»Erbarme dich«, sagte ich, »und hilf mir bald! Du siehst, ich bin ganz fertig, den Kampf ohne Gnade zu kämpfen, wozu du mich aufgefordert hast. Sobald ich Amors ersten Pfeil tief im Innern fühlte, spannte ich gleich aus voller Kraft meinen Bogen, dass Horn und Sehne springen möchten. Doch willst du mir ganz meine Wünsche gestatten, so löse dein Haar, dass es dich frei umwalle, und überlasse dich so meiner Umarmung.«
Unverzüglich werden Speisen und Geräte beiseite geschafft und, aller Kleidung entblößt, die Haare entfesselt zur süßen Lust, steht Fotis da, wie Venus, die des Meeres Fluten entsteigt und lügenhaft-züchtig ihren marmornen Schoß, mit rosiger Rechten beschattet, nicht deckt.
»Auf denn«, ruft sie, »zum Kampf! Mutig zum Kampfe! Ich halte dir stand und weiche nicht. Zeige, dass du ein Mann bist, sei tapfer und stirb tötend; denn heute gibt’s keinen Pardon!«
Mit den Worten ist sie in meinem Bett, sitzt rittlings auf mir, und schäkernd lässt sie ihr reges Kreuz so lange spielen, bis unser Vergnügen den Gipfel erreicht, die Sinne uns übergehen und, in gegenseitiger Umarmung die Seele aushauchend, wir beide hinsinken.
Unter diesen und ähnlichen Kämpfen durchwachten wir die Nacht bis nahe an den Morgen. Frische Becher stärkten von Zeit zu Zeit die ermatteten Kräfte, reizten die Begierden wieder und erneuerten das Gefühl der Wollust.
Noch manche Nacht verfloss uns nach diesem Muster.
Eines Tages bat mich Byrrhenna sehr inständig zu sich zu Gaste. Ich lehnte es ab, so gut ich konnte! Doch sie bestand hartnäckig darauf. Was war zu tun? Ich musste zur Fotis gehen und mir aus ihren Augen wie aus dem Flug der Vögel Rat holen.
Sie sah es zwar ungern, dass ich mich weiter als einen Finger breit von ihr entfernte; inzwischen erteilte sie mir dennoch in Huld und Gnaden Urlaub.
»Aber höre«, sprach sie, »komm auch ja nicht so spät nach Hause; denn eine liederliche Rotte vornehmer junger Leute aus der Stadt macht des Nachts die Straßen unsicher, hin und wieder trifft man beständig in den Gassen Erschlagene an, und da die Truppen des Statthalters so weit von uns liegen, so ist dem Treiben gar nicht Herr zu werden. Dein Äußeres und die Geringschätzung, die man hier gegen Fremde hegt, könnte dich leicht Nachstellungen aussetzen.«
»Ich bitte dich, sei ohne Sorgen, liebe Fotis«, antwortete ich. »Ich würde ja selbst darunter leiden, wenn ich dem Schmause vor dem Vergnügen, bei dir zu sein, den Vorzug gäbe. Und jetzt, da es gar darauf ankommt, dich von dieser Furcht zu befreien, werde ich gewiss umso früher wieder hier sein. Dennoch will ich nicht ohne Geleit gehen. Ich will meine Lenden mit meinem treuen Schwert gürten, um doch im Notfall nicht wehrlos zu sein.«
So geschah es, und ich begab mich zum Gastmahl.
Ich fand große Gesellschaft und, da es sich um eines der ersten Häuser von Hypata handelte, lauter Schönheit.
Das Mahl war herrlich. Die Tische glänzten vor Elfenbein und waren mit goldenen Decken überhangen. Die Pokale groß, von mancherlei schönen Formen, doch von gleicher Kostbarkeit. Hier prangte künstlich geschliffenes Glas, dort helles Kristall. Anderswo schimmerte blankes Silber oder glühte das feinste Gold. Auch Bernstein, zu den schönsten Gefäßen ausgehöhlt, lud den Mund zu trinken ein. Kurz alles, was nur Reichtum und die seltenste Kunst vermag, war hier anzutreffen.
Jede Menge Vorleger, alles aufs stattlichste gekleidet. Gerichte im Überfluss.
Zur Aufwartung die artigsten Mädchen und schön frisierte und herausgeputzte Knaben, die in Gemmengläsern fleißig alten Wein herumreichten.
Man brachte Licht, und das Tischgespräch nahm überhand, wurde lebhaft. Man lachte, scherzte, witzelte hin und wieder.
