Das war auch ihr Gedanke gewesen.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Gern geschehen. Halten Sie mich auf dem Laufenden!« Reinhard Witt lächelte die geschätzte Kollegin an und sah ihr nach, als sie das Zimmer verließ.
Auf dem Weg zu Melanie begegnete Fee ein Kollege, der Kinderarzt Götz Grabmann.
»Wohin des Wegs, schöne Frau?«, fragte er.
Obwohl sie wusste, dass das nur Spaß war, schlug ihr Herz schneller. Sie fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
»Ich hab Ihnen schon mal gesagt, dass Sie sich nicht lustig machen sollen über mich.«
»Und ich hab geantwortet, dass mir nichts ferner liegt«, erwiderte er schlagfertig. »Stört es Sie, wenn ich Sie ein Stück begleite?«
Felicitas schüttelte den Kopf.
»Ganz im Gegenteil. Ich habe eine Bitte an Sie.«
»Lassen Sie mich raten! Sie erhören mein Flehen und gehen mit mir essen?« Sein hoffnungsfroher Blick ruhte auf Fee und machte sie nervöser, als ihr lieb war.
»Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass ich eine verheiratete Frau bin?«
Mitten auf dem Flur blieb Götz abrupt stehen und wartete darauf, dass Felicitas es ihm gleichtat.
»Herrgott noch einmal, Felicia, es geht um ein Abendessen. Ich hab Ihnen kein unsittliches Angebot gemacht.« Zum ersten Mal benutzte er diesen Namen und irritierte sie damit noch mehr.
»Mein Name ist Felicitas«, wies sie ihn schroff zurecht.
Götz lächelte ebenso entwaffnend wie unbeeindruckt.
»Die italienische Form steht Ihnen aber besser. Sie ist nicht so hart, sondern weicher, weiblicher. Genau wie Sie!«
»Jetzt ist es aber genug!« Am anderen Ende des Flurs bog Volker Lammers um die Ecke. Zum allerersten Mal freute sich Fee, ihn zu sehen. Sein Auftauchen war ein guter Grund, um dieses unangenehme Gespräch zu beenden. Fee ärgerte sich nur darüber, dass ihre Stimme nicht halb so abweisend war wie beabsichtigt. »Um auf meine Bitte zurückzukommen: Wir brauchen ein großes Blutbild von Melanie Platz«, kehrte sie zum Thema zurück. »Lassen Sie auf Krankheitserreger testen und prüfen Sie, ob eine HIV-Infektion für die Atembeschwerden verantwortlich sein kann.«
Als Lammers in diesem Moment vorbeiging, schickte er den beiden Kollegen einen argwöhnischen Blick. Fee dankte dem Himmel, dass er diesmal auf eine anzügliche Bemerkung verzichtete und kommentarlos in seinem Büro verschwand.
»Alles klar, Chefin.« Götz Grabmann hatte den stummen Befehl in ihren Augen gesehen und kehrte zur gewohnten Anrede zurück. Auf keinen Fall wollte er es sich mit dieser faszinierenden Frau verderben. Seit er sie in der Klinik kennengelernt hatte, träumte er von ihr, wohlwissend, dass sie unerreichbar war.
Felicitas dagegen kehrte gedankenvoll in ihr Büro zurück. Warum fühlte sie sich von Götz Grabmanns Annäherungsversuchen geschmeichelt? Sicher, es lagen schwere Monate hinter Daniel und ihr, in denen ihre Liebe viel zu kurz gekommen war. Aber das war kein Grund, sich an den Komplimenten eines anderen zu freuen. Oder war das nach so langer Ehe ganz normal?
*
Als Titus vor aller Augen im Garten zusammengebrochen war, hatte nicht nur Josy in der Backstube aufgeschrien. Auch die Frauen draußen taten ihr Entsetzen lautstark kund. Lediglich Anneka fackelte nicht lange. Sie sprang vom Stuhl auf und kniete neben Titus nieder.
»Titus, was ist? Kannst du mich hören?« Sie klopfte ihm auf die Wange. Als er nicht reagierte, gab es nur eine Möglichkeit. Sie sprang auf und stürzte ins Café. Dabei hätte sie um ein Haar Josephine umgerannt, die aus der Backstube gelaufen kam.
»Danny! Danny, schnell. Titus!«
Alarmiert von den Rufen seiner Schwester war der junge Arzt sofort zur Stelle.
