Liebe und andere Unwägbarkeiten des Lebens. Zsolt Majsai. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Zsolt Majsai
Издательство: Bookwire
Серия: Geschichten einer Kriegerin
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956673269
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„Ich heiße übrigens Jimmy Stiller.“

      Ups.

      „Wie der Schauspieler?“

      „Der Nachname, ja, wie der. Aber wir sind nicht miteinander verwandt, jedenfalls nicht in den letzten 200 Jahren.“ Dann lacht er über den eigenen Witz.

      Ich schwanke. Zwischen „Ich finde ihn eigentlich ganz nett“ und „Er ist ein Idiot“.

      „Erklären Sie mir das mit der 'Schule für Menschen' bitte, aber so, dass ich das auch verstehe.“

      Jetzt mustert er mich etwas gründlicher als bisher. „Woher haben Sie den Hund?“

      „Ein Geschenk.“

      „Ein Geschenk? Von wem?“

      „Von meinem Mann.“ Ich beiße mir auf die Unterlippe und weiß genau, wie bescheuert das klingt. Da steht eine Dreiundzwanzigjährige in knallengen Jeans, bauchfreiem T-Shirt und Sportschuhen mit ihrem jungen Hund und erzählt, dass sie von ihrem Mann eben diesen Hund geschenkt bekommen hat.

      „Von Ihrem Mann? Und er ist nicht dabei?“

      „Er arbeitet.“ Das wird ja immer schlimmer! Ich bin doch nicht diese doofe, blonde Aushängefrau, als die ich mich gerade darstelle! „Hören Sie, ich will einfach nur, dass der Hund lernt, sich vernünftig zu benehmen.“

      „Aha.“ Er mustert den Hund. „Der wird übrigens ziemlich groß werden. Erzählen Sie mal, was genau meinen Sie mit vernünftig?“

      Ich blicke mich um. Wir stehen vor dem Gebäude der Hundeschule, aber das eigentliche Geschehen spielt sich auf dem riesigen, eingezäunten Freigelände ab. Da sind auch bereits einige Leute fließig mit ihren Hunden der unterschiedlichsten Größen und Altersgruppen unterwegs. Was die da machen, verstehe ich allerdings nicht wirklich.

      „Ich will, dass er überallhin mit mir mitkommen kann und sich benimmt. Er soll nicht den Leuten auf den Schoß springen, nicht alle ablecken, er soll ohne Leine mitlaufen. Und was sonst noch dazu gehört.“

      „Ohne Leine? Ein Hund dieser Größe? Haben Sie eine Ahnung, wie groß er mal wird?“

      Ich betrachte Dannys riesige Pfoten. „Ja, in etwa. Ist das wichtig?“

      „Ja, das ist wichtig. Ein Hund dieser Größe flößt Angst ein.“

      „Genau deswegen bin ich ja hier. Er soll lernen, sich so zu benehmen, dass die Leute keine Angst vor ihm haben!“

      „Das müssen aber Sie lernen, nicht der Hund.“

      „Wie das? Ich meine, vor mir haben die meisten Leute keine Angst, und die es doch haben, die sollten auch Angst vor mir haben.“

      Jetzt mustert er mich erneut, diesmal gründlicher. Ancheinend irritiert ihn, was ich gerade gesagt habe. Hoffentlich, war ja auch meine Absicht. Dieses Gespräch finde ich ausgesprochen doof bisher. Ich will doch einfach nur, dass Danny ein gut erzogener Hund wird. Ist das denn so viel verlangt?

      „Wieso sollten Leute Angst vor Ihnen haben?“

      „Sie sollen nicht. Die meisten jedenfalls. - Wie ist es denn jetzt, nehmen Sie ihn oder nicht?“

      „Kommen Sie mit“, sagt er seufzend.

      Wir gehen in sein Büro, er bietet mir Kaffee an, holt sich auch einen und setzt sich dann mir gegenüber an seinen Schreibtisch. Danny liegt ruhig neben mir. Ich bewundere ihn gerade ein wenig.

      „Sie müssen sich über eines im Klaren sein: Der Hund kann schon alles, was er braucht. Sie müssen lernen, sich so zu verhalten, dass der Hund weiß, was er wann zu tun hat.“

      „Hm.“

      „Hunde sind Rudeltiere. Sie haben ein komplexes Sozialgefüge. Jeder Hund braucht einen Leitwolf. Haben Sie schon mal ein Wolfsrudel gesehen?“

      „Im Fernsehen.“ Ich nippe am Kaffee. Schmeckt wie gefärbtes Wasser.

