er von den Schwierigkeiten unserer Reise zu erzählen, von den Flüssen, Abgründen, Bergen und Wäldern, die wir durchqueren müssten, von den wilden Tieren, die man überall anträfe, und von den unzivilisierten Völkern, die diese Gegenden bewohnten. Die meisten davon seien ihm zum Glück untergeben und er wolle ihnen schon befehlen, uns kein Leid zuzufügen. Er trug zweien seiner Schreiber auf, die dazu erforderlichen Briefe anzufertigen, und ließ Kaffee bringen. Er sprach vom abessinischen König und von Ras Michael und von ihrem Feldzug gegen Fasil, dessen glücklicher Ausgang unwahrscheinlich schien.

      Plötzlich trat ein Diener ein, der voll Staub und allem Anschein nach sehr müde war, als ob er in Eile von sehr weit hergekommen wäre. Der Naybe erbrach in großer Verlegenheit und Verwirrung die Briefe, die der Mann brachte. Sie enthielten angeblich die Nachricht, dass sich die Stämme der Hazorta, Shiho und Tora, welche den Teil von Samhar bewohnen, durch welchen unser Weg führen sollte und durch den die Heerstraße von Massaua nach Tigre geht, rebelliert und sich für unabhängig erklärt hätten. Der Naybe befahl darauf den Schreibern, als ob alles verloren wäre, mit den Briefen aufzuhören. Er richtete die Augen gen Himmel und fing mit andächtiger Miene an Gott zu danken, dass wir nicht schon unterwegs wären, weil man es ihm bei aller seiner Unschuld zur Last gelegt hätte, wenn man uns ermordet hätte. So böse ich auch über ein so unverschämtes Possenreißen war, konnte ich mich doch nicht zurückhalten und brach in lautes Gelächter aus. Mit der ernsthaftesten Miene verlangte der Naybe zu wissen, was mich unter solchen Umständen so fröhlich stimmte. »Seit zwei Monaten«, entgegnete ich, »legt Ihr mir allerlei Hindernisse in den Weg und wundert Euch noch, dass ich mich durch einen so plumpen Betrug nicht blenden lasse? Heute früh, bevor ich mein Zelt abbrach, sprach ich in Gegenwart Eures Neffen Achmet mit zwei Männern der Shiho, die eben aus Samhar gekommen waren und Briefe an ihn brachten. Sie sagten, dass alles ruhig sei. Habt Ihr spätere Nachrichten als von diesem Morgen?« Er schwieg eine Zeit lang und sagte dann: »Wenn Ihr Eures Lebens überdrüssig seid, könnt Ihr reisen. Ich will aber meine Schuldigkeit tun und alle, die mit Euch gehen, vor der Gefahr warnen, damit man, wenn ein Unglück geschieht, nicht mir die Schuld geben kann.« – »Wir können«, erwiderte ich, »gar keine so große Anzahl nackter Shiho auf unserem Weg antreffen, die uns anzugreifen wagen, wenn sie nicht durch Euch Nachricht bekommen. Die Shiho haben keine Feuergewehre. Wenn Ihr aber einige von Euren Soldaten mit Gewehren hingeschickt habt, wird man dadurch entdecken, auf wessen Anstiften hin sie kommen. Was uns betrifft, können wir nicht entfliehen. Wir kennen weder das Land noch die Sprache oder die Wasserplätze, wir werden es folglich nicht versuchen. Wir sind im Überfluss mit allen Arten von Feuerwaffen versehen, und Eure Diener in Massaua haben oft genug gesehen, dass wir damit umzugehen wissen. Unser Leben können wir allerdings verlieren, doch werden wir genug Leute auf dem Schlachtfeld hinstrecken, sodass der König und Ras Michael daraus schließen können, wer unsere Mörder waren. Das Übrige wird Janni aus Adowa schon erklären.«

      Ich stand plötzlich auf, um fortzugehen. Man kann einem, der diese Nationen nicht durch persönlichen Umgang kennt, unmöglich einen Begriff davon geben, was für vollkommene Meister der Verstellungskunst auch die Plumpesten und Dümmsten unter ihnen sind. Alle Züge des Naybe veränderten sich in einem Augenblick. Nun war die Reihe an ihm, in ein lautes Gelächter auszubrechen, worüber ich ebenso erstaunt war wie er vorher über das meinige. Jede Miene seines verräterischen Gesichts verwandelte sich in ein gefälligeres Wesen und er nahm zum ersten Mal die Haltung eines Mannes an. »Was ich von den Shiho sagte«, hob er an, »geschah nur, um Euch auf die Probe zu stellen. Alles ist ruhig. Es war mir nur daran gelegen, Euch hier zu behalten, um meinen Neffen wieder gesund zu machen. Da Ihr aber zur Abreise fest entschlossen seid, fürchtet Euch nicht, die Straßen sind völlig sicher. Ich will Euch auch einen Führer mitgeben, der Euch sicher geleiten soll, selbst wenn Gefahr vorhanden wäre. Geht nur und bereitet die Arzneien, die Achmet braucht, ich will inzwischen meine Briefe beenden.« Ich willigte