Da fing Byrrhenna zu mir an:
»Nun, mein lieber Lucius, wie gefällt es Ihnen bei uns? Meines Wissens tun wir uns vor anderen Städten durch Tempel, Bäder und andere öffentliche Gebäude hervor. Auch haben wir ganz hübsche Einrichtungen. Übrigens hat man hier völlige Freiheit, zu leben, wie man will. Der Freund der großen Welt findet bei uns das geräuschvolle römische Leben, und wiederum, wer die Zurückgezogenheit liebt – die Ruhe und Stille des Landes. Wer sich nur in der Provinz ein Vergnügen machen will, der kommt zu uns gereist.«
»Ich stimme Ihnen in allem zu, liebe Tante, was Sie auch sagen«, antwortete ich. »In der Tat habe ich mich auch nirgends noch so frei gefühlt wie hier. Wenn nur die böse Magie nicht wäre! Um ihretwillen bin ich immer in Ängsten. Sie schleicht hier so im Finstern, dass kein Mensch sich davor in Acht nehmen kann. Selbst die Toten in ihren Gräbern sollen nicht davor sicher sein; man holt Reste und Gliedmaßen von Leichen, von Brandstätten und Scheiterhaufen fort, um den Lebendigen damit Unheil zuzufügen. Ja, die Schwarzkünstlerinnen sollen es sogar oftmals mit den Verstorbenen nicht zum Begräbnis kommen lassen, indem sie die Leichen mit unglaublicher Geschwindigkeit während des Begräbnisses von den Bahren herunterstehlen.«
»Ei, was noch mehr ist«, fiel ein anderer ein, »nicht einmal die Lebendigen werden hier verschont. Ich kenne jemanden, der ein Lied davon singen kann. Der arme Teufel hat Nase und Ohren eingebüßt und ist jämmerlich entstellt.«
Die ganze Gesellschaft brach bei den Worten in ein mutwilliges Gelächter aus, und aller Augen suchten jemanden, der in einer Ecke des Saales ganz allein lagerte. Dieser war äußerst beschämt und böse. Er sprang auf, schimpfte und fluchte etwas in den Bart hinein und wollte fort.
»Oh, nicht doch, lieber Telerophon«,sprach Byrrhenna zu ihm, »Sie werden doch nicht böse werden und fortgehen wollen? Bleiben Sie bei uns, ich bitte Sie, und haben Sie nochmals die Höflichkeit, uns Ihre Geschichte zu erzählen, damit mein Neffe Lucius auch das Vergnügen habe, sie zu hören!«
»Sie, Madame«, versetzte er aufgebracht, »sind immer die Güte und Verbindlichkeit selbst. Aber gewisser Leute unverschämte Grobheit ist nicht auszustehen.«
Doch Byrrhenna ließ nicht nach. Sie setzte ihm auf eine so einnehmende, unwiderstehliche Art zu und gab ihm so viele Versprechen, dass Telerophon, er mochte nun wollen oder nicht, sich endlich besänftigen und bequemen musste, ihrem Wunsch zu entsprechen.
Er legte den Teppich, worauf er lag, auf einen Haufen zusammen, stützte den Ellbogen darauf, richtete sich auf dem Bette etwas in die Höhe, erhob die Rechte mit einer Rednergebärde, indem er die beiden untersten Finger der Hand schloss und die andern, vom Daumen gestützt, ausstreckte, und fing an:
»Als ich noch minderjährig war, machte ich von Milet eine Reise zu den Olympischen Spielen, und da ich auch gern die merkwürdigsten Plätze dieser hochberühmten Provinz in Augenschein nehmen wollte, so durchzog ich Thessalien nach allen Richtungen, bis ich endlich, von meinem bösen Schicksal geleitet, nach Larissa kam.
Mein Reisegeld war dünn geworden, und, um Mittel zu finden, die Schwindsucht meines Beutels zu heilen, rannte ich lange überall herum, bis ich mitten auf dem Markt einen langen alten Mann wahrnahm, der auf einem Stein stand und mit lauter Stimme ausrief:
›Wer einen Toten zu bewachen Lust hat, der melde sich und fordere, was er dafür haben will!‹
›Was höre ich da?‹ sage ich zu einem Vorübergehenden, ›pflegen denn hier die Toten davonzulaufen?‹
›Spottet nicht!‹ antwortete dieser, ›Ihr seid noch zu jung und unerfahren, Ihr würdet sonst wohl wissen, dass mitten in Thessalien, wo Ihr Euch jetzt befindet, es gar nichts Seltenes ist, dass alte Hexen den Toten das Gesicht abfressen, weil sie davon allerhand als Zutaten zu ihren Schwarzkünsteleien brauchen.‹
›Und könnt Ihr mir nicht sagen‹, erwiderte ich, ›worin eigentlich diese Leichenwache besteht?‹
›Vor allen Dingen‹, versetzte er, ›kommt es darauf an, dass man die ganze geschlagene Nacht hindurch wirklich wache. Man darf nicht blinzeln, geschweige denn ein Auge zutun. Die Blicke müssen beständig auf den Leichnam geheftet sein und nie davon abgewendet werden. Verdreht man nur das Schwarze im Auge, gleich hat sich ein kleines Zauberwesen herbeigeschlichen! Denn sie wissen so gut die Gestalt von allerhand Tieren anzunehmen, dass