      „Ist Ihnen etwas aufgefallen?“

      „Sie hatten alle vier Beine.“ Als ich sein Gesicht sehe, füge ich schnell hinzu: „Tut mir leid. Aber ich weiß nicht, worauf Sie hinaus wollen. Bin blond.“

      Jetzt lächelt er sogar. „Verarschen Sie mich nicht. Ich trainiere seit 20 Jahren Hunde und Menschen, da lernt man die Leute ein wenig kennen. Sie sind nicht doof, auch wenn Sie grad so tun. Aber von Hunden haben Sie keine Ahnung.“

      „Darum bin ich ja hier.“

      „Eben. Sie sind darum hier, nicht der Hund.“

      Hm. „Ja, okay. Was ist das für eine Geschichte mit dem Wolfsrudel?“

      „Wölfe leben streng hierarchisch. Sie haben einen Big Boss und kleine Bosse. Familienclan. Der Big Boss ist sehr lieb und nett, außer, einer der Wölfe will ihn verarschen. Dann kann er ungemütlich werden. Ansonsten braucht er nur eine Geste, eine Mimik zu machen und die anderen spuren. Wussten Sie, dass Wölfe bis zu fünfmal mehr Mimik haben als Hunde?“

      „Nein.“ Ich mustere Danny. Er sieht mich nicht besonders ausdrucksstark an, aber das könnte daran liegen, dass er sich gerade langweilt.

      „Dafür können Hunde bellen. Sie sprechen. Weil sie die Menschen nachahmen wollen. Wölfe bellen nur bei Gefahr, ansonsten kommunizieren sie lautlos oder durch Knurren. Worauf ich aber hinaus will, ist, dass Sie sich wie so ein Big Boss verhalten müssen. Der Hund wird Ihnen, wenn Sie für ihn glaubwürdig sind, auf Schritt und Tritt folgen und jeden Wunsch von den Augen ablesen. Aber nur dann. Wenn Sie nicht glaubwürdig sind, wird er versuchen, die Chefrolle zu übernehmen. Weil er das so im Programm hat. Ein Rudel braucht einen Chef. Wenn das sonst niemand macht, macht er es.“

      „Hm.“

      „Trauen Sie sich das zu?“

      „Ich denke schon. Ich kann ziemlich nachdrücklich und authentisch sein.“

      Er lächelt schon wieder. „Wie nachdrücklich? Überzeugen Sie damit auch einen Hund?“

      „Das kriege ich hin. Geben Sie mir einfach so eine Anmeldung und dann fangen wir an. Sie können mich ja rausschmeißen, wenn ich mich blöd anstelle.“

      „Das tue ich sicher nicht, schon wegen des Hundes nicht. Hier der Anmeldebogen. Wenn Sie fertig sind, kommen Sie aufs Gelände. Ihr Hund sollte Sozialkontakte knüpfen und mit den anderen Hunden spielen. Wir haben nachher auch Welpengruppe, da kann er mit den anderen jüngeren Hunden rumtoben.“

      Er steht auf und geht zur Tür. Da bleibt er stehen und dreht sich zu uns um. „Ich kenne Sie irgendwoher. Haben Sie eine Ahnung, woher?“

      Ich nicke, während ich meinen Namen schreibe. „Vermutlich haben Sie mich im Fernsehen und in den Zeitungen gesehen.“

      „Echt? Sorry, aber ich habs nicht so mit Promis.“

      Jetzt muss ich doch auch lächeln. Ich glaube, er ist eigentlich ganz nett. Etwas knurrig, aber doch ganz nett. So ganz ansatzweise erinnert er mich sogar an James.

      „Promi bin ich vielleicht nicht, auch wenn mich derzeit die ganze Stadt kennt, bis auf Sie. Aber die meisten kennen mich nackt oder mit einer Knarre in der Hand. Oder auf einer Trage auf dem Weg ins Krankenhaus.“

      „Hm. Sie wollen nicht gerade behaupten, Sie sind diese …, also die, die den Polizeichef entlarvt und getötet hat?“

      „Ich habe ihn nicht getötet, das war ein Scharfschütze. Okay, er hing an meinen Füßen und ich hätte versucht, ihn loszuwerden, was ebenfalls seinen Tod bedeutet hätte.“

      „Wie heißen Sie nochmal?“

      „Fiona Carter. Noch.“

      „Und von wem ist der Hund?“

      „Von meinem Mann. Okay, wir sind erst verlobt und noch nicht verheiratet.“

      „Das ist dieser Ex-Geheimdienst-Typ?“

      „Genau.“