Ein Schatten dort drüben! Huschend und ganz verschwommen. Jetzt sah er ihn, dann wieder war er verschwunden. Ein zerfließender Schatten, der sich durch die Bewegung wieder zusammenfügte und eine düstere Drohung ausstrahlte. Welcher Schatten?
Der des Apachen oder Burdettes Umrisse auf dem hellen Sand? Niemand hätte es mit Sicherheit zu sagen vermocht. Ein Pfeil bohrte sich vor ihm in den weichen Grund. Coconino ging zum Angriff über! Luke sah die Rothaut nicht, ahnte sie aber in seiner Nähe. Er schnüffelte. Keine Ausdünstung eines Menschen, dessen Kleidung den Geruch von Holzrauch und ranzigem Fett angenommen hatte.
Luke rann der Schweiß über Gesicht und Nacken. Er hielt den Atem an. Wo war der Aravaipa? Schlich er heran? Lauerte er im Busch? Oder war er gar schon in seiner unmittelbaren Nähe?
Er war es.
Bevor Bonnart ein Glied rühren konnte, bekam er den beißenden Geruch von Schweiß, Fett und Feuerrauch in die Nase, etwas Schweres, Massiges und doch Bewegliches fiel auf ihn und drückte ihn in den weichen Untergrund.
Verzweifelt versuchte Luke sich von der Last des fremden Körpers zu befreien. Vergeblich.
*
Während der Nacht erwachte Joan Hamilton. Ein keuchender Laut hatte sie gestört.
Schwaches Mondlicht drang durch das lückenhafte Blätterdach und tauchte das Innere des Jacale in ein Gewebe von Licht und Schatten.
Wieder ein schnaufender Ton. Joan schlug die Decke zurück und stand auf. Mit einer heftigen Gebärde raffte sie das dünne Hemd über der Brust zusammen. Vor dem Lager ihres Mannes ging sie in die Hocke.
Rus stöhnte und murmelte unverständliche Worte im Schlaf. Schlaf? Hatte er etwa Fieber? Sie legte ihre kalte Hand auf seine heiße Stirn und zog sie schnell wieder zurück. Wundfieber, und ziemlich hoch.
Die Berührung ließ Rus erwachen. Er drehte den Kopf, bis er Joan sehen konnte.
»Warum – schläfst du – nicht, Liebes?«
»Du hast gestöhnt. Fühlst du dich nicht wohl?«
Rus Hamiltons Gedanken verschwammen wie in einem unruhigen See. Er konnte sich nicht konzentrieren. Was war eigentlich gewesen? Jemand hatte auf ihn geschossen. Er fühlte den Schmerz in der Brust, das stechende Bohren und den entsetzlichen Juckreiz auf dem Rücken, wo die Kugel ausgetreten war. Da war die Hand wieder, die kühle Hand seiner Frau, die sich erneut auf seine glühende Stirn legte.
Mit der Berührung drang auch das Bewusstsein in ihn ein, dass er schwer verwundet war und hilflos einem Schicksal ausgeliefert, das sich in der Gestalt Larry Hagmans manifestierte. Er sah das Gesicht vor sich. Das boshafte Grinsen auf Larrys Zügen, die lückenhaften Zähne und das schüttere Haar störten ihn. Er wollte sich aufrichten, den Albtraum von sich abschütteln, aber kraftlos sank er auf das Lager zurück und schloss in stiller Verzweiflung die Augen.
»Joan, wo sind sie?«
Sie wusste, wen er meinte. Sie antwortete: »In ihren Hütten. Ich mache dir einen Tee«, fuhr sie fort und stand auf.
»Nein! Bitte, bleib hier, ich muss mit dir reden.«
»Ich bin doch hier, Rus. Soll ich Luke Bonnart rufen?«
»Luke …? Du hältst wohl viel von ihm?«
»So meine ich das nicht, Rus. Luke versteht etwas von Wunden und wird dir helfen.«
»Doch, doch, du wirst dich Luke anvertrauen, wenn …« Er brach ab und verschluckte sich an seinem eigenen Speichel. Er hustete. Ein Krampf schüttelte seinen Körper. Die Brustwunde brach auf, Blut trat hervor und nässte den Verband.
Die Decke war bei dem Hustenkrampf von seinem Körper geglitten. Ein Lichtstrahl fiel durch das Blätterdach und traf den Verband. Blut tropfte auf das weiße Laken, das das primitive Krankenlager überspannte.
Joan schrie auf und rang die Hände.
»Ich hole Luke«, sagte sie schrill. »Er wird dich neu verbinden und die Blutung zum Stillstand bringen.«
Bevor Rus antworten konnte, war sie fort. Einem Geist gleich rannte sie barfuß zur Nachbarhütte. Ihr wurde in ihrer Angst nicht einmal bewusst, dass sie nur das dünne Nachthemd am Körper trug, das ihre Körperformen mehr hervorhob als verdeckte.
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