»Was ist mit ihm?«
Atemlos blieb Anneka vor ihrem Bruder stehen.
»Keine Ahnung. Er hat sich an den Hals gefasst und ist zusammengebrochen.« Sie wies mit dem Finger Richtung Hinterhof. »Draußen.«
Danny fackelte nicht lange und stürmte los. Geistesgegenwärtig schnappte sich seine Schwester die Arzttasche, die er für Notfälle in der Bäckerei deponiert hatte. Als sie draußen ankamen, kniete Josephine weinend neben ihrem Freund.
»Mein Süßer, was ist denn los? Bitte wach doch wieder auf.«
Unsanft schob Danny sie zur Seite. Er hatte keine Zeit zu verlieren.
»Mach mal Platz! Ich bin Arzt.«
Gezwungenermaßen leistete Josephine dieser Anweisung Folge.
»Was ist mit ihm?«, fragte sie bebend, bekam aber keine Antwort.
»Titus, kannst du mich hören?« Unsanft klopfte Danny dem jungen Mann links und rechts auf die Wangen. »Hast du was verschluckt?« Als er keine Antwort bekam, drehte er sich zu seiner Schwester um. »Hat er Kaugummi gekaut?«
»Nein … «, setzte Anneka zu einer Antwort an, als Josy sie unterbrach.
»Er mag keine Kaugummis.«
Danny schickte ihr einen komischen Blick. Gleichzeitig griff er nach seiner Tasche.
»Ich muss intubieren«, erklärte er Anneka. Sie sah ihm dabei zu, wie er das Beatmungsgerät auspackte. Mit fliegenden Fingern versuchte er, es einzuführen. Vergeblich. »Mist! Die Luftröhre ist dicht. Ich komm nicht durch.«
»Aber … aber … Sie müssen doch was tun. Sonst erstickt er«, jammerte Josephine.
Diesmal achtete niemand auf sie. Die übrigen Gäste der Veranstaltung hatten einen Kreis um den Ort des Geschehens gebildet und hielten gebannt die Luft an.
»Ich mache einen Luftröhrenschnitt«, beschloss Danny. Er nahm ein steril verpacktes Skalpell aus der Tasche. Gerade als er es ansetzen wollte, schrie Josy entsetzt auf.
»Sie können ihm doch nicht den Hals aufschneiden!«
Vor Schreck zuckte der Arzt zusammen. Um ein Haar hätte er den Schnitt falsch gesetzt.
»Verdammt noch einmal, halt endlich die Klappe!«, schrie er Josy entnervt an.
In diesem Moment tauchte Tatjana auf. Mit entschiedenen Schritten ging sie auf das Mädchen zu, legte die Hand um ihre Schultern und machte Anstalten, sie wegzuführen.
»Der Rettungswagen ist gleich da!«, sagte sie zu noch zu ihrem Freund.
Der hatte inzwischen den lebensrettenden Schnitt gesetzt. Durch ein Plastikröhrchen bekam Titus wieder Luft. Erleichtert atmete Danny auf und lächelte Tatjana an.
»Ein Glück, dass du bist, wie du bist und nicht wie …« Mitten im Satz hielt er inne. Sein Blick flog hinüber zu Josy, die schuldbewusst den Kopf gesenkt hatte. Auch wenn er nicht weitersprach, wusste sie, dass sie gemeint war.
Tatjana dagegen war wie immer nicht um eine freche Antwort verlegen.
»Keine Sorge, ich mach das nicht umsonst«, kündigte sie an, als aus der Ferne schon das Martinshorn zu hören war, das rasch näherkam.
*
Trotz der sofort eingeleiteten Therapie verschlechterte sich Melanie Platz‘ Zustand immer weiter. Als Dr. Felicitas Norden das nächste Mal zu ihr kam, lag sie hochfiebernd im Bett. In Gedanken versunken, nahm sie nur am Rande wahr, dass Götz Grabmann neben sie trat. Diesmal ließ sein Auftauchen sie kalt.
»Und?« Sie hob nur kurz den Kopf. »Irgendwelche Neuigkeiten?«
»Alles negativ. Auch keine HIV-Infektion.« Er hielt ihr die Ergebnisse vom Labor hin. Ihre Fingerspitzen berührten sich. Doch anders als der Kollege nahm Fee auch davon keine Notiz. Sie überflog die Analysen. »Das gibt’s doch nicht.« Wieder